Warum afrikanische Eliten ausländische Kliniken bevorzugen
10. August 2025Die Entscheidung, wo ein Mensch medizinische Hilfe in Anspruch nimmt, ist zunächst eine sehr persönliche Angelegenheit. Doch die zahlreichen Fälle, in denen afrikanische Staatschefs sich im Ausland behandeln lassen, haben immer wieder die Frage aufgeworfen, warum Verantwortungsträger nicht für den Ausbau des Gesundheitssystem eingetreten sind.
Die jüngsten Fälle, die für Diskussion gesorgt haben, sind Sambias ehemaliger Präsident Edgar Lungu, der im Juni in einem südafrikanischen Krankenhaus verstarb, und Muhammadu Buhari aus Nigeria: Er starb am 13. Juli in London.
"Der Zustand des Gesundheitswesens in Nigeria ist zutiefst besorgniserregend. Das größte Problem ist die Infrastruktur. Es gibt keine Medikamente und keine funktionierenden medizinischen Geräte", sagt Jamila Atiku, die zur öffentlichen Gesundheit in Nigeria forscht, im DW-Gespräch.
Geringe Investitionen in die öffentliche Gesundheit
Gründe für den "Medizintourismus" sind unter anderem das Fehlen spezialisierter Behandlungsmöglichkeiten vor Ort, schlecht ausgestattete Krankenhäuser und Sicherheitsbedenken von Politikern. Ein weiterer Faktor sei die übermäßige Abhängigkeit von ausländischer Hilfe, betont Chamunorwa Mashoko, ein Aktivist für das Recht auf Gesundheit in Simbabwe.
"In Afrika stellen mehr als 32 von 54 Ländern keine nennenswerten Mittel für das Gesundheitswesen bereit. Grund dafür ist die übermäßige Abhängigkeit von Geberhilfen", erklärt er der DW. "Afrika versteht nicht, dass ausländische Finanzhilfen im Gesundheitswesen nur der Diplomatie dienen. Diejenigen, die uns mit all dieser Hilfe unterstützen, haben wirklich nichts mit unseren gesundheitlichen Herausforderungen zu tun", so Mashoko.
Afrikanische Länder erhalten mehr als 60 Milliarden US-Dollar (52 Milliarden Euro) an Gesundheitshilfen, was nur einen Bruchteil der gesamten Gesundheitsfinanzierung darstellt, die für den Kontinent benötigt wird. Im Rahmen der Abuja-Erklärung von 2001 haben sich die Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union (AU) verpflichtet, die Gesundheitskrise des Kontinents zu beenden, indem sie 15 Prozent ihrer jährlichen Staatshaushalte für das Gesundheitswesen bereitstellen.
Aber mehr als zwei Jahrzehnte später haben nur drei Länder - Ruanda, Botswana und Kap Verde - das Ziel erreicht oder übertroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass über 30 AU-Mitgliedstaaten weniger als zehn Prozent ihres Budgets für die Gesundheitsversorgung aufwenden, wobei einige nur fünf bis sieben Prozent bereitstellen.
"Nigeria schwankt zwischen vier und sechs Prozent des Jahresbudgets", sagt die nigerianische Expertin Atiku. Nigerias Politiker würden sich nur um andere Infrastrukturprojekte wie Straßen kümmern, kritisiert sie. "Ärzte und medizinisches Fachpersonal streiken ständig, weil sie unterbezahlt sind."
Eine unzureichende öffentliche Finanzierung des Gesundheitswesens hat in vielen afrikanischen Ländern zu schlecht geführten, leistungsschwachen Gesundheitssystemen geführt. "Eine übermäßige Abhängigkeit von externen Finanzmitteln ist unhaltbar und steht im Widerspruch zum Ziel einer universellen Gesundheitsversorgung", warnt Itai Rusike von der in Simbabwe ansässigen Community Working Group on Health.
"Das in Abuja festgelegte Ziel, 15 Prozent des Haushalts für das Gesundheitswesen bereitzustellen, ist nach wie vor schwer zu erreichen. Angesichts des Bevölkerungswachstums, der enormen Krankheitslast und des schlechten Zustands der Infrastruktur sowie der hohen Fluktuation im Gesundheitswesen ist dieses Ziel mittlerweile überholt", fügt Rusike hinzu.
Welche medizinischen Leistungen werden im Ausland in Anspruch genommen?
Ein chronischer Mangel an spezialisierten Behandlungsmethoden und Einrichtungen zwingt viele afrikanische Patienten dazu, sich im Ausland medizinisch behandeln zu lassen - sofern sie es sich leisten können. Betroffen sind unter anderem die Bereiche Onkologie, Kardiologie, Neurologie, Orthopädie, auch Organtransplantation, Fertilität und Pädiatrie zur Behandlung seltener genetischer Erkrankungen.
Über 300.000 Afrikaner reisen jährlich für medizinische Dienstleistungen nach Indien und geben dabei mehr als zwei Milliarden US-Dollar aus. Schätzungen zufolge nimmt Indien jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Dollar durch den Medizintourismus ein. Prognosen zeigen, dass das asiatische Land im Rahmen der Initiative "Heal in India" bis 2026 13 Milliarden Dollar durch Medizintourismus einnehmen könnte.
Laut der Fachzeitschrift African Journal of Hospitality, Tourism and Leisure geben Nigerianer jährlich schätzungsweise eine Milliarde US-Dollar für Medizintourismus aus - ein Großteil in den Disziplinen Onkologie, Orthopädie, Nephrologie und Kardiologie. Darüber hinaus entspricht dieser Betrag fast 20 Prozent der jährlichen öffentlichen Gesundheitsausgaben, die die Gehälter der Beschäftigten im Gesundheitswesen decken. Den Schätzungen zufolge fliegen jeden Monat 5.000 Nigerianer zur medizinischen Behandlung ins Ausland, viele davon nach Indien.
Was muss getan werden?
Einige afrikanische Gesundheitsbehörden behaupten, sie würden ihr Bestes tun, um die Gesundheitsversorgung in ihren Ländern zu verbessern. "Es gibt noch Verbesserungspotenzial bei der Finanzierung des Gesundheitswesens. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2027 mindestens 17.000 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung in Nigeria funktionsfähig zu machen", erklärt der nigerianische Staatsminister für Gesundheit und Soziales, Iziaq Adekunle Salako, gegenüber der DW. "Es gibt kein Gesundheitssystem auf der Welt, das zu 100 Prozent perfekt ist. Wir glauben, dass wir bei der Umsetzung von Lösungen auf dem richtigen Weg sind."
Gesundheitsexperten sagen, dass afrikanische Regierungen moderne Gesundheitseinrichtungen bauen müssten, um Dienstleistungen anzubieten, die derzeit ins Ausland ausgelagert werden. Doch auf politische Initiativen zu warten, werde nicht ausreichen, findet der simbabwische Gesundheitsaktivist Chamunorwa Mashoko. "Die Gemeinden müssen sich zusammenschließen und Ressourcen bündeln, um Gesundheitssysteme zu schaffen, die für sie funktionieren", sagt Mashoko der DW.