Zähe Aufarbeitung von Ugandas Müll-Katastrophe
8. August 2025Zamhall Nansamba steht mit ihrem einjährigen Sohn auf dem Arm vor ihrem Haus in Kiteezi, einem Vorstadtviertel von Ugandas Hauptstadt Kampala. Fliegen schwirren umher. Es stinkt nach Abfällen. Ihre Flipflops stehen im matschigen Dreck, der sich vor den Eingangsstufen ihres Hauses sammelt. Vor einem Jahr, am 9. August 2024, war einige riesige Lawine aus Unrat, die sich von der Mülldeponie gelöst hatte, nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt zum Stehen gekommen.
Die Mutter von zwei Kindern hatte riesiges Glück: "Ich war an jenem morgen früh aufgestanden, um den Haushalt zu machen," berichtet sie: "Da hörte ich ein Geräusch und als ich nach draußen ging, sah ich die Bäume und den Müll den Abhang hinunterkommen." Ihre Lippen beben, während sie erzählt: "Ich packte meine beiden Kinder und wir rannten davon. Wir konnten hören, wie die Lawine mit hoher Geschwindigkeit hinabdonnerte."
Die 31-jährige Uganderin zeigt den Hügel hinauf. Oberhalb ihres Einfamilienhauses erhebt sich ein gewaltiger Berg aus Abfall: die städtische Müllkippe. Dort war vor einem Jahr - vermutlich ausgelöst durch eine Methanexplosion - eine Lawine aus Abfällen den Abhang hinunter gedonnert und hat mehr als 70 Häuser unter sich vergraben: 34 Tote wurden geborgen, noch immer werden mehr als 20 Menschen vermisst. Insgesamt wurden mehr als 220 Anwohner obdachlos.
Jener Tag hat das Leben von Nansambas Familie komplett verändert, seufzt sie. Als sie nach kurzer Zeit zurückkam, um zu sehen, ob ihr Haus noch steht, war sie "völlig entsetzt", wie sie sagt, denn: "Wir hatten Kühe auf der Wiese nebenan grasen, sie waren alle tot. Viele unserer Nachbarn verloren ihr Eigentum, sogar ihr Leben", sagt sie. "Bis heute führen wir ein elendes Leben, denn wir hatten dort unten Mietwohnungen, von deren Einkünften ich das Schulgeld für meine Kinder bezahlen konnte." Die Wohnungen wurden zerstört - jetzt weiß sie nicht, wie sie die Schulgelder ihrer Kinder bezahlen kann.
Japanische Hilfe für Ugandas Müllkippe
Die Stadtverwaltung von Kampala (KCCA) hatte direkt nach dem Unglück die Anwohner im Umkreis des abgerutschten Abhangs angewiesen, umzuziehen, weil die Gefahr groß sei, dass die Müllhalde noch weiter abrutsche. Doch Familien wie die von Nansamba, die in diesem Armenviertel am nördlichen Stadtrand von Kampala leben, haben kein Geld, um sich anderswo anzusiedeln.
Die Angst, dass die nächste Lawine auch ihr Haus und das Leben ihrer Kinder kosten könne, halte sie bis heute nachts wach, so Nansamba: "Wir sind alle traumatisiert", nickt sie. Ihr Ehemann befinde sich in psychiatrischer Behandlung.
Immerhin, KCCA hat direkt nach dem Unglück die Müllhalde in Kiteezi, wo seit über 27 Jahren der ganze Unrat der zwei-Millionen-Metropole unsortiert abgeladen wird, geschlossen. Daniel Nuweabine, Sprecher der Stadtverwaltung erklärt: Um die Halde zu befestigen, hat die japanische Regierung jüngst eine Million US-Dollar bereitgestellt sowie professionelle Maschinen und japanische Ingenieure eingeflogen. Sie sollen die rund 500.000 Tonnen Müll, die sich seit Eröffnung der Halde 1998 dort zu einem gigantischen Berg angesammelt haben, so komprimieren, dass es keine weiteren Unglücke gibt: "Das ist eine gewaltige Aufgabe", so Nuweabine. "Das sind Hochrisikogebiete, wo sich Methangas im Boden befindet und der Druck Risse öffnen und leicht weitere Lawinen auslösen kann", erklärt er. Die Japaner würden dies nun professionell angehen.
