Wie kommt Deutschlands Wirtschaft wieder in Schwung?
20. Februar 2025Schlagzeilen, laut denen das deutsche Wirtschaftsmodell klinisch tot sei, gab es in den vergangenen Monaten häufig. Das Land befinde sich in einer Phase der Deindustrialisierung. Viele Jahre lang war Deutschland für seine energieintensive Produktion im Maschinen- und Anlagenbau, in der Automobilindustrie und bei High-End-Produkten auf billiges russisches Gas angewiesen.
Im Vorfeld der Bundestagswahl am 23. Februar liegt der Fokus stark auf der Migration, obwohl Europas größte Volkswirtschaft sich seit zwei Jahren in einer Rezession befindet. Der wahrscheinliche Wahlsieger, Friedrich Merz, Vorsitzender der konservativen Christlich Demokratischen Union (CDU), steht vor großen Herausforderungen.
In der vergangenen Woche kündigte Porsche an, 1900 Mitarbeiter zu entlassen, da eine Beschäftigungsgarantie ausläuft; der Porzellanhersteller Rosenthal gab bekannt, dass er bis Ende nächsten Jahres eine seiner beiden Fabriken schließen werde. Insgesamt hat Deutschland seit Beginn der Corona-Pandemie laut Financial Times fast eine Viertelmillion Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe verloren.
"Die Arbeitslosigkeit steigt seit Monaten und diese Entwicklung wird sich in den nächsten Monaten fortsetzen, so dass wir wahrscheinlich die Drei-Millionen-Marke bei den Arbeitslosen überschreiten werden", sagt Klaus Wohlrabe, Forscher am Münchner ifo-Zentrum für Makroökonomie.
Die Gründe für die Flaute
Die deutschen Unternehmen haben viele Probleme. "Eines der größten Probleme im Moment ist die Unsicherheit", sagt Wohlrabe. Das Land befinde sich mitten in einem Regierungswechsel und niemand wisse, wie die kommende Wirtschaftsagenda aussehen wird.
"Unternehmen stellen Investitionen zurück und warten ab. Ähnlich ist es bei den Verbrauchern", so Wohlrabe zur DW. Bei ihnen herrsche Angst um den Arbeitsplatz. "Deshalb sind sie beim Einkaufen vorsichtiger und sparen eher."
Auch wenn die nächste deutsche Regierung die Unternehmen beruhigen könnte, befinden sich die globalen politischen Allianzen in einem grundlegenden Wandel. Niemand weiß, was US-Präsident Donald Trump plant, während er seine America-First-Politik vorantreibt. Werden die USA generelle Zölle auf alles erheben, was ins Land kommt, oder nur einige Länder oder bestimmte Branchen treffen, etwa die deutsche Autoindustrie?
Das Potenzial für Störungen ist hoch. Aber was auch immer passiert, weder Unternehmen noch Politiker seien wirklich vorbereitet, sagt Wohlrabe.
Und dann noch die Demografie
Die deutsche Industrieproduktion erreichte 2018 ihren Höhepunkt, lange vor den jüngsten Schocks wie der Covid-Pandemie, Lieferkettenproblemen und der europäischen Energiekrise, sagt Klaus-Jürgen Gern, Forscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Im vergangenen Jahr ging die deutsche Industrieproduktion um 4,5 Prozent zurück.
Diese Schwäche sei in vielen Branchen spürbar, aber "besonders ausgeprägt in den deutschen Kernexportbranchen Automobil- und Maschinenbau", so Gern zur DW. Pharmazeutika, Flugzeuge und Schiffe seien einige der positiven Ausnahmen von diesem Rückgang.
Laut Gern sind Probleme wie regulatorische Belastungen, unzureichende öffentliche Infrastruktur und allgemeine Unsicherheit in der Wirtschaftspolitik hausgemacht. Und er weist auf ein weiteres Problem hin: die Demografie. "Da die Babyboomer-Generation in den nächsten fünf bis zehn Jahren den Arbeitsmarkt verlässt, wird der Mangel an Fachkräften, der bereits in den letzten Jahren ein ernstes Problem war, noch zunehmen. Das bringt Unternehmen dazu, über Investitionen in inländische Produktionskapazitäten nachzudenken"
Werde das Land keine ausländischen Arbeitskräfte anziehen, könnte diese demografische Verlangsamung "das potenzielle Produktionswachstum in Deutschland auf ein Minimum reduzieren", warnt er.
Hohe Energiekosten
Deutschland braucht viel Energie, um seine großen Fabriken, seine Elektrofahrzeuge, Rechenzentren und andere moderne Technologien zu betreiben. Dabei haben deutsche Unternehmen auf billiges Gas aus Russland gesetzt. Doch nach der russischen Invasion in der Ukraine Anfang 2022 hat Deutschland seine Energieversorgung abrupt geändert.
Deutschland war gezwungen, sich anderswo nach Energie umzusehen und die Preise stiegen. "Die Hauptursache für den Anstieg der Energiepreise sind die höheren Gaspreise. Die sind darauf zurückzuführen, dass die EU weitaus weniger russisches Gas importiert als vor dem Krieg und inzwischen auf den Import von teurerem Flüssigerdgas (LNG) von den Weltmärkten umgestiegen ist", sagt Conall Heussaff, Research-Analyst bei der Brüsseler Denkfabrik Bruegel.
"Höhere Gaspreise treiben auch die Strompreise in die Höhe, da Gas nach wie vor eine Schlüsselkomponente bei der Stromerzeugung ist", so Heussaff gegenüber der DW. "Da die Wirtschaft immer stärker elektrifiziert wird, ist es sinnvoll, dass Unternehmen in Regionen mit dem billigsten Strom investieren."
Konkurrenz aus China
Dazu wird das deutsche Industriemodell auch durch Chinas wachsende Stärke in Bedrängnis gebracht. Zu Beginn dieses Jahrhunderts produzierte und exportierte China noch Unterhaltungselektronik, Kleidung und Haushaltsgegenstände und war ein wichtiger Abnehmer deutscher Ingenieurskunst.
Für viele deutsche Unternehmen war der chinesische Markt die wichtigste Wachstumsquelle. Doch inzwischen produziert China seine eigenen Fahrzeuge und andere Waren, die in direkte Konkurrenz zu deutschen Produkten treten. Chinesische Waren erobern nicht nur den heimischen Markt, sie sind weltweit erfolgreich.
Was zu tun ist
Deutschland könne seine Wettbewerbsfähigkeit jedoch steigern, sagt Ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe. Das Land müsse "Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung priorisieren und gleichzeitig ineffiziente Subventionen und Sozialtransfers reduzieren". Eine diversifizierte und sichere Energieversorgung seien unabdingbar.
Die Stärkung der öffentlichen Infrastruktur und die Gewährleistung einer zuverlässigen Energieversorgung zu angemessenen Preisen seien wichtig, sagt auch Klaus-Jürgen Gern.
Kleinen und mittleren Unternehmen müsse dabei besonders geholfen werden. "Die Senkung der Unternehmenssteuern und die Verbesserung der Investitionsanreize sind dabei nur ein Element", so Gern. Der Abbau von bürokratischen Hürden und Berichtspflichten sei eine weitere Möglichkeit, die deutsche Industrie wieder auf Kurs zu bringen.
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.