Bundestagswahl: Was heißt das für die Beziehungen zu Asien?
26. Februar 2025Nach der Wahl am Sonntag steht der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kurz davor, Kanzler der größten Volkswirtschaft Europas zu werden. Die Wahl findet vor dem Hintergrund angespannter transatlantischer Beziehungen statt: US-Präsident Donald Trump vollzieht scharfe politische Kurswechsel - insbesondere im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, die Unterstützung rechtspopulistischer Bewegungen in Europa durch seine Berater sowie geplante Zölle auf europäische Importe.
Diese Spannungen haben die Forderung verstärkt, die EU solle ihre Abhängigkeit von den USA in Verteidigungsfragen reduzieren und ihre globalen Partnerschaften neu ausrichten. Merz betonte, Europa müsse mehr "Unabhängigkeit" von den Vereinigten Staaten anstreben und forderte eine verstärkte Verteidigungskooperation innerhalb der EU.
Wie sieht China die Lage?
Neben einem konfrontativen Kurs der Trump-Regierung und einem aggressiven Russland wird sich die neue deutsche Regierung auch mit einem zunehmend selbstbewussten China auseinandersetzen müssen.
China bleibt einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands: Das bilaterale Handelsvolumen lag 2024 bei 246,3 Milliarden Euro (259 Milliarden US-Dollar). Trotz enger wirtschaftlicher Verflechtungen betrachten Deutschland und die EU China nicht nur als Partner, sondern auch als Konkurrenten und "systemischen Rivalen".
Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian, erklärte nach der Wahl, China sei bereit, mit der neuen deutschen Regierung zusammenzuarbeiten, um die bilateralen Beziehungen auszubauen.
Xuewu Gu, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Bonn, erwartet, dass die Regierung Merz Beschränkungen für chinesische Investitionen lockern und gemeinsam mit der EU einen Handels- und Investitionspakt mit China vorantreiben wird. "Sollte es zu einem Handelskrieg mit den USA kommen, bleibt Deutschland kaum eine andere Wahl, als die Kooperation mit China zu intensivieren", so Gu.
Indien: "Keine grundlegenden Veränderungen erwartet"
Während deutsche Unternehmen lange auf den chinesischen Markt fokussiert waren, gewinnt Indien zunehmend an Bedeutung. Die indische Wirtschaft wächst rasant. Im Jahr 2024 erreichte der Handel zwischen Deutschland und Indien mit 30,9 Milliarden Euro einen Rekordwert.
Zudem verabschiedete die Bundesregierung Maßnahmen, um qualifizierte indische Arbeitskräfte anzuwerben und so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Gurjit Singh betonte als ehemaliger indischer Botschafter in Deutschland, die bilateralen Beziehungen seien "von CDU und SPD gewissenhaft aufgebaut worden" und würden daher wohl stabil bleiben.
"Indien betrachtet Deutschland und Europa als entscheidende Akteure in einer multipolaren Weltordnung", sagte Singh. "Da Indien in Deutschland parteiübergreifende Unterstützung genießt, rechnet es nicht mit gravierenden Veränderungen."
Auch Gulshan Sachdeva, Leiter des Global South Centre of Excellence, sieht Merz in einer Schlüsselrolle für ein unabhängigeres Europa: "Russland stellt eine strategische Herausforderung dar, während die deutsche Enttäuschung über China wächst. Zudem hat Merz Zweifel an der Zukunft der NATO geäußert und denkt über nukleare Abschreckung nach."
Für Indien könnte dies bedeuten, stärkere Partnerschaften mit Europa zu suchen - insbesondere, wenn die EU außenpolitisch eigenständiger agiert.
Migration: Kann Merz mit den Taliban verhandeln?
Im Wahlkampf versprach Merz eine umfassende Reform des deutschen Asylrechts, ausgelöst durch eine Reihe tödlicher Angriffe, bei denen gegen Menschen mit Migrationshintergrund ermittelt wird. Diese Vorfälle haben die öffentliche Haltung gegenüber irregulärer Migration weiter verschärft.
Die rechtsextreme AfD profitierte von dieser Stimmung und erzielte mit 20,8 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl.
Merz kündigte striktere Grenzkontrollen und eine Ausweitung von Abschiebungen an - auch nach Afghanistan. Er erklärte, die künftige Regierung müsse "bereit sein, mit den Taliban zu verhandeln", um die Rückführung abgelehnter afghanischer Asylsuchender zu erleichtern.
Mojib Atal, Migrationsforscher an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), erwartet unter Merz eine Verschärfung der Migrationsgesetze. "Merz braucht noch Koalitionspartner für seine Regierung. Aber unter der nächsten deutschen Regierung ist mit strengeren Einwanderungsgesetzen zu rechnen."
Kritik an möglichen Gesprächen mit den Taliban kommt von Menschenrechtsorganisationen. Die islamistische Gruppe wird für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter das Verbot von Bildung und öffentlichen Auftritten für Frauen.
Die in Deutschland lebende afghanische Aktivistin Wazhma Tokhi nennt mögliche Verhandlungen mit den Taliban "mehr als nur beunruhigend". Sie wären "ein Schlag ins Gesicht für afghanische Frauen und Aktivisten, die auf Deutschlands Einsatz für Menschenrechte gehofft haben. Jedes Gespräch mit den Taliban muss an strikte Forderungen nach Menschenrechten geknüpft sein - sonst machen wir uns mitschuldig an ihrer Unterdrückung."
Mehr Druck auf den Iran?
Im Iran berichteten die Staatsmedien ausführlich über das deutsche Wahlergebnis und hoben vor allem die Stimmengewinne der AfD hervor.
In den sozialen Netzwerken forderten viele iranische Nutzer eine härtere Haltung der neuen Bundesregierung gegenüber Teheran.
Einige sehen in der Einladung von Merz an Netanjahu ein klares Signal an das iranische Regime. Friedrich Merz hat den israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nach Deutschland eingeladen, obwohl der Internationale Strafgerichtshof wegen angeblicher Kriegsverbrechen in Gaza einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatte.
Chance für engere Beziehungen in Indonesien?
In Indonesien rechnet Evi Fitriani, Professorin für internationale Beziehungen an der Universitas Indonesia, unter Merz nicht mit großen Kursänderungen.
"Deutschland ist ein langjähriger Partner, vor allem im Handel und Umweltschutz", sagte sie. "Wir erwarten Kontinuität und neue Geschäftschancen."
Fitriani sieht auch geopolitische Möglichkeiten: "Trumps isolationistische und amerikazentrischem Ansatz bietet für Asien und Europa die Gelegenheit, engere Beziehungen aufzubauen", sagte sie gegenüber der DW. "Gute Beziehungen beginnen immer mit Handel. Deutschlands Hauptinteresse gilt dem Handel, während Asien Investitionen, Technologie und Handelspartner braucht. Dies stellt eine Chance dar."
Dieser Bericht wurde unter Verwendung von Beiträgen von Murali Krishnan (Neu-Delhi), Youhanna Najdi (DW Farsi), Zamzama Niazai (DW Dari/Pashto), Muhammad Hanafi (DW Indonesien) und weiteren DW-Redaktionen verfasst.