Weht ein neuer Wind im Kosovo?
6. März 2002Köln, 5.3.2002, DW-radio
Das Parlament im Kosovo hat am Montag (4.3.) den gemäßigten Politiker Ibrahim Rugova von der Demokratischen Liga (LDK) zum Präsidenten gewählt. Zudem wurde eine Regierung unter dem Ministerpräsidenten Bajram Rexhepi von der Demokratischen Partei (PDK) bestimmt. Die serbischen Abgeordneten in dem Parlament enthielten sich der Stimme. Sie stellen aber - so sieht es das von der UN-Mission UNMIK erlassene Grundgesetz vor - einen Minister in der Regierung.
Das monatelange Tauziehen um Präsidentenamt und Regierungsposten im Kosovo hat ein Ende - endlich. Was Ende vergangener Woche bereits vereinbart wurde, war am Montag (4.3.) im Parlament in Prishtina nur noch Formsache: Ibrahim Rugova - schon vor dem Kosovo-Krieg Hoffnungsträger Nummer eins der Mehrheit der Albaner - wurde im vierten Anlauf zum Präsidenten gewählt. Im Gegenzug hat Rugovas Partei den Weg für Bajram Rexhepi von der UCK-Nachfolgepartei PDK frei gemacht. Rexhepi führt nun als Ministerpräsident das zehnköpfige Kabinett. Damit ist der Grundstein für die Selbstverwaltung gelegt. Ein Stück Normalität ist eingekehrt im Kosovo.
Dass die Abstimmung im Parlament relativ reibungslos verlief, ist nicht nur dem diplomatischen Geschick von UN-Verwalter Michael Steiner, sondern auch der Einsicht der kosovarischen Politiker zu verdanken. Die großen Albaner-Parteien haben begriffen, dass sie nur mit Geschlossenheit weiter kommen. Zwar halten sie an ihrem Ziel fest, Kosovo in die Unabhängigkeit von Jugoslawien zu führen. Aber ihnen ist auch klar, dass dies nicht schon morgen oder übermorgen passieren kann, sondern erst in einigen Jahren möglich ist - vielleicht. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: Geduld.
Auch die Serben im Kosovo haben eingesehen, dass ihre Interessen nur über Zusammenarbeit mit den Albanern durchzusetzen sind. Zwar war vor der Parlaments-Abstimmung noch einmal Protest aus ihren Reihen laut geworden, man habe sie unzureichend über die Verhandlungsergebnisse der vergangenen Woche informiert. Doch die befürchtete Blockade-Haltung blieb aus: Sie enthielten sich der Stimme - was als Duldung der Regierung zu werten ist - und besetzen den für sie reservierten Posten im Kabinett.
Weht also ein neuer Wind im Kosovo? Für uneingeschränkten Optimismus ist es wohl zu früh. Es gilt nicht nur die anstehenden Probleme wie Kriminalität, Korruption und Arbeitslosigkeit zu lösen, sondern auch die Bevölkerungsgruppen wieder zusammen zu bringen. Vor allem die serbische Minderheit lebt abgeschottet in den Enklaven und informiert sich fast ausschließlich über serbische Medien. Diese Isolation gilt es aufzubrechen.
Und dazu müssen nicht nur die Serben selbst einen Schritt tun. Denn ihre Angst vor gewalttätigen Übergriffen ist - wie die Vergangenheit gezeigt hat - durchaus berechtigt. Nur wenn ihre Sicherheit gewährleistet ist, kann man auch von ihnen den Schritt aus der Isolation erwarten. Dass ein Serben-Vertreter mit in der Regierung sitzt, ist wichtig. Aber erst die nächsten Monate werden zeigen, wie stark serbische Interessen tatsächlich gehört und berücksichtigt werden. Das gilt ebenso für die diversen anderen Minderheiten-Parteien - scherzhaft "die sieben Zwerge" genannt -, die nicht in der Regierung vertreten sind.
Ein wichtiges Etappenziel im Kosovo ist erreicht. Nun ist es an Rugova und der Rexhepi-Regierung Taten folgen zu lassen. An ihnen liegt es, wie schnell sich die internationale Verwaltung schrittweise aus den internen Belangen des Kosovo zurückziehen wird. (fp)