Die Kiteezi-Müllhalde ist nun offiziell geschlossen. Doch wohin nun mit den mehr als 2000 Tonnen Unrat, die in Ugandas Hauptstadt täglich anfallen?
Im März dieses Jahres habe KCCA 27 Kilometer in Buyala westlich von Kampala rund 90 Hektar Land erstanden, um dort eine neue Deponie anzulegen, so Nuwebine. Die Stadtverwaltung habe hinsichtlich der Müll-Verarbeitung große Pläne, sagt er: "Wir planen ein Kompostierungsprojekt, das Biogas erzeugt", sagt der KCCA-Sprecher. Noch seien immer mehr als 80 Prozent der Haushaltsabfälle kompostierbarer Biomüll, weil die Ugander nur selten verarbeitete Lebensmittel zu sich nehmen. Was nicht kompostierbar sei, werde in Zukunft recycelt.
Im Frühjahr 2024 veranstaltete die deutsche Außenhandelskammer eine Konferenz in Kampala zum Thema Kreislaufwirtschaft und Müllverarbeitung. Anwesend waren deutsche Firmen wie Siemens, um sich die Pläne von Ugandas Umweltministerium anzuhören, mehr Wertstoffe wie Plastik zu recyclen - ein Prozess, der bislang in Afrika fast gar nicht stattfindet. Die neuen Deponien sollen deswegen keine klassischen Müllhalden mehr darstellen, sondern Wertstoffhöfe - ganz nach deutschem Vorbild, so die Idee.
Umstrittene Landfrage
Doch die Umsetzung kostet Zeit. Und bis dafür tatsächlich Investoren und Finanzmittel gefunden sind, geht das Abladen von unsortiertem Unrat auch in Buyala munter weiter. Dabei ist das neu erworbene Land umstritten, sagt Aldon Walukamba, Sprecher von Ugandas Forstbehörde, die für den Erhalt von Ugandas Regenwäldern zuständig ist: "Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich hierbei um ein Waldschutzgebiet", erklärt Walukamba. "Es liegt im Einzugsgebiet des Flusses Mayanja, der in den Victoriasee mündet und einen wichtigen Beitrag für dessen Ökosystem und seine Artenvielfalt leistet."
"Wir haben herausgefunden, dass dort tatsächlich Müll entsorgt wurde", berichtet der Sprecher der Forstbehörde und klingt wütend. Als er im Dezember 2024 selbst hinfuhr, um sich ein Bild zu machen, musste er feststellen, dass Soldaten und Polizisten vor Ort waren, so Walukamba. Um Waldschutzgebiete zur Nutzung freizugeben, müssen in Uganda Parlament und Präsident zustimmen. "Dies ist nicht geschehen", so Walukamba: Was bedeutet, dass Stadtverwaltung und bisherige Grundstückseigentümer gemeinsame Sache machten. Der Sprecher der Waldbehörde erhebt den Vorwurf: "Sie taten es übereilt und illegal."
Seitdem streiten sich nun die Behörden. Gleich mehrere Gerichtsverfahren wurden von beiden Seiten angestrengt, einige sind noch nicht abgeschlossen. Die Stadtverwaltung KCCA besteht darauf, dass das Grundstück bei Buyala, auf welchem nun Müll abgeladen werde, zwei Privatpersonen gehörte, von welchen KCCA das Land im März rechtmäßig erworben habe. Ein Gericht habe eine Überprüfung veranlasst, ob es sich um ein Reservat handele , so KCCA-Sprecher Nuweabine: "Der Bericht ergab, dass das fragliche Land nicht zum Waldschutzgebiet gehört."
Während sich die juristischen Prozesse, wie immer in Uganda, zeitlich lange hinziehen, werden in dem Waldstück in Buyala Tatsachen geschaffen.
In Kiteezi hingegen warten Betroffene wie Nansamba noch immer auf Entschädigung, um irgendwo anders sicher leben und nachts wieder gut schlafen zu können. Auf Anfrage der DW, wann und ob diese Kompensationszahlungen ausgezahlt würden, erklärt Nuweabine, dass erst vor wenigen Tagen in einer Kabinettssitzung ein Memorandum verfasst worden sei und die Anweisung zur Auszahlung dem zuständigen Finanzministerium auferlegt wurde. Er sichert zu: "Die Betroffenen sollen nun entschädigt werden."