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Profitieren Kakaobauern von steigenden Schokoladenpreisen?

Chi-Hui Lin | Amy Stockdale
29. März 2025

Europas Schokoladenhersteller und Verbraucher spüren die Folgen schlechter Kakaoernten in Westafrika, ausgelöst durch ein Virus und den Klimawandel. Aber werden steigende Preise das Leben der Kakaobauern verbessern?

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Ein Bauer zeigt auf einer Kakaoplantage eine geöffnete Kakao-Schote, die er in der Hand hält (Nahaufnahme)
Wichtigster Rohstoff für Schokolade: Eine frisch geerntete Kakao-Schote Bild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Oliver Coppeneur, ein Schokoladenhersteller aus Bad Honnef in Deutschland, ist seit den 1990er Jahren im Geschäft. Im Moment hat er jedoch mit den steigenden Preisen für eine wichtige Zutat seiner Leckereien zu kämpfen: Kakao.

Letztes Jahr musste er sogar, wie viele andere Chocolatiers auf der ganzen Welt, die Preise für seine Schokoladen erhöhen. Die Preise für Kakao auf dem Weltmarkt sind Ende 2024 in die Höhe geschnellt und haben sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Der starke Anstieg setzt die globale Schokoladenindustrie unter erheblichen Druck und betrifft Hersteller, Verbraucher und Kakaobauern.

Im Gespräch mit der DW sagt Oliver Coppeneur, dass der derzeitige Anstieg der Kakaopreise "Schokoladenprodukte gleich teuer" machen werde, was schließlich zu einem "deutlichen Rückgang des Volumens" auf dem Markt führen könnte. Bisher komme er aber ohne Entlassungen von Teilen seiner Belegschaft aus und wolle die Preise für seine Schokoladen stabil halten.

Warum ist der Kakaopreis so schnell gestiegen?

Etwa 65 Prozent der weltweiten Kakaobohnen stammen aus vier westafrikanischen Ländern: der Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria und Kamerun. Der Kern des aktuellen Anstiegs der Kakaopreise ist ein mangelndes Angebot an Kakaobohnen. Eine katastrophale Ernte im Jahr 2024, verursacht durch das sogenannte Cocoa Swell Shoot Virus (CSSV), das sich von Baum zu Baum ausbreitet und in nur zwei Jahren zu einem Rückgang der Ernteerträge um 50 Prozent führen kann, traf Plantagen in ganz Westafrika.

Ein Bericht der Internationalen Kakaoorganisation zeigte, dass 81 Prozent der Plantagen in Ghana - dem zweitgrößten Kakaoproduzenten der Welt nach der Elfenbeinküste - mit CSSV infiziert sind. Da sich die Krankheit auch in der Elfenbeinküste ausbreitet, sind etwa 60 Prozent der weltweiten Kakaoproduktion betroffen.

Drei Kakaobauern in Ghana sortieren auf dem Boden einer Plantage einige nachhaltig angebaute Kakao-Schoten
Ghana gehört neben der Elfenbeinküste zu einem der wichtigsten Produzenten von KakaoBild: DW

Darüber hinaus hat die US-amerikanische Non-Profit-Organisation Climate Central berichtet, dass "der Klimawandel dazu führt, dass höhere Temperaturen an Orten wie der Elfenbeinküste, Ghana, Kamerun und Nigeria häufiger werden".

Eine Studie der in Princeton, im US-Bundesstaat New Jersey, ansässigen Wissenschaftler zeigt, dass Temperaturen über 32 Grad Celsius (90 Grad Fahrenheit) die Qualität und Quantität der Ernten verringern können und deshalb die übermäßige Hitze den großen Kakaoanbaugebiete zu schaffen macht. Darüber hinaus hat das sogenannte El-Niño-Wetterphänomen 2024 in Westafrika zu einer feuchteren Regenzeit als üblich geführt, was zu einem Rückgang der Kakaoernten geführt hat.

