Venezuela: Rettung der letzten Giganten
Das in Venezuela beheimatete Orinoko-Krokodil ist vom Aussterben bedroht. Doch seit Jahrzehnten zieht eine engagierte Krokodilgruppe in Venezuela Jungtiere auf, um die bedrohte Art zu retten. Ein Wettlauf mit der Zeit.
Spezialistengruppe im Einsatz
Der venezolanische Biologe Carlos Alvarado vermisst ein junges Krokodil kurz vor dessen Auswilderung. Akribisch verfolgt er dessen Wachstum. Alvarado gehört zu der Krokodil-Spezialistengruppe GECV (Grupo de Especialistas Cocodrilos de Venezuela), die sich der Rettung der bedrohten Art verpflichtet hat, um ihr Aussterben zu verhindern.
Bedroht und gejagt
Seit Jahren zieht die engagierte Gruppe in einem Wettlauf mit der Zeit Jungtiere der bedrohten Art auf. Doch sie fürchten noch immer, dieses Rennen nicht gewinnen zu können. Jahrzehntelange Wilderei nach Leder hat das Orinoko-Krokodil an den Rand des Aussterbens gebracht. Jetzt bedroht auch die Jagd von Venezolanern auf ihr Fleisch und ihre Eier das Überleben der Tiere.
Zuchtprogramme sichern das Überleben
Die Wissenschaftler dokumentieren Nistplätze der Orinoko-Krokodile, sammeln Eier und Jungtiere ein und züchten Exemplare in Gefangenschaft – etwa im Leslie Pantin Zoo in Turmero in der Nähe von Caracas und auf der Masaguaral Ranch bei Tamarindito. Dort werden die Jungtiere mit Fleisch und Vitaminen gefüttert, bis sie ein Jahr alt und rund sechs Kilogramm schwer sind.
Die letzten ihrer Art
Laut der venezolanischen Naturschutzstiftung FUDECI gibt es nur noch weniger als 100 Orinoko-Krokodile - die zu den größten lebenden Reptilien der Welt gehören - in freier Wildbahn. Ihr natürlicher Lebensraum liegt im Einzugsgebiet des Orinoco-Flusses, der größtenteils durch Venezuela fließt. Die Art steht bereits lange auf der Roten Liste gefährdeter Arten.
Orinoko-Krokodile: Imposant und gefährlich
Ausgewachsene Orinokos können eine Länge von über fünf Metern erreichen und werden mehrere Jahrzehnte alt – wie der 70-jährige Picopando, der auf der Masaguaral Ranch lebt. Mit ihrem zähen, knöchernen Panzer, dem mächtigen Kiefer und ihren scharfen Zähnen sind diese Krokodile wahrlich beeindruckende, aber auch gefährliche Tiere.
Geduld im Kampf ums Überleben
Omar Hernandez, Biologe und Leiter der FUDECI, markiert den winzigen Fuß eines geschlüpften Jungtiers im Leslie Pantin Zoo. Um die Art zu retten, sind seiner Meinung nach mehrere Maßnahmen erforderlich: Forschung, Schutz, Bildung und Aufzuchtmanagement. "Wir kümmern uns um das Management, sammeln die Jungtiere ein, ziehen sie ein Jahr lang auf und lassen sie dann frei", sagt er.
Sicherer Start in die Freiheit
Im April war es wieder so weit: Die Jungtiere wurden in Kisten mit verbundenen Kiefern vom Zoo zum Capanaparo-Fluss im Westen Venezuelas gebracht – einem Nebenfluss des Orinoco nahe der kolumbianischen Grenze, in einer Region mit nur wenigen, weit verstreuten Siedlungen. Dieser abgelegene Flussabschnitt verläuft durch Privatgelände, was das Risiko mindert, dass die Tiere sofort gejagt werden.
Auswilderung mit Risiko
Jedes Jahr bringen die Wissenschaftler gemeinsam mit Freiwilligen rund 200 junge Krokodile zurück in die Wildnis. Mit der Auswilderung warten sie, bis die Tiere ein Jahr alt sind – denn diese erste Lebensphase ist laut Hernandez die gefährlichste. In dieser Zeit setzen ihnen nicht nur Wilderer zu, sondern auch natürliche Fressfeinde.
Zurück in die Natur
Nach der Freilassung tauchen die Tiere leise ins trübe, grünlich schimmernde Wasser – ein aufregender Moment für alle Helfer. "Wir sind hartnäckig. Das ist eine Möglichkeit, das Aussterben der Krokodile hinauszuzögern, und es ist das, das wir tun können," sagt Omar Hernandez. Ohne die Hilfe der Krokodilspezialisten würde es die Tiere schon jetzt nicht mehr geben, ist er überzeugt.