Warum ein neuer Pass in Afrika oft viel Geduld braucht
21. März 2022Im vergangenen November brauchte Tanimu Garba einen neuen Reisepass - also fuhr der 23-Jährige zum Büro der Einwanderungsbehörde in seiner Heimatstadt Maiduguri im Nordosten Nigerias. Doch dort wurde er enttäuscht: "Sie sagten, ich könne meinen Pass nicht sofort beantragen", erzählte Garba der DW: "Sogar wenn ich dafür bezahle und alle Dokumente einreiche, wissen sie nicht, wann ich den Pass bekomme, weil sie gerade keine drucken."
In Nigeria waren die Rohlinge, also Blanko-Passbücher, in die noch die Daten der Bürgerinnen und Bürger eingetragen werden müssen, ausgegangen. Garba erhielt den Tipp, es in der Hauptstadt Abuja zu versuchen. Der Landweg von Maiduguri nach Abuja ist zu gefährlich, also kaufte Garba ein Flugticket, buchte ein Hotel und zahlte 55.000 Naira (120 Euro) Express-Gebühr für seinen neuen Pass. Anfang März hielt er ihn in Händen. Zu diesem Zeitpunkt sollte nach Angaben der Einwanderungsbehörde auch der Engpass beseitigt sein, nachdem sie eine größere Lieferung neuer Rohlinge erhalten hatte.
Garbas Geschichte ist kein Einzelfall: Viele Afrikanerinnen und Afrikaner müssen einiges auf sich nehmen, um einen neuen Pass zu erhalten. Mehrmonatige Wartezeiten sind in vielen Ländern die Regel, und auch die teureren Eilverfahren ziehen sich häufig länger hin: "Ich habe Express ausgewählt, sie sagten 'zwei Wochen'", sagte die Unternehmerin Nana Akyiaa aus der ghanaischen Hauptstadt Accra der DW. "Es dauerte fast einen Monat. Aber bis auf die Wartezeit war alles in Ordnung."
Malawi stellt seit Monaten kaum noch Pässe aus
Und dann gibt es noch Fälle wie Malawi: In dem kleinen Binnenstaat im Südosten des Kontinents erhalten seit Monaten die meisten Bürgerinnen und Bürger überhaupt keine Pässe mehr. Im Dezember kündigte die Regierung einen 55 Millionen Euro umfassenden Vertrag mit dem kenianischen Dienstleister Techno Brain Global, nachdem Korruptionsvorwürfe aufgetaucht waren. Das Unternehmen teilte daraufhin mit, man weise sämtliche Vorwürfe scharf zurück, denenzufolge der Vertrag Techno Brain auf Kosten der Malawier bevorzuge.
Seit 2020 gibt die malawische Regierung Pässe mit digitalen Sicherheitsmerkmalen aus, die unter anderem die Passkontrolle im internationalen Luftverkehr erleichtern sollen. Übergangsweise nutzt die Einwanderungs- und Bürgerbehörde weiterhin das System von Techno Brain. Allerdings nur für Anträge, die in Notfallsituationen gestellt werden, sagt Behördensprecher Wellington Chiponde im Gespräch mit der DW: "Wir bedienen nur jene, die außerordentliche Gründe haben, um außer Landes zu reisen."
Anders gesagt: Malawier, die gerade keine besondere Dringlichkeit nachweisen können, erhalten bis auf Weiteres keine neuen Pässe. Wie viele Bürgerinnen und Bürger schon abgewiesen wurden, wird nach Darstellung von Chiponde nicht erfasst. Erst muss ein neuer Pass-Lieferant gefunden und ein Vertrag geschlossen werden. Auf die Frage, wie lange das voraussichtlich noch dauern wird, bleibt Chiponde unkonkret: "Es geht nicht um viele Monate, wir stellen uns auf Wochen ein. Aber wir wollen keinen konkreten Zeitpunkt in den Raum stellen, weil wir wissen, dass zuerst ein rechtsstaatliches Verfahren durchlaufen werden muss."
Korrupte Kooperationspartner?
Eine ganze Reihe afrikanischer Staaten arbeitet bei Pässen mit dem belgischen Unternehmen Semlex zusammen. Das Journalistennetzwerk "Organized Crime and Corruption Reporting Project" (OCCRP) hat diese Beziehungen genauer unter die Lupe genommen und 2020 eine ganze Reihe mutmaßlicher Korruptionsfälle offengelegt: Demnach soll Semlex unter anderem einem einflussreichen Regierungsbeamten in Madagaskar mindestens 120.000 Euro gezahlt haben, bevor das Unternehmen mit der Herstellung von Pässen beauftragt wurde.
Die Demokratische Republik Kongo ist 2020 aus einem Deal mit Semlex ausgestiegen, in dessen Rahmen Pässe zu einem Endpreis von 185 US-Dollar angeboten wurden - in einem der ärmsten Länder der Welt.
Eine DW-Anfrage zu den genannten Vorwürfen ließ Semlex unbeantwortet.
In Simbabwe kommt Semlex einem Bericht zufolge hingegen erst neu zum Zug: Im vergangenen Jahr berichtete die Plattform ZimLive, die Regierung habe ohne vorherige Ausschreibung einen mehrere Millionen US-Dollar schweren Deal mit Semlex abgeschlossen. ZimLive zitierte den simbabwischen Innenminister Kazembe Kazembe mit der Aussage, für die Regierung fielen keine zusätzlichen Kosten an: "Sie investieren ihr Geld und werden über die Gewinne entlohnt." Eine Garantie, dass der Preis von 60 US-Dollar für einen Pass dauerhaft bestehen bleibt, konnte Kazembe dem Bericht zufolge nicht abgeben.
Mitarbeit: Muhammad Al-Amin (Maiduguri), Isaac Kaledzi (Accra)