Hohe Preise, noch höhere Gewinne

Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete unter Berufung auf offizielle Regierungsdaten, dass im Jahr 2024 "mindestens ein Dutzend familiengeführte Chocolatiers in ganz Europa geschlossen haben". Darunter waren auch die deutschen Süßwarenhändler Arko, Hussel und Eilles, die nach Insolvenzen im Jahr 2021 aufgrund der COVID-19-Pandemie erneut Insolvenzschutz beantragten.

Süße Schokolade – bitterer Nachgeschmack

Mittlerweile ist die Kakaoknappheit auch für die europäischen Verbraucher direkt zu spüren: Allein in Deutschland sind die Schokoladenpreise seit 2020 um 40 Prozent gestiegen.

Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation SÜDWIND in Bonn sagt jedoch, dass die europäischen Schokoladenhersteller "in der Regel in der Lage waren, die steigenden Kakaopreise weiterzugeben". 

"Ihre stabilen Gewinne im vergangenen Jahr deuten darauf hin, dass es zumindest den großen Unternehmen gelungen ist, mit den hohen Preisen fertig zu werden (...) und in einigen Fällen sogar höhere Gewinne als zuvor erzielt haben", sagt er im Gespräch mit der DW.

Preisschilder vor Tafeln von Milka-Schokolade im Regal eines deutschen Kaufland-Supermarktes zeichnen 100-Gramm-Tafeln mit 1,99 Euro aus
Kleine Chocolatiers in ganz Europa mussten schließen, während die großen Schokoladenhersteller weiter an Umsatz zulegenBild: Jan Huebner/IMAGO

Hütz-Adams stellt fest, dass der europäische Schokoladenriese Lindt im Jahr 2024 ein weltweites Umsatzwachstum von 7,8 Prozent bei höheren Umsätzen verzeichnete, wobei der EU-Markt mit einem Wachstum von 9,5 Prozent sogar überdurchschnittlich abgeschnitten hat.

Zukünftige Kosten für süße Leckereien

"Schokolade war in der Vergangenheit ein rezessionssicheres Lebensmittel", sagt Clay Gordon. Der Gründer von TheChocolateLife - einer Online-Community für "Schokophile und aufstrebende Schokophile" - behauptet auf der Website der Plattform, dass "Menschen Schokolade kaufen, um sich selbst glücklich zu machen".

Friedel Hütz-Adams von SÜDWIND stimmt dem zu und sagt, dass die aktuell "relativ stabilen Umsätze" ein Indiz dafür seien, dass "die Kunden mit den gestiegenen Preisen umgehen und weiterhin Schokolade kaufen können".

Er wies jedoch darauf hin, dass die Mehrheit der Bauern in Westafrika jahrelang "kaum über die Ressourcen verfügte, um gute landwirtschaftliche Praktiken anzuwenden", so dass die Ernteerträge pro Hektar zurückgingen. Die anhaltend niedrigen Kakaopreise in den vergangenen Jahren hätten dazu geführt, dass die Arbeiter oft nicht bezahlt würden und Kinderarbeit weit verbreitet sei. "Massive Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung und könnten in Zukunft durch höhere Preise zurückgehen", so Hütz-Adams weiter.

Auch Chocolatier Oliver Coppeneur ist der Meinung, dass der Kakaopreis über die Jahrzehnte so niedrig gewesen sei, dass die Bauern "keinen guten Job machen konnten". Wie andere Branchenexperten warnt er, dass ohne Investitionen in höhere Erträge und Pflanzen, die widerstandsfähig gegen den Klimawandel sind, Kakaopreisschwankungen in Zukunft unvermeidlich sind.

"Die nächsten Generationen (von Landwirten, d. Red.) müssen sich fragen: Wollen wir diese Arbeit überhaupt fortsetzen, wollen wir weiter auf der Farm arbeiten?", sagt Coppeneur und fügt hinzu, dass es uns nicht überraschen sollte, wenn die Schokoladenunternehmen nicht in die Kakaobauern investieren, "wenn die nächste Generation keine mehr hat".

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert