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Was ist mit den bulgarischen Rechten los?

3. März 2004
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Sofia, März 2004, WIRTSCHAFTSBLATT, deutsch, Iwan Ganew

Was ist los mit der UDK (Union der Demokratischen Kräfte – MD)?" Diese Frage stellen mir in den letzten Monaten immer wieder Leser aus dem Ausland, aber auch Ausländer, die in Bulgarien leben. Manche von ihnen kennen die Geschichte der bulgarischen Rechten und des bulgarischen rechtsorientierten Zentrums schon seit 1989-1990, da die UDK gerade begonnen hatte, sich allmählich von einem Symbol in eine treibende Kraft der Prozesse im politischen Spektrum zu verwandeln. Alle, mit denen ich darüber spreche, können ihre Verblüffung über den erbitterten Charakter der Konflikte innerhalb der größten bulgarischen Rechtspartei nicht verbergen. Die beiden größten Lager, die sich einerseits um den früheren UDK-Chef Iwan Kostow und andererseits um die derzeitige Parteivorsitzende Nadeschda Michailowa formiert haben, beschimpfen einander nicht nur auf Parteiversammlungen und -konferenzen, sondern auch in aller Öffentlichkeit. Das Tragische dabei ist, dass der Dialog - wenn man die Suaden von gegenseitigen Anschuldigungen überhaupt so bezeichnen kann -, vor den Augen ganz Bulgariens geführt wird und folgerichtig zum Lieblingsthema nicht nur der gelben Presse geworden ist. Es ist tragisch nicht nur, weil die UDK diejenige Partei war, die im Jahr 1992 für kurze Zeit und dann für eine längere Periode, von 1997 bis 2001, zweimal Regierungen stellte, die die ersten wirklichen Reformen im Land auf den Weg brachten. Das Zerwürfnis innerhalb der UDK ist tragisch, gerade weil sich die UDK dank der von ihr verfolgten Politik zur Durchführung von marktwirtschaftlichen Reformen und zur Integration des Landes in Europa die Sympathien und die Unterstützung der westlichen Welt gesichert hatte.

Es ist schwer vorstellbar, dass Bulgarien, der einstige treueste Satellit der Sowjetunion, ohne das von der UDK Geleistete heute vor den Toren der NATO und der Europäischen Union stehen würde. Die Freunde Bulgariens fühlen sich zu Recht enttäuscht - unabhängig von ihren parteipolitischen Ansichten und Überzeugungen. Für sie war die UDK nicht bloß eine Partei. Sie haben lange Zeit die UDK als eine Garantie für die Unumkehrbarkeit der politischen Prozesse in Bulgarien betrachtet. Um es ganz offen zu sagen: Der Westen hatte und hat in Bulgarien keinen treueren Verbündeten als die UDK. Warum hat gerade die UDK einen Weg eingeschlagen, der zum politischen Selbstmord führt? Oder, um es vorsichtiger zu formulieren: einen Weg, an dessen Ende der Zerfall steht? Die Erklärung, dass dieses Schicksal die rechten Parteien in fast allen anderen Reformländern ereilt habe, kann uns nicht zufrieden stellen. In Bulgarien hat sich der Übergang nach anderen Gesetzmäßigkeiten vollzogen. In Bulgarien wurde das politische System auf andere Weise formiert. Bulgarien hat die Energie einer Dissidentenbewegung aus der Zeit vor der Wende nicht geerbt. In Bulgarien haben die Ex-Kommunisten sehr viel später Reformversuche unternommen, als dies in Mitteleuropa der Fall war. Und auch die politischen und wirtschaftlichen Reformen wurden in Bulgarien mit einer derart großen Verspätung in Angriff genommen, dass man zuweilen den Eindruck hatte, das Land sei von der politischen Karte des vereinigten Europa gestrichen worden. Vor gut zwei Jahren ist in Bulgarien eine amorphe politische Formation an die Macht gekommen, die einzig und allein von der damals noch existierenden Autorität einer Person zusammengehalten wurde und die sich bis heute noch nicht darüber im Klaren ist, was für eine Politik sie verfolgt: eine rechte, eine zentristische oder eine linke. Bulgarien brauchte und braucht dringend eine intakte Rechtspartei. Schließlich kennen wir alle aus der Physik das Gleichgewichtsgesetz. Die unausweichliche organisatorische Spaltung der UDK, die das faktische Zerwürfnis lediglich besiegeln wird, spielt momentan eine debalancierende Rolle. Just zu dem Zeitpunkt, da die Integration des Landes in die euroatlantischen Strukturen unmittelbar bevorsteht, steuert die UDK ihrem politischen Fiasko entgegen. Dazu hätte es nicht kommen dürfen.

Ich möchte aber meine Leser davor bewahren, in einen extremen Pessimismus zu verfallen. Der Untergang der UDK würde freilich nicht das Ende dieser Formation bedeuten. Dies wäre nur das Ende ihrer Einheit. Wie sich die nach dem eventuellen Zerfall der UDK entstandenen Parteien nennen und welche Abbreviaturen sie verwenden würden, ist nicht so wichtig. Nicht so wichtig ist auch, ob die Landeskonferenz der UDK, die in diesem Monat stattfinden soll, formal die Einheit der Partei bewahren oder ihre faktische Spaltung absegnen würde. Denn die Trennung der beiden Flügel ist unumgänglich. Nur ein Wunder könnte sie verhindern. Leider aber geschehen in der Politik und überhaupt in unserer mehr oder weniger geordneten Welt keine Wunder. Also können wir einerseits beruhigt sein: Das Ideengut der UDK wird weiterleben. Es wird nicht untergehen. Anderseits gilt es aber Folgendes zu bedenken: Es ist weitaus schwieriger, Ideen durchzusetzen, wenn diese von persönlichen Konflikten, schweren Vorwürfen und Standpunkten überschattet sind, die zu keiner Annäherung führen, sondern die Kluft nur noch mehr vertiefen.

Haben aber die Konflikte innerhalb der UDK nur persönlichen Charakter?