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Verantwortungsbewußt

Kommentar von Wolf-Dieter Michaeli 17. Oktober 2001

Ein steigender Ölpreis würde die Weltwirtschaft noch stärker in die Krise stürzen

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Die Telefone im Hauptquartier der Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) an der Oberen Donaustraße in Wien dürften in diesen Tagen nicht mehr stillstehen. Anrufer aus den Mitgliedsländern dürften dem Generalsekretär des elf Länder umfassenden Energiebundes, Ali Rodriguez Araque, willkommene und unwillkommene Ratschläge machen, was die Opec angesichts des immer stärker fallenden Ölpreises machen sollte. Inzwischen nämlich ist der Preis für Opec-Öl auf nur noch knapp über 19 Dollar für ein Faß (159 Liter) gefallen. Der schwarzbraune Energiesaft ist heute fast 25 Prozent billiger auf den Weltmärkten zu kaufen als er noch vor einem Monat gekostet hat.

Dabei hatten sich die Ölherren erst vor gut einem Jahr ein, wie sie meinten, wirksames Instrumentarium verschrieben, um die starken Schwankungen des Ölpreises zu verhindern. Sie wollten den Preis in einer Spanne von 22 bis 28 Dollar pro Barrel halten. Sollte der Preis mehrere Tage lang unter die untere Marke fallen, sollten automatisch Produktionskürzungen in Kraft treten. Sollte der Preis dagegen über die obere Marke steigen, sollte mehr Öl aus den Bohrlöchern gepumpt werden. Drei Mal in diesem Jahr haben die Ölländer sich an dieses System auch gehalten, die Opec-Fördermenge wurde um 3,5 Millionen Barrel/Tag gekürzt.

Doch der Schwächeanfall der Weltwirtschaft, ausgelöst durch den terroristischen Anschlag auf das World Trade Center in New York und das amerikanische Verteidigungsministerium in Washington, hat alle fein ausgeklügelten Markt-Gleichgewichtspläne Makulatur werden lassen. Trotz der zurückgefahrenen Förderung ist der Ölpreis immer weiter abgesackt, weil die Welt weniger Energie verbraucht.

Das bringt die Opec-Länder in eine arge Zwickmühle. Halten sie sich an ihr Marktregulierungs-Modell und kürzen die Förderung mindestens um weitere eine Million Barrel, wie das einige Mitglieder, darunter der Iran, fordern, riskieren sie, daß die Weltwirtschaft noch weiter in die Flaute fährt. Tun sie dagegen nichts und fördern weiter 23,2 Millionen Barrel pro Tag, könnte der Ölpreis noch weiter nach unten rutschen. Die Opec-Länder, von denen die meisten weitgehend von den Einnahmen aus den Ölexporten leben, gerieten immer tiefer in die finanzielle Klemme.

Insbesondere Venezuelas Präsident Hugo Chávez, derzeit auch amtierender Opec-Präsident, gehört zu denjenigen, die sich für eine Einschränkung der Opec-Förderung aussprechen, um den Ölpreis wieder ins Opec-Band zu bekommen. Gegenwärtig reist er durch nahezu alle ölfördernden Staaten, um sich Unterstützung zu holen. Doch steht er weitgehend auf verlorenem Posten, solange er nicht auch Saudi-Arabien von seiner Haltung überzeugt hat. Der weitaus größte Ölproduzent innerhalb der Opec aber will alles vermeiden, was der Weltwirtschaft gegenwärtig schaden könnte. Das hat der saudische König auch dem amerikanischen Präsidenten zugesagt, als der seine Terrorallianz gegen Afghanistan geschmiedet hat.

Für die ölimportierenden Länder ist wichtig, daß die Saudis bei dieser Zusage bleiben. Denn obwohl Öl heute nicht mehr die große Rolle als Schmiermittel der Wirtschaft spielt wie Mitte der siebziger oder Anfang der neunziger Jahre, als drastische Ölpreissprünge die Weltwirtschaft in die Rezession trieben - angesichts der labilen Situation, in der sich derzeit zahlreiche Volkswirtschaften befinden, könnte schon ein relativ kleiner Anstieg des Ölpreises um beispielsweise vier bis fünf Dollar zu erheblichen Wachstumsproblemen führen. Denn es wäre dieses Mal eher der psychlogische Effekt eines höheren Energiepreises, der sich lähmend auf die wirtschaftliche Tätigkeit auswirken würde. Die Erholung der Weltwirtschaft, die von den meisten Experten für die erste Hälfte des nächsten Jahres vorhergesagt wird, wäre dann wohl Illusion, ein weiteres Abgleiten in eine länger anhaltende Rezession dagegen immer wahrscheinlicher. Bislang haben die Ölherren Verantwortungsbewußtsein gegenüber der übrigen Welt gezeigt. Dabei sollten sie auch in den nächsten Wochen und Monaten bleiben.