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KonflikteMali

Wie eine abgefangene Drohne für Streit im Sahel sorgt

19. April 2025

Zwischen Mali und Algerien wird das diplomatische Verhältnis seit 2023 immer frostiger. Mit dem Abschuss einer Drohne hat es einen neuen Tiefpunkt erreicht. Finden beide Länder aus der Krise heraus?

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Eine Akinci-Drohne über den Wolken
Die Akinci des türkischen Herstellers Baykar ist eine bewaffnete Aufklärungsdrohne - bis zu dem Abschuss hatte Malis Armee zwei Exemplare in BetriebBild: IMAGO/Depositphotos

Schon wieder Tinzaouaten. Die Wüstenregion im äußersten Nordosten Malis hat im vergangenen August Schlagzeilen gemacht, als Tuareg-Rebellen malische Soldaten und russische Söldner in einen Hinterhalt lockten und ihnen schwere Verluste zufügten. Nun wurde Tinzaouaten Schauplatz einer neuen diplomatischen Krise: In der Nacht zum ersten April fiel dort eine Überwachungsdrohne der türkischen Akinci-Baureihe vom Himmel; die malische Armee besaß überhaupt nur zwei Exemplare. Videos in sozialen Medien zeigen brennende Trümmer, die aus dem Nachthimmel auf die Wüstenlandschaft niedergehen.

Wenige Stunden später erklärte die algerische Armee, sie habe die malische Drohne abgeschossen, nachdem diese algerischen Luftraum verletzt habe. Bamako wies das zurück: Die Trümmer seien fast zehn Kilometer von der Grenze entfernt auf malischem Gebiet gefunden worden.

Eine abgeschossene Drohne, das gab es im zerrütteten Verhältnis beider Länder noch nie - und weil zunächst keine Seite einlenkte, eskalierte der Konflikt weiter.

Proteste, Vergeltung und Solidarität

Nachdem sich Algerien zum Abschuss bekannt hatte, versammelten sich vor der algerischen Botschaft in Malis Hauptstadt Bamako Hunderte Demonstranten. "Sie haben die Drohne über unserem Territorium zerstört. Genug ist genug! Wir sind hier, um der Welt zu zeigen, dass wir hinter unseren Behörden stehen", sagte einer der Demonstranten der DW.

Die malische Militärregierung übte diplomatische Vergeltung - gemeinsam mit den verbündeten Juntas aus Niger und Burkina Faso: Die drei Staaten der Sahel-Allianz (AES) zogen ihre Botschafter aus Algiers ab. Algerien tat es ihnen gleich. Am Tag darauf schlossen Algerien und Mali den eigenen Luftraum für Flugzeuge des jeweils anderen Landes.

Die Solidaritätsaktion dürfte Burkina Faso leichter gefallen sein als Niger: "Aus nigrischer Sicht ist das keine gute Entwicklung, weil Niger hatte gerade die Beziehung zu Algerien verbessert", sagt Ulf Laessing, Sahel-Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, die der deutschen konservativen Partei CDU nahesteht. "Algerien hat sich um Niger bemüht, gerade eben, weil das Verhältnis zu Mali so schlecht ist. Die staatliche Ölfirma Sonatrach hat ein Abkommen abgeschlossen in Niger, was Niger wirtschaftlich nützt."

Die Büsten der Juntaführer auf einem Sockel vor einer Wand auf einem Platz in Bamako, auf der die Umrisse der drei AES-Staaten gepinselt sind
Solidarität unter Putschisten: die drei Sahel-Staaten betonen ihre Gemeinsamkeiten - etwa auf dem Platz der AES in BamakoBild: Makan Fofana/DW

Verbal ging der Schlagabtausch weiter. So warf der malische Außenminister Abdoulaye Diop Algerien vor, Terrorismus zu unterstützen: "Der Rat der AES-Führer betrachtet die Zerstörung einer Drohne der malischen Streitkräfte als feindlichen Akt gegen alle AES-Mitglieder und einen perfiden Schritt, der auf seine Weise dem Terrorismus und der Destabilisierung der Region Vorschub leistet", sagte Diop.

