Wie Lateinamerikas Kunden von Trumps Zöllen profitieren
19. September 2025Während US-Konsumenten über hohe Lebensmittelpreise stöhnen, gehen die Preise in Lateinamerika runter. Das hat auch etwas mit Trumps Zollpolitik zu tun. Im Supermarkt auf der Avenida Rua Bolivar in Rio de Janeiro staunen die Kunden nicht schlecht: Die Preise für Kaffee und Fleisch sind spürbar niedriger als zuletzt. "Endlich mal eine gute Nachricht in diesen schwierigen Zeiten", sagt Kundin Julienne Freitas der Deutschen Welle. Ihr Eindruck wird von einer aktuellen Umfrage vom Institut für Statistik und Sozioökonomische Studien (Dieese) und der Nationalen Versorgungsgesellschaft (Conab) bestätigt. Demnach seien die Preise für Grundnahrungsmittel im August im Vergleich zum Juli in 24 der 27 Hauptstädte brasilianischer Bundesstaaten gesunken. Lebensmittel wie Tomaten, Fleisch, Reis und Kaffee wurden billiger.
Zölle eine Ursache für die Preisentwicklung
"In der Landwirtschaft leben wir von Zyklen. Beim Kaffee hatten wir zum Beispiel eine gute Ernte, was natürlich das Angebot erhöht und die Preise drückt. Bei Fleisch ist es ähnlich: Der Viehzuchtzyklus befindet sich in einer Phase mit einem hohen Angebot an Mastrindern, so dass der Binnenmarkt diesen Preisrückgang zu spüren bekommt", sagt Leandro Dias von der brasilianischen Plattform AgroDeri, die sich auf die Digitalisierung des Agrar-Marktes spezialisiert hat, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Dann kommt aber noch ein weiterer Faktor hinzu: die Zölle der USA auf brasilianische Produkte. "Zu hohe Zölle führen zu Inflation im Inland und bremsen die Wettbewerbsfähigkeit im Ausland", sagt Leandro Dias. Anders ausgedrückt, derzeit spüren die Verbraucher in den USA einen Anstieg der Preise bei Lebensmitteln, auf die Washington Zölle erhoben hat. Umgekehrt gehen die Preise dafür in den Herkunftsländern zurück.
"Wir haben in Brasilien einen kurzfristigen Effekt durch die Zölle auf das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei den Artikeln, die unter die Zölle fallen, nämlich Kaffee und Fleisch", bestätigt Volkswirtschaftler Douglas Eustáquio von "Grupo Boticario" im Gespräch mit der Deutschen Welle. Durch die Zölle werden Produkte, die teilweise und ganz für den US-Markt gedacht waren, jetzt in Brasilien bleiben. "Und dieser Überschuss wird den heimischen Markt versorgen", sagt Eustáquio. Bei Fleisch dauere der Preisrückgang etwas länger, aber die Preise seien im Laufe der Wochen und Monate bereits gefallen.
Zölle wegen Bolsonaro-Prozess
Als Reaktion auf den Prozess gegen den rechtspopulistischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, der wegen eines Putschversuches vom Obersten Gerichtshofes inzwischen zu 27 Jahren Haft verurteilt wurde, erhoben die USA Strafzölle, weil ihrer Einschätzung nach die Opposition und die Meinungsfreiheit unterdrückt werde. Die brasilianische Regierung wiederum pocht auf die Unabhängigkeit der Justiz. Brasiliens amtierender Präsident Luiz Inacio Lula da Silva erklärte jüngst, die US-Zölle seien zudem unfair, weil die Vereinigten Staaten einen Handelsüberschuss gegenüber Brasilien hätten.
Die brasilianischen Exporte in die Vereinigten Staaten beliefen sich laut brasilianisch-amerikanischer Handelskammer zwischen Januar und Juli 2025 auf 23,7 Milliarden US-Dollar. Das war der höchste jemals für diesen Zeitraum verzeichnete Wert. Auch die Importe stiegen um 12,6 Prozent auf 26,0 Milliarden US-Dollar. Das Ergebnis erhöhte somit den US-Handelsüberschuss auf 2,3 Milliarden US-Dollar.
Einen ähnlichen Effekt wie in Brasilien gab es jüngst in Mexiko zu beobachten. Dort wurden die Tomaten billiger: Javier Reyes Escamilla, Präsident des Viehzüchterverband der Mitte-Nord-Region des Bundesstaates Mexiko, sagte dem Portal Milenio: "In der Region gibt es eine hohe Produktion, die Erzeuger im Norden des Landes versuchen, sie in die zentralen Bundesstaaten zu verkaufen, anstatt sie in die Vereinigten Staaten zu exportieren, daher sinkt der Preis."
Kurzfristige Preissenkungen, langfristige Folgen
Während sich die Verbraucher in den Herkunftsländern kurzfristig über niedrigere Preise freuen können, dürften die Zölle langfristig aber eher negative Folgen haben, sagt die brasilianische Wirtschaftswissenschaftlerin Dirlene Silva im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Wenn der Produzent den Zugang zu einem wichtigen Markt wie dem amerikanischen verliert, hat er keinen Anreiz mehr zu investieren", sagt Silva. Das bedeute weniger Technologie, weniger Produktivität und sogar Qualitätsverluste. Mit der Zeit könne die Produktion zurückgehen und die Preise könnten wieder steigen, was dann zu Lasten der brasilianischen Verbraucher ginge.