Warum verschärft Usbekistan die Grenzkontrollen?
2. Juni 2003Köln, 29.5.2003, DW-radio / Russisch
Die Verschärfung der Grenzkontrollen hat das offizielle Taschkent damit begründet, dass die Gefahr besteht, dass die Lungekrankheit SARS in das Land eingeschleppt wird. Die tatsächlichen Gründe sind jedoch weitreichender.
Usbekistan schloss an der tadschikisch-usbekischen Grenze alle Passierstellen. Die usbekische Seite begründet ihren Beschluss damit, dass die Verbreitung des SARS-Virus bekämpft werden muss. Das berichtet der Korrespondent der Deutschen Welle, Chajrullo Mirsaidow. Nach Angaben des Gesundheitsamtes im Gebiet Sogdi wurden in Tadschikistan jedoch keine SARS-Erkrankungen registriert.
Informationen der usbekischen Seite zufolge darf die Grenze von Transitpassagieren, Bürgern, die medizinisch behandelt werden müssen, und von Einwohnern der Grenzregionen, die Verwandte in Usbekistan haben, passiert werden.
Chajrullo Mirsaidow meldet, die tadschikischen Medien würden berichten, die Verschärfung der Grenzkontrollen sei nicht auf Maßnahmen der usbekischen Seite zur SARS-Bekämpfung zurückzuführen. Die Verschärfung der Grenzkontrollen würde sich gegen die Händler richten, die aus Usbekistan nach Tadschikistan fahren, um dort Waren einzukaufen. Dazu war es gekommen, nachdem die Märkte in Usbekistan geschlossen wurden und in Usbekistan die Einfuhr billiger chinesischer Waren verboten wurde. Inoffiziellen Angaben zufolge kommen im Gebiet Sogdi täglich 500 Händler aus dem Nachbarland an.
Man muss darauf hinweisen, dass Usbekistan Maßnahmen zur Verschärfung der Grenzkontrollen gleichzeitig an den Grenzen zu Tadschikistan und Kirgisistan ergriff. Medienberichten zufolge wurden im Gebiet Namangan nicht nur die Grenzkontrollen verschärft. Die an den Passierstellen stationierten Grenzeinheiten wurden durch schwerbewaffnete Polizeieinheiten verstärkt. Die Behörden organisieren aber auch innerhalb der Bevölkerung vor Ort freiwillige Mannschaften, deren Aufgabe es ist, die Grenze zu beobachten und über die Pass- und Visumsbestimmungen zu wachen. Medien berichten, die Maßnahmen seien ergriffen worden, da die Bürger des Nachbarlandes immer öfter illegal die Grenze überschreiten würden, nicht nur um Handel zu treiben, sondern auch um nach Arbeit zu suchen oder um sich dort ständig niederzulassen.
Auch Kirgisistan verschärfte den Schutz seiner Grenzen zu Usbekistan und Tadschikistan. Begründet wird dies aber völlig anders. Dem Vorsitzenden des kirgisischen Staatlichen Grenzdienstes, Kalmurad Sadijew, zufolge wurden die Maßnahmen wegen des Überfalls auf die Rechtsschutzorgane in Dschalal-Abad und wegen der Festnahmen von Mitgliedern der "Islamischen Bewegung Usbekistans" ergriffen, die in Osch einen Terroranschlag verübt hatten. Das berichtete die Nachrichtenagentur "Interfax".
Schließlich erhöhte auch Tadschikistan den Schutz seiner Grenze zu Usbekistan. Im Norden des Landes wurde ein neuer Grenzposten eingerichtet. Nachrichtenagenturen zufolge begründen die tadschikischen Behörden die Eröffnung des Postens mit dem Programm zur Festigung der Grenze. Es wird bestritten, dass sich an der Grenze zu Usbekistan eine Krise entwickelt hat.
Unser Korrespondent in der Region, Oras Saryjew, ist den wahren Gründen für die von Usbekistan verschärften Grenzkontrollen nachgegangen:
Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Jusupow sagte der Deutschen Welle, die usbekische Führung habe diesen Schritt höchst wahrscheinlich deswegen unternommen, um die Bedingungen, die von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung aufgestellt wurden, zu erfüllen. Gemäß den Bedingungen müssen Prof. Jusupow zufolge im Lande eine Kontrolle über die Preispolitik und einheitliche Tarife eingeführt werden. Damit die EBWE in die Wirtschaft des Landes investiere, sei eine staatliche Kontrolle des Handels und der Produktion aller Waren notwendig. Um die Bedingungen der EBWE zu erfüllen, müsse Usbekistan auch die Ein- und Ausfuhr von Waren kontrollieren. Deswegen habe die Regierung die Grenzkontrollen verschärfen müssen und SARS sei nur ein Anlass dafür gewesen.
Das Vorstandsmitglied der Partei "Erk", der usbekische Schriftsteller Sapar Bekschan, meint, die Grenzkontrollen seien verschärft worden, weil die usbekische Führung Einfluss auf die inneren Angelegenheiten des Landes von außen fürchte. Die Maßnahmen führt Sapar Bekschan auf die Destabilisierung der Lage an der kirgisisch-usbekischen Grenze zurück, wo sich radikale Kräfte aktiviert hätten, die in Kirgisistan bislang vom bekannten Feldkommandeur Karimow angeführt wurden. Karimow war vor kurzem unter ungeklärten Umständen getötet worden. Seiner Einheit gehörten ehemalige Mitarbeiter des usbekischen Nationalen Sicherheitsdienstes und des Innenministeriums an, die mit dem Regime von Islam Karimow unzufrieden sind. Ferner führt Sapar Bekschan die Verschärfung der Grenzkontrollen auf die zunehmenden Aktivitäten islamischer Gruppierungen zurück, die Usbekistan verlassen und sich in Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan verschanzt hätten. (MO)