Zwei Jahre vor den Wahlen: Äthiopiens Medien unter Druck
7. September 2025Die Zahl der Festnahmen von Journalisten hat in Äthiopien in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Abdulsemed Mohamed, Moderator einer Wirtschaftssendung beim privaten Radiosender Ahadu Radio, verschwand am 11. August in der Hauptstadt Addis Abeba. Seine Frau, Emebet Buta, sagte: "Die Polizei hat uns nie eine Antwort gegeben und sagte, sie würde ein Team zusammenstellen, um nach ihm zu suchen."
Yonas Amare, leitender Redakteur der Zeitung "The Reporter", wurde am 13. August aus seinem Haus in der Stadt "von einer Gruppe maskierter Personen entführt", wie sein Arbeitgeber mitteilte.
"Nach der Festnahme der beiden Journalisten beobachtete unsere Organisation den Fall gemeinsam mit den Familien und anderen Medienorganisationen. Beide waren über zehn Tage verschwunden", erklärte Mersha Tiruneh, Sprecher der Ethiopian Mass Media Professionals Association, gegenüber der DW. Wie der Ethiopia Observer berichtet, wurden die Männer inzwischen freigelassen. Aber weder sie selbst noch die äthiopischen Behörden haben sich zu ihrer Inhaftierung geäußert.
Sadibou Marong von der Medienrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) sagt, die Situation für Journalisten und mit Journalisten in Verbindung stehende Zivilisten sei in Äthiopien "ziemlich schrecklich und problematisch".
Gesetze als Waffen gegen Journalisten
Im Jahr 2024 saßen laut Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) sechs äthiopische Journalisten hinter Gittern. Einer von ihnen, Yeshihasab Abere, wurde im Januar 2025 freigelassen. Im März wurden sieben Journalisten der privaten Ethiopian Broadcasting Corporation festgenommen, die jedoch alle wieder freigelassen worden sein sollen. Zwei von ihnen warten auf ihren Prozess wegen Verbreitung von hasserfüllter Desinformation.
Angela Quintal vom CPJ sagte, dass "Medien- und Anti-Terror-Gesetze weiterhin als Waffe gegen Journalisten eingesetzt werden, Internet-Sperren dazu dienen, Berichterstattung zu unterbinden, und willkürliche Verhaftungen zur Routine geworden sind".
Journalisten wurden beschuldigt, Terrorismus und Hassreden zu fördern, Falschinformationen zu verbreiten oder sich gegen den Staat zu verschwören, wenn sie über Konflikte berichteten. Im Jahr 2023 wurden laut RSF 15 ausländische Fernsehsender suspendiert. Der Staat hat außerdem schrittweise Gebühren eingeführt, die Hindernisse für Rundfunkübertragungen in Äthiopien schaffen.
Pressefreiheit unter Druck
Äthiopien ist mit rund 130 Millionen Einwohnern ein Gigant in Ostafrika. Doch im Pressefreiheitsindex 2025 von RSF, der von "weit verbreiteter Selbstzensur" spricht, belegt das Land Platz 145 von 180 Ländern.
Das Land ist auch dafür bekannt, Journalisten zu inhaftieren - laut CPJ hat Äthiopien seit 2018 30 Journalisten eingesperrt. Und das trotz des anfänglichen Optimismus, dass Premierminister Abiy Ahmed, der 2018 an die Macht kam, die zuvor streng kontrollierte Medienlandschaft des Landes reformieren würde.
Die Regierung erleichterte zunächst den Erwerb von Rundfunklizenzen, entkriminalisierte Verleumdung und führte Maßnahmen zum Schutz journalistischer Quellen ein. Außerdem gewährte sie den Führungskräften privater Medien mehr Freiheit.
Aber selbst damals wurden die äthiopischen Behörden beschuldigt, Gesetze zur Meinungsfreiheit zu umgehen, insbesondere als 2020 der Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den tigrayischen Streitkräften ausbrach.
Eine Änderung des Mediengesetzes von 2021 im April 2025 löste weitere Kritik von Menschenrechtsgruppen aus. Mit der Änderung baute die Regierung ihre Kontrolle über die äthiopische Medienbehörde (EMA) aus, die Sanktionen gegen Nachrichtenagenturen verhängt, die gegen die Pressethik verstoßen, einschließlich des Entzugs ihrer Lizenzen.
Auch Medienpersönlichkeiten im Ausland im Visier
Mitte August berichtete der Ethiopia Observer, eine äthiopische Delegation in Frankreich, zu der auch Premierminister Abiy Ahmed gehörte, habe Frankreich um Unterstützung bei der "Auslieferung" von zwei dort ansässigen äthiopischen Journalisten gebeten. Ihnen wird vorgeworfen, regierungskritisch zu sein. Angela Quintal vom CPJ erklärte gegenüber der DW, dass Abebe Bayu und Yayesew Shimelis "vor ihrem Exil wiederholt in Äthiopien inhaftiert worden waren".
"Eine solche transnationale Unterdrückung verdeutlicht, dass die Regierung über ihre Grenzen hinausgreift, um kritische Stimmen zu unterdrücken, was in direktem Widerspruch zu den Verpflichtungen Äthiopiens gemäß den internationalen Menschenrechtsgesetzen steht", fügte sie hinzu. Es gibt Berichte über ähnliche Versuche, kritische Stimmen in anderen Ländern der Europäischen Union, aber auch in Südafrika, Kenia und Uganda zu unterdrücken.
"In sichereren Ländern haben sie die Möglichkeit, sich neu zu erfinden. Die äthiopische Diaspora bildet eine sehr große Gruppe, und diese Gruppe hält meist an ihrer Unabhängigkeit und ihren Freiheiten fest. Und es besteht die Möglichkeit, dass sie von außerhalb Einfluss auf die Äthiopier nehmen", erklärt Marong. Diese Gefahr der Einflussnahme würden die Behörden als Rechtfertigung heranziehen, um äthiopische Journalisten in anderen Ländern aufzuspüren. "Das haben wir in letzter Zeit beobachtet, und es ist ein außerordentlich schlimmer Trend", fügt er hinzu.
Bevorstehende Wahlen verschärfen Bedenken hinsichtlich der Pressefreiheit
Äthiopien befindet sich an einem Wendepunkt. Das Friedensabkommen zur Einstellung der Feindseligkeiten von 2022 beendete die Kämpfe zwischen der äthiopischen Armee (ENDF) und der Tigray People's Liberation Front (TPLF) in einem Krieg, der etwa 600.000 Menschen das Leben kostete und rund fünf Millionen Menschen vertrieb. Derzeit herrscht in Tigray jedoch ein unklarer Zustand zwischen "Krieg und Frieden", da die regierende TPLF von internen Machtkämpfen und Streitigkeiten zwischen politischen Führern erschüttert wird.
Das Land steuert außerdem auf Parlamentswahlen zu, die für Juni 2026 angesetzt sind. Beobachter befürchten, dass alle Fortschritte im Bereich der Pressefreiheit zunichte gemacht werden könnten, da Addis Abeba verstärkt versuchen könnte, die Berichterstattung zu kontrollieren.
"Andersdenkende werden weiterhin verfolgt, und auch Journalisten, die nach Äthiopien einreisen, werden überwacht. Dieser Trend wird nicht aufhören", schätzt Marong. "Es gibt eine allgemeine Tendenz, die Berichterstattung zu kontrollieren und zu versuchen, den zivilgesellschaftlichen und öffentlichen Medienraum mit der eigenen Berichterstattung zu besetzen."
Aus dem Englischen übersetzt von Silja Fröhlich