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Wende im Aids-Prozess gegen bulgarische Mediziner

19. Februar 2002

– Libyen wirft ihnen nicht mehr Verschwörung gegen den Staat vor

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Sofia, 19.2.2002, 1010 GMT, RADIO BULGARIEN, deutsch

Nach Jahren quälenden Wartens gibt es aus Tripolis endlich mal eine gute Nachricht: Im Prozess gegen die sechs bulgarischen Mediziner gab es am Sonntag (17.2.) eine entscheidende Wende.

Vor drei Jahren waren die fünf Krankenschwestern und ein Arzt in Bengasi verhaftet und später angeklagt worden, 393 libysche Kinder vorsätzlich mit dem HIV–Virus infiziert zu haben. Am Sonntag hatte das libysche Volksgericht den schwerwiegendsten Anklagepunkt aus Mangel an Beweisen zurückgewiesen. Demnach wird den Bulgaren nicht mehr eine Verschwörung gegen den libyschen Staat vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft müsse ferner stichhaltige Beweise für das absichtliche Infizieren der libyschen Kinder mit Aids liefern, bestimmte das Gericht. Es gibt keinerlei Beweise, dass die Bulgaren mit unbekannten Personen von der CIA und dem Mossad in Verbindung stehen. Es geht also nicht mehr um die nationale Sicherheit, sondern um eine gewöhnliche Straftat, sagte der Richter wörtlich. Das Verfahren wird nun vor einem normalen Strafgericht verhandelt werden. Nach Ansicht des libyschen Verteidigers der sechs Bulgaren, Osman Bisanti, wird die Staatsanwaltschaft in den nächsten vier bis acht Wochen die Anklage erneut erheben. Bisanti zufolge war die Entscheidung des Volksgerichtshofes weder das beste noch das schlimmste, was seinen Mandanten hätte passieren können. Er geht davon aus, dass sie sich nun wegen fahrlässiger Verbreitung des HIV-Virus werden verantworten müssen. Nichtsdestotrotz hat sich die Lage der angeklagten Bulgaren bedeutend verändert.

Die Wende im Prozess trat nach der aktiven Einmischung der internationalen Stiftung Gaddafi ein, an deren Spitze der Sohn des libyschen Staatschefs, Seif el Islam, steht. Er hatte unlängst ein Treffen mit dem bulgarischen Außenminister Solomon Passy in Tripolis. Der Leiter der Stiftung erklärte, dass die Anklage ernsthafte Lücken aufweist.

Ein gutes Zeichen war auch die Verlegung der sechs bulgarischen Mediziner aus dem Gefängnis in ein bewachtes Haus vor etwa zehn Tagen. Und bei der letzten Gerichtsverhandlung hatten bulgarische Journalisten aus Tripolis gemeldet, dass Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes verhaftet worden seien, welche die Bulgaren in den sechs Monaten ihrer Haft gefoltert hatten.

Die ersten bulgarischen Reaktionen auf die Entscheidung des Gerichts fielen dem gemäß positiv aus. Außenminister Solomon Passy, der in den vergangenen Wochen und Monaten viel für die erneute Erwärmung der Beziehungen zwischen Sofia und Tripolis getan hatte, bewertete den Gerichtsbeschluss als ein gutes Zeichen. Staatspräsident Georgi Parwanow nannte den Beschluss eine gute Nachricht, während der Vorsitzende des bulgarischen Verfassungsgerichtes, Hristo Danow, vom früheren Präsidenten Stojanow als Beobachter nach Libyen entsandt, die Hoffnung äußerte, dass das Ende des Prozesses nahe sei und dass die Unschuld der Bulgaren bewiesen werde. (fp)