Vorzeitige Neuwahlen in Dänemark
31. Oktober 2001Die Dänen sollen in knapp drei Wochen ein neues Parlament wählen. Offenbar angeregt durch für seine Sozialdemokraten günstige Umfrageergebnisse hat Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen am Mittwoch Neuwahlen für den 20. November angesetzt, vier Monate vor dem Ende der jetzigen Legislaturperiode. Er habe Königin Margrethe von der Entscheidung unterrichtet, sagte Rasmussen auf einer Pressekonferenz in Kopenhagen.
Mit der Entscheidung für den 20. November findet erstmals in der dänischen Geschichte die Parlamentswahl am selben Tag wie die Kommunal- und Regionalwahlen statt. Verschiedene Meinungsumfragen der jüngsten Zeit hatten der Sozialdemokratischen Partei erstmals nach Mitte 1999 wieder deutlich über 30 Prozent der Stimmen gegeben. Bis vor Kurzem hatte sie in der Wählergunst noch bei 28 Prozent gelegen.
Vor trübem Wahlkampf: Wer hat die härtesten Ausländerparolen?
Ehe er die vorzeitige Neuwahlen ausschrieb, schlug Rasmussen schon mal Thema und Ton für den Wahlkampf an. In einem Interview mit "Jyllands-Posten" verglich der Sozialdemokrat in Dänemark aktive islamische Fundamentalisten mit Neonazis und beklagte, beide kröchen gleichermaßen "wie Ratten" stets aus neuen Löchern hervor, sobald man eines zugestopft habe.
Unter Kopenhagener Beobachtern gibt es nach zahlreichen ähnlich pointierten Äußerungen nicht den geringsten Zweifel, dass es bis zum Wahltag in drei Wochen einen äußerst harten Kampf um die Wählergunst geben wird, bei dem Rasmussen mit seinem rechtsliberalen Herausforderer und Namensvetter Anders Fogh Rasmussen vor allem um eines konkurrieren wird: Wer kann sich den gut vier Millionen stimmberechtigten Dänen als "härtestes" Bollwerk gegen Terrorismus, Kriminalität unter Ausländern und andere tatsächliche oder vermeintliche Gefahren nach den Terroranschlägen vom 11. September präsentieren?
Rasmussen fährt eine knallharte Linie
Der sozialdemokratische Amtsinhaber hat aber mit seiner Partei auch schon lange vor diesem einschneidenden Termin bei der Jagd nach mehr Wählergunst einen Stil in Sachen Ausländerpolitik gepflegt, der ihm bei Bruderparteien in etlichen europäischen Parteien wohl ein Ausschlussverfahren eingebracht hätte. Er sei für ein Verbot von Gebeten muslimischer Arbeitnehmer, erklärte Rasmussen im letzten Jahr öffentlich und begründete dies damit, dass so etwas mit der "dänischen Arbeitsmoral" nicht vereinbar sei. Rasmussen pfiff auch nicht seine Innenministerin Karen Jespersen zurück, als diese, eine ehemalige Leitfigur der dänischen 68er Bewegung, für die Deportation krimineller Asylbewerber auf eine unbewohnte Insel eintrat.
Unmittelbar vor Ausschreibung der Wahlen präsentierte Rasmussen zwei Gesetzesinitiativen zur Terrorismusbekämpfung und Verschärfung der Asylbestimmungen, die der Rechtsopposition keinen Platz mehr für den Ruf nach mehr übrig ließ. Unter anderem sollen künftig lebenslange Haftstrafen schon für grobe Formen von Sachbeschädigung möglich sein, wenn diese terroristischen Zwecken dient. Asylbewerber will die Regierung auf den bloßen Verdacht eines terroristischen Hintergrundes abschieben können, auch wenn ihr Asylantrag bewilligt ist.
Einwanderer sollen wieder zurück in die Heimat
Mit diesem Stil in Wort und Tat konnte der 58-jährige Rasmussen seit den Terroranschlägen vom 11. September seine vorher notorisch niedrigen Umfragewerte plötzlich deutlich verbessern. Sein zehn Jahre jüngerer Herausforderer Anders Fogh Rasmussen wollte da nicht zurückstehen und legte allen islamischen Einwanderern, denen die westliche Kultur in Dänemark nicht zusagt, öffentlich nahe, doch umgehend wieder in ihre Heimat zurückzukehren.
Die Mehrheit für seine angestrebte Koalition mit den Konservativen soll ihm die rechtspopulistische Dänische Volkspartei sichern, deren Chefin Pia Kjärsgaard im Folketing bestritt, dass es einen "Zivilisationskonflikt" zwischen dem Islam und dem Westen gibt. Ihre Begründung: Dazu bedürfe es zweier Formen von Zivilisation, aber nur "unsere" sei eine.
Brutal, aber erfolgreich im Wahlkampf
Noch geben die Demoskopen dem Rechtslager einen Vorsprung vor den Sozialdemokraten mit ihrem kleinen sozialliberalen Koalitionspartner. Bis zum 20. November kann sich das nach Meinung aller Beobachter aber noch ändern. Vor den letzten Wahlen im März 1998 lag Sozialdemokrat Rasmussen noch deutlicher hinten als jetzt. Er sicherte die Mehrheit in letzter Minute mit Wahlkampfauftritten, die politische Gegner, Freunde und Medienkommentatoren nachher einhellig als "rücksichtslos" und "brutal", aber eben auch erfolgreich einstuften.