Weltwirtschaftsforum: Die Staaten Südosteuropas haben an Wettbewerbsfähigkeit verloren
5. November 2003Bonn, 5.11.2003, DW-radio/Serbisch, Filip Slavkovic
Die südosteuropäischen Staaten, die sich Hoffnungen auf die zweite oder dritte Runde der EU-Erweiterung machen, müssen noch viel daran arbeiten, um ihre Wirtschaftsstandorte attraktiver zu machen. So die Einschätzung des Chef-Ökonomen des Weltwirtschaftsforums (WWF), Augusto Lopez-Claros, in einem Interview mit der "Deutschen Welle". Am Dienstag (4.11.) stellte das WWF in Frankfurt den diesjährigen Globalen Wettbewerbsfähigkeitsbericht vor. Das Abschneiden der ehemals kommunistischen Balkan-Länder hat Filip Slavkovic unter die Lupe genommen:
Es gibt mindestens 50 Staaten auf der Welt, in denen man bessere Geschäfte machen kann als in den Ländern auf dem Balkan, die sich seit mehr als einem Jahrzehnt in der Wende befinden. Das ist das Ergebnis des neuen Globalen Wettbewerbsfähigkeitsberichts des Weltwirtschaftsforums.
Kroatien ist als 53. das bestplatzierte vormals kommunistische Balkan-Land auf der 102 Nationen umfassenden Rangliste. Es folgen Bulgarien und Rumänien auf den Plätzen 64 und 75. Alle drei haben im Vergleich zum Vorjahr an Boden verloren, im Durchschnitt sogar um fünf Positionen. Zum ersten Mal berücksichtigt worden sind jetzt Serbien und Mazedonien, deren Wirtschaften vom WWF als Nummer 77 und 81 eingestuft wurden. Es ist dies ein schlechtes Abschneiden im Vergleich zu anderen früheren Ostblockstaaten, die zwischen den Plätzen 20 und 45 der Wettbewerbsfähigkeitsliste zu finden sind.
Dieser Meinung ist auch der Chef-Ökonom des Weltwirtschaftsforums, Augusto Lopez-Claros:
"Interessanterweise zeigt der Bericht zum Beispiel, dass die Staaten in Mittel- und Osteuropa sich sehr gut weiter entwickelt haben in den letzten zehn Jahren. Dementsprechend sollten auch die südosteuropäischen Staaten auf die selbe Art und Weise die strukturellen Reformen vorantreiben und eine starke makroökonomische Politik verfolgen. Genauso wie jetzt Ungarn, Estland oder Slowenien sollten sie auch in der Lage sein, mit der Zeit bessere Ergebnisse zu erzielen. Nationale Wirtschaften in der Wende haben gezeigt, dass sie sich der globalen Konkurrenz stellen können. Sie haben gezeigt, dass sie - vor allem dann, wenn sie langfristig eine Belohnung erwarten können, wie zum Beispiel die Mitgliedschaft in der Europäischen Union - fähig sind, gute Politik zu machen, die für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit notwendig ist."
Zur Zeit sind es aber eher die Probleme, die die Wirtschaftsstandorte Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Rumänien und Serbien kennzeichnen. Als größte werden in dem "Globalen Wettbewerbsfähigkeitsbericht" fast ausnahmsweise das Steuersystem, Korruption, mangelnde Investitionsbereitschaft, politische Unsicherheit oder wuchernde Bürokratie genannt. Doch kommen auch hier die nationalen Besonderheiten nicht zu kurz.
So habe die bulgarische Regierung einen guten Haushalt vorzuweisen, kämpfe aber ohne großen Erfolg gegen die organisierte Kriminalität. In Kroatien gebe es kaum Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau, dafür aber anscheinend einen zu kurzen Schwangerschaftsurlaub. In Rumänien wird die allgemeine Schulausbildung hoch eingeschätzt, nicht aber die Tatsache, dass die Politik Teile der Wirtschaft zu oft mit Subventionen unterstützt. Serbien habe seine Währung gestärkt, leide aber unter stetiger Auswanderung der hochqualifizierten Jugend.
Sehr gute Wirtschaftsdaten können nur die Länder vorzeigen, in denen das Geld in die Ausbildung oder für die Gesundheit ausgegeben wird, nicht aber für nicht-produktive Ausgaben wie Verteidigung oder Subventionen, erklärt der Chef-Experte des WWF, Lopez-Claros, und sagt:
"Ich glaube, dass diese Länder viel mehr tun müssen, insbesondere im makroökonomischen Bereich. Die Region muss sich stärker zu einer stabilen Währungspolitik, geringeren Inflationsraten und folglich zu geringeren Zinssätzen bekennen. Noch wichtiger ist es, dass sie viel mehr für die öffentlichen Institutionen, gegen die Korruption und gegen die Einmischung der Regierungen in die Wirtschaft durch schlechte Subventionspolitik tun. Hier können sich diese Staaten entscheidend verbessern. Für uns nämlich steht die Wettbewerbsfähigkeit in einem breiteren Zusammenhang. Wir sehen sie nicht nur durch den Preis der Produkte. Denn das würde bedeuten, dass man eine schwache Währung hat und billige Ware, die man ausführen kann. Doch dies ist ein zu enges Verständnis von Wettbewerbsfähigkeit. Wir schauen uns die Institutionen an, schauen, ob das Land auf neue Technologien zugreifen und vielleicht auch welche selber entwickeln kann. Und in allen diesen Bereichen müssen die Staaten Südosteuropas ihr Abschneiden stark verbessern."
Diese Balkan-Länder seien grundsätzlich schwach, was sie aber, so Augusto Lopez-Claros, auch als eine Herausforderung verstehen können, um in den wichtigen Bereichen der makroökonomischen Umgebung, der staatlichen Einrichtungen und der Technologie bessere Voraussetzungen zu schaffen. Das Weltwirtschaftsforum hat übrigens für seine Rangliste bisher noch keine Daten aus Albanien, Bosnien-Herzegowina und Teilen des ehemaligen Jugoslawiens - Montenegro und Kosovo - gesammelt. (TS)