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Wer schützt die Kulturschätze im Nahen Osten?

1. Juli 2025

Im Augenblick gilt offiziell eine Waffenruhe zwischen Israel und Iran. Zuvor starben bei den wechselseitigen Angriffen viele Menschen. In Gefahr geriet aber auch das Kulturerbe der Region. Wie lässt es sich schützen?

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Ein Güterzug fährt über eine von zwei Brücken
Die Transiranische Eisenbahn zählt zum Welterbe in IranBild: Abedin Taherkenareh/dpa/picture alliance

Die Mahnung des International Council of Museums (ICOM) kam nach den ersten Bombenangriffen und war deutlich: Der Museumsrat warnte eindringlich vor einer "wachsenden Gefahr" für Museen und ihre Mitarbeitenden in Israel und Iran. Beide Seiten müssten sich auch im Konfliktfall an die internationalen Gepflogenheiten zum Schutz des kulturellen Erbes halten, forderte der in Paris ansässige Fachverband, dem weltweit mehr als 50.000 Museumsleute aus 138 Ländern, darunter auch Israel und Iran, angehören. "Mehr als mahnen und warnen können wir allerdings nicht", sagt die Präsidentin des Deutschen Nationalkomitees, Felicia Sternfeld, der Deutschen Welle.

Ein Säulenpalast, ein Wasserbecken inmitten eines Parks - Blick auf den Tschehel Sotun Palast in Isfahan
Durch militärische Angriffe bedroht: der Tschehel Sotun Palast im iranischen Isfahan Bild: Egmont Strigl/imageBROKER/picture alliance

Trug der Appell ausreichend Früchte? Die Nachrichtenlage ist dünn, vor allem aus Iran fließen nur spärliche Informationen, weil das Land kaum ausländische Journalisten einreisen lässt und die Pressefreiheit massiv einschränkt. Sicher scheint indes: In beiden Ländern wurden schon zu Beginn des israelisch-iranischen Konfliktes Notfallpläne aktiviert. Experten bemühten sich, soweit möglich, um Sicherung, Abtransport und Auslagerung von Kulturgütern. Ob trotz aller Mahnungen Schäden zu beklagen sind, ist im Moment ist unklar.   

Nationalmuseum in Teheran geräumt 

Der Iran verfügt über ein reiches kulturelles Erbe. Dazu zählen allein 28 UNESCO-Welterbestätten und rund 840 Museen, davon 300 in der Verwaltung des Kulturministeriums. "Iran hat eine gut organisierte und professionell arbeitende Denkmalbehörde", so Judith Thomalsky im Interview des Deutschlandfunks; sie leitet die Außenstelle Teheran des Deutschen Archäologischen Instituts. Seit 2023, als Tausende Iraner gegen das Mullah-Regime protestierten und das Auswärtige Amt sicherheitshalber Mitarbeitende deutscher Institutionen abzog, arbeitet Thomalskys Büro von Berlin aus. Das Institut selbst setzt seine Arbeit auf dem Gelände der deutschen Botschaft in Teheran mit Ortskräften fort. Thomalsky hält, soweit möglich, Kontakt zu ihrem iranischen Netzwerk.

Rauch steigt aus dem Gebäude des staatlichen Rundfunks in Teheran auf
Israelische Jets bombardierten Gebäude des staatlichen RundfunksBild: IRIB

Iran-Kennerin ist auch Barbara Helwing, Direktorin des Vorderasiatischen Museums in Berlin und von 2000 bis 2014 Vorgängerin von Judith Thomalsky. Sie hatte, wie sie dem Sender RBB sagte, bis zuletzt Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen am dortigen Nationalen Museum. Denn zeitweise herrschte Funkstille, weil das iranische Regime das Internet heruntergefahren hatte. "Wir wissen, dass das Museum und seine beiden großen Gebäude in der Nähe des Außenministeriums leergeräumt worden ist", so Helwing. Sie selbst habe Fotos gesehen, die leere Vitrinen zeigten.

Sandsäcke vor wichtigen Exponaten

Das Iranische Nationalmuseum ist nicht nur das älteste, sondern auch das bedeutendste Museum Irans. In zwei Gebäuden mit jeweils drei Hallen beherbergt es mehr als 300.000 archäologische Funde aus vorislamischer (vor dem 7. Jahrhundert n. Chr./ Anm. d. Red.) und islamischer Zeit, darunter viele Objekte aus Stein, Keramik, Glas und Metallen.

"In Iran ist das Verhältnis zum Kulturerbe sehr eng", sagt Hellwing. Die kulturelle Identität des Landes speise sich aus einer langen Geschichte und dem Bewusstsein, dass mit dem altpersischen (etwa 550 bis 330 v. Chr./ Anm. d. Red.) das erste wirkliche Weltreich der Geschichte von Iran ausging.

