Viele Tote nach neuen Angriffen Israels auf den Gazastreifen
16. Mai 2025Nach neuen Luftangriffen der israelischen Armee haben Rettungsteams im Norden des palästinensischen Gazastreifens mindestens 82 Leichen geborgen, wie die von der islamistischen Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde erklärte. Dutzende Menschen seien noch unter Trümmern verschüttet. Die Suche nach Überlebenden dauere an. Die Hamas wird von zahlreichen Ländern als Terrororganisation gelistet.
Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa wurden in der Stadt Beit Lahia und im Flüchtlingsviertel Dschabalija mehr als zehn Häuser getroffen. Krankenwagen könnten das Gebiet aufgrund zerstörter Straßen derzeit nicht erreichen, hieß es weiter.
Ein Augenzeuge in Beit Lahia im Norden des Gazastreifens berichtete von "massiven" Fluchtbewegungen. "Der Schrecken und die Panik trafen uns mitten in der Nacht", fügte er hinzu.
Auch in sozialen Medien wurden Aufnahmen verbreitet, die Bilder der Opfer der Angriffe zeigen sollen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, dem Bericht nachzugehen.
Letztes Krankenhaus für Krebsbehandlungen getroffen
Die israelische Nachrichtenseite "ynet" meldete unter Berufung auf Sicherheitsbeamte, die massiven Angriffe seien eine Vorbereitung auf den Einmarsch weiterer Truppen. Die israelische Regierung hatte jüngst angekündigt, den Einsatz im Gazastreifen ausweiten zu wollen. Bereits am Donnerstag hatte es nach palästinensischen Angaben bei israelischen Angriffen Dutzende Tote gegeben.
Als Folge der Angriffe hat das letzte Krankenhaus für Krebsbehandlungen im Gazastreifen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Betrieb eingestellt. Das Europäische Krankenhaus in Chan Junis im Süden des abgeriegelten Küstengebiets sei bei Angriffen am 13. Mai schwer beschädigt worden und nun nicht mehr funktionsfähig, schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Online-Plattform X.
Israels Armee hatte von einem "präzisen Angriff auf Hamas-Terroristen in einem Kommando- und Kontrollzentrum" unter dem Krankenhaus gesprochen. Die Angaben ließen sich ebenfalls nicht unabhängig überprüfen. "Durch die Schließung des Krankenhauses sind lebenswichtige Leistungen wie Neurochirurgie, Herzbehandlung und Krebsbehandlung weggefallen, die anderswo in Gaza nicht angeboten werden", schrieb der WHO-Chef. Krankenhäuser müssten geschützt werden. "Sie dürfen niemals militarisiert oder angegriffen werden."
Das Europäische Krankenhaus sei "einer der letzten Rettungsanker im zerstörten Gesundheitssystem des Gazastreifens" gewesen, schrieb die Organisation "Ärzte ohne Grenzen". Es gebe jetzt nur noch eine funktionsfähige Klinik in Chan Junis. Israels Armee hatte am selben Tag auch dieses Krankenhaus angegriffen und ebenfalls von einer Attacke auf Terroristen der Hamas gesprochen. Sie warf der islamistischen Palästinenserorganisation wiederholt vor, Krankenhäuser im Gazastreifen für Terrorzwecke zu missbrauchen.
Warnung vor Hungerkatastrophe
Israel hatte seine massiven Angriffe im Gazastreifen am 18. März nach einer zweimonatigen Waffenruhe wieder aufgenommen. Anfang Mai billigte das israelische Sicherheitskabinett eine Ausweitung der Offensive und verabschiedete einen Plan, der eine vollständige Kontrolle über den Gazastreifen vorsieht.
Seit dem 2. März blockiert Israel zudem die humanitären Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Während Hilfsorganisationen vor einer Hungerkatastrophe warnen, wirft Israel UN-Organisationen wie dem Palästinenserhilfswerk UNRWA vor, von der islamistischen Hamas unterwandert zu sein. Ende Mai soll nun eine eigens dafür gegründete private US-Stiftung mit der Verteilung von Hilfsgütern beginnen.
US-Präsident Donald Trump hat sich angesichts der humanitären Lage im Gazastreifen besorgt geäußert. "Viele Menschen sind am Verhungern", sagte Trump vor Journalisten in Abu Dhabi. "Wir schauen uns Gaza an und wir werden uns darum kümmern", fügte er hinzu.
"Dramatische Stunden" für Geisel-Angehörige
Die Hamas und mit ihr verbündete Kämpfer hatten bei ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1200 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 57 Geiseln befinden sich weiterhin in der Gewalt der Islamisten, 34 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee bereits tot. Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Darstellung des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 53.000 Menschen getötet.
Viele Angehörige der noch immer festgehaltenen Geiseln befürchten, dass das militärische Vorgehen auch das Leben der Verschleppten gefährdet. Das Forum der Geisel-Angehörigen forderte Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erneut auf, ein Abkommen mit der Hamas für eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln zu ermöglichen. "Wir befinden uns in dramatischen Stunden, die über die Zukunft unserer Angehörigen, die Zukunft der israelischen Gesellschaft und die Zukunft des Nahen Ostens entscheiden werden."
pgr/wa/jj (dpa, afp, ap)
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