Wer mit der Hand schreibt, lernt intensiver
1. April 2025"Was steht da? Krtzls…. Verdammt, ich kann meine eigene Handschrift nicht entziffern". Traurig, aber wahr: Wir verlernen die Handschrift!
Im heutigen digitalen Alltag tippen wir nur noch auf Computern und Smartphones herum und schreiben höchsten mal ein paar Notizen oder einen Einkaufzettel mit der Hand. Wir kommunizieren nur noch selten oder ungern mit Stiften und Briefen, sondern mit E-Mails, Textnachrichten oder - vor allem die Jüngeren - mit Sprachnachrichten.
Im digitalen Zeitalter empfinden wir das handschriftliche Verfassen eines längeren Textes inzwischen als äußerst mühsam. Wenn eine Geburtstagskarte oder ein Brief besonders schön geschrieben sein soll, erfordert dies unsere ganze Konzentration.
Handschrift will gelernt sein
Bereits als Kleinkinder lernen wir, mit der Hand möglichst korrekt und ordentlich zu schreiben. Obwohl alle Kinder die gleichen Buchstaben lernen, sieht das Schriftbild dabei häufig sehr unterschiedlich aus.
In der Jugend und zu Beginn des Erwachsenalters ändert sich unsere Schrift in der Regel stark, danach aber bleibt sie bei den meisten Menschen weitgehend gleich, jeder hat seine unverwechselbare Handschrift.
Aber ohne Routine und Kontrolle wird die Handschrift immer schlechter. Probleme mit der Handschrift sind längst ein gesamtgesellschaftliches Problem, nicht nur eines von Schülerinnen und Schülern, wie es gerne behauptet wird. Denn in der Schule wird die korrekte und leserliche Handschrift noch kontrolliert.
Trotzdem beklagt der deutsche Verband Bildung und Erziehung seit Jahren eine abnehmende Schreibkompetenz und zunehmende motorische Defizite bei Schulkindern. Laut einer "Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben"(STEP 2022) haben immer mehr Kinder Probleme damit, leserlich und schnell zu schreiben. Und durch die Lockdowns und Homeschooling während der Corona-Pandemie hat sich diese Entwicklung weiter verschlimmert.
Mit zunehmendem Alter, in der Jugend und bei jungen Erwachsenen wird die Handschrift bei vielen dann immer unleserlicher - auch weil Routine und Kontrolle fehlen.
Die Handschrift hilft beim Denken und Lernen
Tippen auf einer Tastatur ist gerade bei längeren Texten unschlagbar, zumal sich die Textstruktur beliebig verändern lässt. Die Autokorrektur beseitigt einfache Fehler, das Schreiben ist so schneller, leserlicher und weniger anstrengend.
Handschrift fordert das Gehirn stärker als Tippen und fördert so auch das Lernen. Eine norwegische Studie von 2024 fand heraus, dass bei Schreiben mit der Hand eine erhöhte Hirnaktivität genau in den Gehirnregionen auftritt, die fürs Lernen wichtig sind.
Messbar war eine stärkere Interaktion in den Hirnarealen, die für die Gedächtnisleistung und die motorische und visuelle Informationsverarbeitung verantwortlich sind.
Zudem vergleicht das Gehirn beim Schreiben die entstehende Schrift mit erlernten Modellen der Buchstaben und Wörter und passt die Fingerhaltung in Echtzeit an. Auge und Gehirn überwachen ständig, ob die Finger den Stift richtig führen, dabei den richtigen Druck ausüben, und ob klare Linien beim Schreiben entstehen. Dafür braucht es eine sehr genaue Koordination zwischen visuellen und motorischen Abläufen. Es sei diese Kombination aus visueller Information und Informationsverarbeitung, die das Lernen fördert, heißt es in der Studie.
Handschrift ist zwar langsamer als Tippen, aber das ist nicht unbedingt ein Nachteil. Die naturgemäße Langsamkeit zwingt uns, die Informationen stärker zu verarbeiten.
Wir fassen das Gehörte oder Gedankengänge stärker zusammen, markieren Schlüsselworte oder prägnante Zitate, stellen zuweilen mit Pfeilen oder Markierungen Zusammenhänge her, setzen uns insgesamt intensiver mit dem Inhalt auseinander und behalten ihn so auch länger im Gedächtnis.
Verlernen wir eine jahrtausendealte Fähigkeit?
Das Schreiben mit der Hand ist eine der wichtigsten Kulturtechniken. Schon vor Tauenden von Jahren haben Menschen Informationen in Ton oder Stein geritzt oder mit Tinte auf Palmblätter, Pergamente oder Papyrus niedergeschrieben. Handschrift war bis zur Erfindung des Buchdrucks die einzige Möglichkeit, Sprache auf einem Medium festzuhalten.
Die älteste Schrift ist etwa 5000 bis 6000 Jahre alt: Die Sumerer entwickelten im heutige Irak eine Keilschrift, mit der sie ihren Handel verwalteten. Diese Bilderschrift bestand aus rund 900 Piktogrammen und Ideogrammen, also aus Symbolen und Zeichen, die mit Holzstäbchen in feuchte Lehmplatten geritzt wurden. Aus dieser “Handschrift“ entwickelte sich im Laufe der Zeit verschieden Schriftarten und auch unser heutiges Alphabet.
Im Gegensatz zum Sprechen war Schreiben früher nur einer Minderheit, den Adeligen, Geistigen und Händlern vorbehalten. Dass heute so viele Menschen lesen und schreiben können, änderte sich erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 20. Jahrhundert.
1820 konnten weltweit nur zwölf Prozent der Menschheit lesen und schreiben. Heutzutage hat sich der Anteil umgekehrt: Weltweit können laut UNESCO nur rund 13 Prozent der Menschen nicht lesen und schreiben. Die Hälfte der rund 765 Millionen Analphabeten lebt in Südasien, mehr als ein Viertel in Afrika südlich der Sahara. Zwei Drittel der Analphabeten weltweit sind Frauen.