Barbara Helwing steht vor einem Relief eines Löwen
Barbara Helwing leitet das Vorderasiatische Museum in BerlinBild: Łukasz Grajewski/DW

Alle beweglichen Museumsobjekte, so Helwing, seien in großer Eile in die Keller gebracht worden. Die nicht beweglichen Artefakte, vor allem Steinobjekte, habe man mit Sandsäcken bedeckt, um sie vor Einschlägen und herumfliegenden Trümmerteilen zu schützen. Anders als in Israel gibt es in Iran keine Bunker - nicht für die Menschen und erst recht nicht für bedrohte Kunstschätze.

Als weit schwieriger erweist sich der Schutz archäologischer Stätten, die häufig im offenen Gelände liegen: "Richtig schützen kann man sie nicht,", sagt Helwing, "man kann eigentlich nur hoffen, dass sie weit genug weg sind von möglichen Angriffszielen."

Felsrelief von Taq-e Bostan bedroht?

Besonders gefährdet bei Angriffen ist der englischsprachigen Tageszeitung  "Tehran Times"zufolge auch Taq-e Bostan, ein archäologischer Komplex aus der Zeit der Sassaniden (bedeutende Dynastie des alten Perserreichs, die von 224 bis 651 n. Chr. herrschte/Anm .d. Red.) mit seinem einzigartigen monumentalen Felsrelief. Nur zwei Kilometer entfernt bombardierte die israelische Luftwaffe dem Bericht zufolge ein Waffenlager. Die ausgelösten Erschütterungen und Druckwellen könnten Schäden angerichtet haben, befürchtet Hellwing. Genaueres weiß sie derzeit nicht.

"Die iranische Antikenverwaltung weiß genau, was sie zu tun hat", sagt die Prähistorikerin Judith Thomalsky, die über 20 Jahre im Iran gearbeitet hat. Auch sie glaubt, offene archäologische Stätten wie Persepolis, Bisotun oder Tacht-e Soleyman, seien "unmöglich zu schützen", wie sie dem Berliner "Tagesspiegel" sagte. Immerhin sieht sie "keine akute Bedrohung von Kulturgut", aber man wisse ja nicht, wie es weitergehe.

Blick auf die Al-Jazzar Moschee in Akkon in Nordisrael
Bedrohtes Welterbe: die Al-Jazzar Moschee in der Altstadt von Akkon in NordisraelBild: Photoshot/picture-alliance

Auch in Israel wurden nach den ersten iranischen Gegenangriffen die Notfallpläne aktiviert. So hat das Tel Aviv Museum of Art einem Bericht des französischen Kulturmagazins "Beaux Arts" zufolge seine Sammlung israelischer und internationaler bildender Kunst in unterirdischen Räumen und Depots gesichert. Es öffnet seine Pforten erst wieder am 3. Juli - das Israel Museum in Jerusalem, mit 500.000 Objekten eines der größten im Nahen Osten, kann man jetzt schon wieder besuchen; auf der Homepage informiert es darüber, dass im Notfall Schutzräume bereit stehen.

UNESCO-Welterbekomitee tagt in Paris

In Israel gibt es aktuell neun UNESCO-Welterbestätten, darunter die "Weiße Stadt" von Tel Aviv, ein Quartier mit vielen Bauhaus-Gebäuden, die berühmte Felsfestung Masada oder die Altstadt von Akkon. "Unseres Wissens gibt es bisher keine Schäden an archäologischen Artefakten unter der Verantwortung der israelischen Altertumsbehörde", erklärte inzwischen die israelische Antikenbehörde IAA, wie die "Times of Israel" und die "Times of Tehran" übereinstimmend berichteten, "auch nicht an Exponaten in Museen."

Welterbestätten stehen rein formal unter dem Schutz der internationalen Staatengemeinschaft. Neben der Haager Konvention von 1954, die den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten regelt, ist das UNESCO Welterbeübereinkommen von 1972 das wichtigste überstaatliche Regelwerk zur Bewahrung von Kulturgütern. In Kürze - vom 6.-16. Juli - trifft sich das UNESCO-Welterbekomitee in Paris zu seiner 47. Sitzung. Die Experten beraten unter anderem um die Aufnahme neuer Stätten in die Welterbeliste. Die Tagung wird live online übertragen. Der israelisch-iranische Krieg steht nicht auf der Tagesordnung. Bleibt zu hoffen, dass die Waffenruhe hält und das auch nicht notwendig wird.

Dieser Artikel wurde aktualisiert am 25.07.2025. Korrigiert wurde die Zahl der weltweiten ICOM-Mitglieder.