Voraussetzung für Mündigkeit des Kosovo
1. März 2002Köln, 28.2.2002, DW-radio
Mehr als drei Monate nach den ersten freien Parlamentswahlen im Kosovo haben sich die drei führenden kosovo-albanischen Parteien am späten Mittwochabend (27.2.) auf eine Regierungskoalition geeinigt. Damit endet ein wochenlanger Machtkampf zwischen den politischen Lagern, der die Wahl eines Präsidenten und den Aufbau einer Regierung verhindert hatte.
Es wurde schon langsam peinlich, was sich dort vor den Augen der internationalen Öffentlichkeit im Kosovo vollzog: Mehr als drei Monate nach den geglückten Parlamentswahlen gab es noch immer keinen Präsidenten und keine Regierung; das Parlament trat nicht zusammen; der politische Prozess verharrte in einer unheilvollen Starre. Statt endlich mit der konkreten politischen Arbeit zu beginnen, versperrten die Parteien durch mangelnde Konsensfähigkeit den Start in eine neue Ära - eine Ära, in der die politische Verantwortung immer stärker von der UN an die Kosovaren selbst zurückgegeben werden soll. Die frisch gewählten Parlamentarier stellten sich selbst ein Armutszeugnis aus, weil sie sich nicht verständigen konnten. Und die Internationale Gemeinschaft, die für den politischen Aufbauprozess verantwortlich zeichnet, zeigte sich ratlos angesichts der - auch durch ihre Vorgaben erreichte - Blockade.
Dreimal war unterdessen Ibrahim Rugova von der stärksten Partei, der Demokratischen Liga des Kosovo, als Präsidenschaftskandidat angetreten, dreimal hatte er mit Pauken und Trompeten die nötige Mehrheit verfehlt, weil er nicht im Vorfeld eine Koalitionsvereinbarung zustande gebracht hatte.
Nun ist endlich der Durchbruch gelungen: Die drei Führer der wichtigsten albanischen Parteien hätten sich auf eine Kompromissformel für eine Drei-Parteien-Koalition geeinigt. Am Montag (4.3.) soll das Parlament zusammentreten und Ibrahim Rugova zum ersten Präsidenten im Nachkriegs-Kosovo wählen. Danach kann dieser dann den Regierungschef bestimmen, der wiederum eine Regierungsmannschaft zusammenstellt. Nach der jetzt gefundenen Kompromissformel wird Bajram Rexhepi von der Demokratischen Partei unter Hashim Thaqi erster Ministerpräsident Kosovos - ein Posten, den Rugova lange nicht an den Koalitionspartner abgeben wollte. Und
die Formel für die Zusammensetzung der Regierungsmannschaft ist auch gefunden, an der alle drei albanischen Parteien mit eigenen Ministerposten beteiligt sein werden. Zusätzlich wird ein serbischer Minister mit am Kabinettstisch sitzen.
Jetzt kann es also losgehen mit der - wenn auch eingeschränkten - Selbstverwaltung. Auch wenn das letzte Wort und die Entscheidungsgewalt in den wichtigen außenpolitischen Fragen weiterhin fest in den Händen der UN-Verwaltung bleibt, müssen die kosovarischen Politiker jetzt beweisen, dass ihre Parteiprogramme und ihr Wunsch nach Demokratisierung keine Lippenbekenntnisse sind. Die kosovarischen Politiker müssen lernen, Selbstverantwortung nicht nur zu fordern, sondern auch Verantwortung zu übernehmen, realpolitisch zu handeln und Kompromisse einzugehen. Das hat der mühsame Prozess der vergangenen Monate gezeigt.
Es kann nicht Prinzip der Nachkriegsgesellschaft sein, dass immer wieder ein externer Schlichter herangezogen werden muss. Auch diesmal wäre die Kompromissformel nämlich ohne massive Hilfe des neuen UN-Verwalters Michael Steiner nicht zustande gekommen. Dieser hat ohne Zweifel einen ersten großen Erfolg in seinem neuen Amt erzielt. Aber das Ziel seiner Arbeit sollte es sein, die UN-Verwaltung langsam überflüssig zu machen. Die kosovarischen Politiker sollten nun nach diesem mühsamen Start der Regierungsbildung mehr politisches Geschick an den Tag legen. Ebenso muss man nun die brennenden Probleme im Kosovo - Energieversorgung, Bildung, wirtschaftlicher Aufbau, Kriminalität und interethnisches Zusammenleben - pragmatisch angehen, ohne sich erneut in parteipolitischen Streitigkeiten zu blockieren. So werden internationale Vermittlung und ein Machtwort Steiners immer seltener nötig - Vorrausetzung dafür, dass Kosovo insgesamt für mündig erklärt werden kann. (fp)