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Zwischen USA und Europa

8. April 2003

- Bulgarische Positionen zum Irak-Krieg

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Köln, 7.4.2003, DW-radio / Bulgarisch, Katja Lestanska

Über 70 Prozent der Bulgaren sind neuesten Meinungsumfragen zufolge gegen den Krieg im Irak. Damit stehen sie im krassen Widerspruch zur offiziellen Position Bulgariens. Das Kabinett des Ex-Zaren und heutigen Premiers Simeon Sakskoburggotski und die Abgeordneten der Regierungskoalition unterstützen den Kurs der USA und Großbritanniens eindeutig. Staatspräsident Georgi Parwanow dagegen hat den Schulterschluss Bulgariens mit der amerikanisch-britischen

Am 7. Februar hat das bulgarische Parlament die Überflugrechte der US-Streitkräfte und der anderen am Krieg beteiligten Staaten sowie die Entsendung von bulgarischen ABC-Schutzkräfte gebilligt - unter dem Vorbehalt, dass bulgarische Soldaten nicht im Irak eingesetzt würden. In der neueren bulgarischen Geschichte ist eine solche Schere zwischen öffentlicher Meinung und offizieller Position in der Außenpolitik kein Einzelfall.

Ähnlich war es vor der NATO-Intervention in Ex-Jugoslawien 1999. Die Mehrheit der Bulgaren war damals gegen die Genehmigung von Überflugrechten für Luftangriffe auf den westlichen Nachbarn. Regierung und Parlament haben anders entschieden. Und später wurde dieser Beschluss als der wichtigste Schritt in Richtung NATO-Integration herausgestellt.

Als der Irak-Krieg begann, blieben die Positionen der bulgarischen politischen Kräfte unverändert. Sowohl die Regierung als auch die linken und rechten Parteien beteuern unermüdlich, dass ihre politische Haltung von den euro-atlantischen Werten geprägt sei. Und dass Bulgarien nicht vor die Wahl zwischen USA und Europa gestellt werden dürfe. Dies alles in einer Zeit als die EU-Beitrittsverhandlungen und die letzten Konsultationen zur NATO-Integration im Gange sind.

In der Irak-Frage wurde keine einheitliche euro-atlantische Position gefunden. Deshalb fiel es dem Premier Simeon Sakskoburggotski schwer, den Bulgaren die offizielle Position zu erklären. Klar wurde nur, dass Bulgarien versucht, Punkte bei den Amerikanern zu gewinnen, ohne gleichzeitig das "alte Europa" zu vergraulen.

Emil Koschlukoff, Politikwissenschaftler und Abgeordneter der regierenden Partei NDWZ (Nationale Bewegung des Zaren Simeon II.- MD):

"Die bulgarische Position - im Unterschied zu der deutschen - berücksichtigt die Maßstäbe, den Einfluss und das Territorium Bulgariens. Deutschland und Frankreich können es sich leisten, eine Position im Widerspruch zu der Haltung der USA und Großbritanniens einzunehmen. Für uns ist es schwerer, den Ausgleich der Interessen zu erlangen."

Was die Beziehungen Bulgariens zu Frankreich und Deutschland betrifft, so sei der Prozess der EU-Erweiterung von großer politischer Bedeutung. Es wäre schade, sagt Koschlukoff, sollte die bulgarische Politik die Irak-Frage als Vorwand für eine Verlangsamung der Beitrittsverhandlungen benutzen.

Nikolaj Mladenov, Abgeordneter der oppositionellen "Vereinigten Demokratischen Kräfte" VDK nennt noch andere Gründe, die für Bulgarien bei der Unterstützung der amerikanisch-britischen Position von Bedeutung sind:

"Die Haltung der VDK zum Irak-Krieg ist von den Erfahrungen Bulgariens während des diktatorischen kommunistischen Regimes geprägt. Wir wissen sehr gut, wie schwer es ist, einen Diktator zu stürzen. Beunruhigend für mich ist die Tatsache, dass die EU-Mitgliedsstaaten sich nicht auf eine gemeinsame Haltung in der Irak-Frage verständigen konnten und dass ihre Meinungsunterschiede die Beitrittsländer verunsichert haben."

Die linke Opposition in Parlament, die "Koalition für Bulgarien", hat ihre Haltung zum Irak-Krieg nicht geändert - diese militärische Intervention gefährde ihrer Meinung nach die Weltordnung. Der Historiker Andrej Pantew, Abgeordneter der bulgarischen Linken, kritisiert die Regierungspolitik:

"Man kann nicht darüber diskutieren, ob die Freiheit durch Bomben erkämpft wird und die Demokratie durch den Beschuss eines Fernsehturmes. Wir in Bulgarien müssen begreifen, dass von uns nichts abhängt, dass wenn Bulgarien in den Medien im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg zitiert wird, dies nur aus statistischen Erwägungen getan wird, um zu zeigen, dass auch dieses Land den Krieg unterstützt." (fp)