"Vom Bleiben"
Wie sieht ein Nachtclub aus, wenn die Besucher gegangen sind und alles im grellen Licht erstrahlt? Zwei Hamburger Fotografen dokumentieren die Verwüstung nach einer Nacht voller Exzesse.
Wenn die Musik nicht mehr spielt…
Die Hamburger Fotografen André Giesemann und Daniel Schulz beleuchten die deutsche Clubszene in ihrer Fotostrecke "Vom Bleiben" aus einem ganz besonderen Blickwinkel. Wenn DJs und Clubgänger längst gegangen sind, bleiben sie bis zum bitteren Ende und fangen die Atmosphäre der verlassenen Clubs ein. So wollen sie die Partygänger zum Nachdenken über ihre Beziehung zu Nachtclubs anregen.
Robert Johnson: Offenbach
Die Fotos wurden in mehreren Städten aufgenommen, in Offenbach stand der Techno Club "Robert Johnson" im Fokus. Er ist bekannt dafür, im Vorfeld nie den Namen der auflegenden DJs preiszugeben: Man will vermeiden, dass die Leute nur bei bekannten Größen vorbeischauen. Außerdem stylen die Betreiber den Laden regelmäßig um. André Giesemann: "Der Laden ist auch für Frankfurter gut zu erreichen!"
Tresor: Berlin
Berlin ist definitiv ein Muss für Partyhungrige aus dem ganzen Land. Das Nachtleben dort ist international bekannt; die Stadt lockt mit rund 2300 Bars und Clubs jedes Wochenende Tausende von Szenegängern an. Das Foto wurde im "Tresor" geschossen, dem Methusalem unter den Techno Clubs. André Giesemann bezeichnet ihn als "Kaderschmiede" für zukünftige Clubgänger.
Rechenzentrum: Berlin
Die Fotoserie versteht sich auch als Dokumentation sozialen Wandels und lichtete daher auch deutsche Clubs ab, die längst ihre Pforten geschlossen haben. Ein Beispiel dafür ist das Berliner "Rechenzentrum". Das ehemalige Computer Center war am selben Ort wie ein früherer ostdeutsche Radiosender untergebracht. Die Flussfahrt-Reederei Riedel kaufte das Gelände 2009, und der Club wurde abgerissen.
Haus 73: Hamburg
Der Schwerpunkt der Serie liegt auf Clubs, die hauptsächlich elektronische Musik auflegen. Das "Haus 73" in Hamburg ist die Ausnahme von der Regel. Neben den obligatorischen DJs bietet das Kulturzentrum in St. Pauli auch Gastkonzerte, Lesungen, Spielabende und Tischfußball-Turniere an. André Giesemann bezeichnet den Club als "Schlachtraum mit schwarzen Kacheln".
Cocoon: Frankfurt
Ein anderer Club, der aufgeben musste, ist das "Cocoon" in Frankfurt. Zwei Restaurants, einige Bars und mehrere Tanzflächen lockten jedes Wochenende 1500 Partygänger an. Sie konnten sich kuschelige Sitznischen, so genannte "Cocoons", mieten. Im November 2012 war Schluss mit der Party. André Giesemanns Kommentar zum Ort: "Cocoon oder ein Raumschiff ist gelandet!”
Ego: Hamburg
In ihrer Heimatstadt Hamburg haben die Fotografen das "Ego" porträtiert. Der Club ist für seine hypermoderne Ausstattung bekannt. Dort Party zu machen bedeutet für André Giesemann "die Überraschung, plötzlich in einem Science-Fiction Film zu sein". Das Ego wartet nicht nur mit High End Technik und coolen DJs auf, sondern auch mit einem Limousinen-Service: So kann man stilgerecht vorfahren.
Golden Gate: Berlin
Versteckt unter den Schienen der U-Bahn Station Jannowitzbrücke gilt das "Golden Gate" für viele Berliner als Geheimtipp. In dem kleinen heruntergekommenen Club wird ab donnerstags drei Tage lang nur Techno und House aufgelegt, ein El Dorado für Fans der elektronischen Musik. André Giesemann bezeichnet das "Golden Gate" als "eine von diesen kleinen unentdeckten Tropfsteinhöhlen".
Dice: Berlin
Das "Dice" eröffnete Ende 2008 mit großem Hype und machte zunächst alles richtig: Ein industrielles Umfeld in einem ehemaligen Umspannwerk, High End Technik und berühmte DJs sorgten für ein volles Haus. Doch der anfängliche Run auf den Club ließ schnell nach, nicht mal ein Jahr nach der Eröffnung machte der Laden wieder zu. André Giesemann meint dazu lapidar: "Es ist eben nicht der Berghain-Club."
Golden Pudel: Hamburg
Der Club liegt am Elbeufer in Hamburgs Vergnügungsviertel St. Pauli und sieht eher wie eine Hütte in den Alpen als wie ein Elektro-Schuppen aus. Die Homepage verkündet: "Das Holzhaus wurde aus den Knochen krimineller Gestalten erbaut und vibriert. Jedes Mal, wenn ich dieses schwarze Schneelamm auf der Kirchenweide treffe, könnte ich vor Freude heulen." Nein, wir haben auch kein Wort verstanden.
Tape: Berlin
Der Club öffnete 2008 seine Pforten, mauserte sich schnell zu einem der Hot Spots in Berlin und brachte endlich Leben in die öde Industriegegend nahe dem Hauptbahnhof. Das Stadtmagazin "Prinz" bescheinigt dem "Tape" das "beste Soundsystem der ganzen Stadt". Giesemann über die Einrichtung: "Soviel Holz hat noch keinem Raver geschadet." Autor: Gavin Blackburn/ suc Redaktion: Conny Paul