Algerien wies jegliches Fehlverhalten zurück. "Die Putschistenjunta in Mali versucht vergeblich, unser Land als Sündenbock für ihre Rückschläge zu nutzen, für die die malische Bevölkerung den höchsten Preis zahlt", hieß es in einer Stellungnahme des algerischen Außenministeriums.

Malisch-algerisches Verhältnis seit 2023 im freien Fall

Mali und Algerien sind über eine gemeinsame Kolonialgeschichte unter französischer Fremdherrschaft miteinander verbunden. Seitdem Mali 1960 und Algerien 1962 unabhängig wurden, gab es ein Auf und Ab in den bilateralen Beziehungen. Dabei spielte immer wieder auch die Sicherheit an der gemeinsamen 1300 Kilometer langen Grenze eine Rolle. 2015 vermittelte Algerien nach dreijährigen Kämpfen zwischen malischer Armee und Rebellen im Norden erfolgreich ein Friedensabkommen, die Verträge von Algier.

Doch die Sicherheit in der unwirtlichen Grenzregion und auch das Verhältnis beider Staaten blieben zerbrechlich, insbesondere nach den beiden Putschen in Mali 2020 und 2021. Aus Nordmali wurde neue Gewalt zwischen den Vertragspartnern gemeldet - und Gräueltaten, mutmaßlich begangen von malischen Soldaten und ihren neuen Waffenbrüdern der russischen Söldnergruppe Wagner.

Auf der Bühne im Konferenzsaal sitzen Politiker, am Rednerpult steht ein Beduinenführer in traditionellem Gewand
Durchbruch dank algerischer Mediation: 2015 einigte sich die damalige Regierung Malis mit zentralen Rebellengruppen des Nordens auf einen FriedensvertragBild: EPA/STR/picture alliance/dpa

Laut Laessing nahm das Verhältnis zwischen Bamako und Algier schweren Schaden, als der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune den radikalen Prediger Mahmoud Dicko aus der malischen Region Timbuktu empfing. Die Junta sieht in dem populären Imam eine Bedrohung. "Das wurde in Bamako als Provokation angesehen", sagt Laessing. "Daraufhin hat Mali ein Friedensabkommen, das Algerien vermittelt hatte, beendet. So hat sich die Krise aufgeschaukelt. Also deswegen sind wir jetzt schon auf Krisenniveau."

Aus Sicht des malischen Analysten Paul Oula fehlt für eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen vor allem Vertrauen. "Heutzutage missbilligen die malischen Behörden die Einmischung der algerischen Behörden in die Bewältigung der Sicherheitskrise in Mali massiv", sagt Oula der DW. Der Streit helfe vor allem Marokko: Das Königreich hat seine Präsenz im Sahel zuletzt deutlich verstärkt - so will es den AES-Staaten zu einem neuen Zugang zu den Weltmeeren verhelfen. Die Juntas hatten mit dem Wirtschaftsbündnis ECOWAS gebrochen, dessen Mitglieder am Golf von Guinea für den Außenhandel der Binnenländer sehr wichtig waren.

Wie kann die Lage entspannt werden?

Im Ausland ist man besorgt, dass die Feindseligkeiten zwischen Algerien und Mali die Sicherheit in der ohnehin fragilen Region weiter herabsetzen könnten. ECOWAS appellierte in einer Erklärung an beide Staaten, die "Spannungen zu deeskalieren, Dialog zu fördern und regionale und kontinentale Mechanismen zur Schlichtung zu nutzen".

Der Politologe Mohamed Si Bachir von der algerischen Nationalen Hochschule der Politikwissenschaften (École Nationale Supérieure de Sciences Politiques) sagte der DW: "Wir könnten soziale und diplomatische Hebel einsetzen. Algerien hat gute Fähigkeiten und langjährige Erfahrung bei der Beilegung regionaler Konflikte. Wir können davon ausgehen, dass diese Maschinerie hochgefahren wird, um eine Lösung zu suchen." Darüber hinaus könnten die persönlichen Beziehungen von Gemeinschaften beidseits der Grenze dabei helfen, meint Si Bachir.

Ob Algerien und Mali den für beide Länder nachteiligen Streit beilegen können, dürfte letztendlich vom politischen Willen abhängen.

Mitarbeit: Mahamadou Kane, Makan Fofana und Tarek Draoui