Zentraler Bedeutung der kleinen und mittleren Betriebe für das Wachstum in Bulgarien hervorgehoben
1. Januar 1970Sofia, April, WIRTSCHAFTSBLATT, deutsch
Das Vorliegen einer breiten Schicht von kleinen und mittleren Betrieben ist für die soziale Marktwirtschaft sowie insgesamt für die Stabilität des demokratischen Systems von zentraler Bedeutung. Andererseits ist die Herausbildung und Festigung des Mittelstandes nach 45 Jahren staatlicher Planwirtschaft in Osteuropa allenthalben - so auch in Bulgarien - mit Schwierigkeiten verbunden. Die Probleme des mittelständischen Unternehmertums haben deshalb immer einen Arbeitsschwerpunkt der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) Sofia gebildet.
Die von der KAS organisierte Konferenz über christlich-demokratische Grundwerte, Wirtschafts- und Sozialpolitik und die Bedeutung des Mittelstandes hatte sich zum Ziel gesetzt, die Problematik von möglichst vielen verschiedenen Seiten zu beleuchten. Die Konferenz wurde in Zusammenarbeit mit der Sofioter Universität "Hl. Kliment Ochridski", der Bulgarischen Wirtschaftskammer, der Bulgarischen Handwerkskammer, dem Unabhängigen Gewerkschaftsbund in Bulgarien und den Vereinigten Demokratischen Kräften (UDK) organisiert. Mit Grußworten wandte sich an die Anwesenden die Botschafterin der Bundesrepublik, Ursula Seiler-Albring. Der neue Staatspräsident Georgi Parwanow ließ eine Grußadresse verlesen. Referenten waren Dekane von Fakultäten der Sofioter Universität, Vertreter der Bulgarischen Wirtschaftskammer, der Handwerkskammer, des Unabhängigen Gewerkschaftsbundes (KNSB) sowie aus Deutschland Hermann-Josef Arentz MdL, Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Mitglied des Präsidiums der CDU, und Manfred Rube, Geschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz. Der Generalsekretär der Stiftung, Wilhelm Staudacher, war ebenfalls zugegen. Auf dem Forum sprachen darüber hinaus die Vorsitzenden der Mitgliedsparteien der Vereinigten Demokratischen Kräfte (VDK) Ekaterina Michailowa, Anastassija Moser und Alexander Pramatarski. Im Saal war auch die gegenwärtige Vorsitzende der Union der Demokratischen Kräfte (UDK), Nadeshda Michailowa.
Obwohl im Programm formal nicht vorgesehen, wandte sich auch der Ex-Premier Iwan Kostow, der seit den Parlamentswahlen vom 17. Juni keine öffentlichen Äußerungen mehr gemacht hatte, zum ersten Mal wieder mit einer Rede an die rund 400 Teilnehmer.
Auf der Veranstaltung wurde teilweise die Auffassung vertreten, in Bulgarien gebe es noch keinen Mittelstand, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist, da eine Vielfalt von Kleinbetrieben existiert. Es ist jedoch – soziologisch und finanziell gesehen - noch keine breite Mittelschicht vorhanden.
Auf große Aufmerksamkeit stießen die Beiträge der beiden deutschen Referenten. Die Teilnehmer waren an Details über den Mittelstand in Deutschland, seine Rolle in Wirtschaft und Politik sowie der bestehenden Rechtsgrundlage sehr interessiert. In den Diskussionen wurden eine Reihe von Fragen gestellt.
Die Konferenz war auch aus einem anderen Grunde höchst aktuell: Sie fiel auf einen Zeitpunkt, da in Bulgarien eine lebhafte Diskussion über die Besteuerung des Mittelstandes im Gange ist. Die neue Regierung hat erhebliche Erhöhungen bei einigen für kleine und mittlere Unternehmer relevanten Steuern eingeführt, so bei der Gewerbesteuer, was auf Widerstand bei den Betroffenen stößt.
Eine besonderen Akzent erhielt die Veranstaltung schließlich durch die Tatsache, dass sie die letzte Maßnahme des bisherigen Leiters des Stiftungsbüros in Sofia, Josef Gruber, war. Er verließ Bulgarien nach sechsjährigem Aufenthalt und trat seinen Ruhestand in Deutschland an. Generalsekretär Wilhelm Staudacher würdigte die Verdienste Grubers in seiner 34-jährigen Stiftungsarbeit. Auf dem Forum wurde sein Nachfolger, Wulf Brocke, vorgestellt.
Teilnehmer und Beobachter waren sich einig, dass die Veranstaltung einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der behandelten Problematik darstellt. Die hohe Zahl der Teilnehmer aus allen Teilen des Landes, unter ihnen zahlreiche Bürgermeister aus Groß- und Mittelstädten des Landes, ebenso die Präsenz mehrerer Parteivorsitzender, vieler Parlamentsabgeordneter sowie ehemaliger Minister unterstrichen die Wichtigkeit des Themas. (fp)