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"Usbekistan tut alles, um die gemeinsame historische Vergangenheit mit Russland aus dem Gedächtnis der Menschen zu löschen"

7. August 2003

– Zum Besuch von Wladimir Putin in Samarkand und den russisch-usbekischen Beziehungen

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Moskau, 7.8.2003, NOWYJE ISWESTIJA, NESAWISSIMAJA GASETA

NOWYJE ISWESTIJA, russ., 7.8.2003. Igor Rotar, aus Taschkent

Gestern (6.8.) haben in Samarkand Verhandlungen zwischen den Präsidenten Russlands und Usbekistans stattgefunden. Wladimir Putin und Islam Karimow trafen sich zu einem Vier-Augen-Gespräch. Die Liste der Themen war recht lang. Die Führer beider Länder interessierten sich für die Perspektiven zur Festigung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Moskau und Taschkent sind in erster Linie an der Erweiterung der Kooperation in der Gasbranche interessiert. Gasprom unterzeichnete mit den usbekischen Kollegen einen Vertrag über die Lieferung von usbekischem Gas nach Russland. Ferner möchten russische Unternehmen an der Erschließung von Erdöl- und Gasvorkommen in Usbekistan teilnehmen.

Die Präsidenten erörterten ferner Fragen der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Dieses Problem ist nicht nur für Russland äußerst aktuell. Kämpfer der Islamischen Bewegung Usbekistans versuchten bereits zwei Mal, das weltliche Regime in Usbekistan zu stürzen. Der Zeitung "Nowyje iswestija" vorliegenden Angaben zufolge wurden kürzlich kleine Islamisten-Gruppen in den schwer zugänglichen Bergregionen des Gebietes Surchandarja beobachtet. Außerdem versuchen russische und usbekische Extremisten die Kooperation in Gang zu bringen und gegen die "Falschen" mit einer einheitlichen Front zu kämpfen.

Bei dieser breiten Palette von Fragen war jedoch das Hauptthema nicht der Terrorismus und nicht die gemeinsamen Geschäfts- und politischen Projekte. Ungeachtet der Tatsache, dass Islam Karimow beim Treffen mit Wladimir Putin erklärte, dass "Usbekistan immer die Rolle und die Interessen Russlands in Zentralasien, an der russischen Südgrenze anerkannte", versucht Taschkent konsequent und zielgerichtet seine mit Moskau gemeinsame sowjetische Vergangenheit zu vergessen. Die Lehrbücher, die in der Sowjetzeit herausgegeben wurden (darunter auch Bücher für exakte Wissenschaften) wurden aus den Bibliotheken genommen. Es gab Fälle, berichteten Schüler dem Korrespondenten von "Nowyje iswestija", in denen Lehrer Schüler zwangen, ideologisch veraltete Bücher ins Feuer zu werfen. In der letzten Zeit wird allerdings wegen großem Mangel an Lehrbüchern erlaubt, Bücher, die unter dem alten Regime herausgegeben wurden, in den Bibliotheken zu lassen. Die Mitarbeiter der Bibliotheken sind jedoch verpflichtet, alle "sowjetischen" Begriffe aus den Texten zu streichen.

Das Denkmal für die Helden, die während des Großen Vaterländischen Krieges gefallen sind, das im Zentrum von Taschkent liegt, trägt heute den Namen Denkmal "Für die Verteidiger der Freiheit Usbekistans". In der Republik wurden alle Standbilder russischer Schriftsteller mit Ausnahme des Puschkin-Denkmals in der Hauptstadt niedergerissen. Es kommt bis zur Absurdität. So standen während der Sowjetzeit im Zentrum der Stadt Nukus, im Norden der autonomen Republik Karakalpakien, Skulpturen einer karakalpakischen und einer russischen jungen Frau, die die Freundschaft beider Völker symbolisierten. Im Vorfeld des Putin-Besuches wurde das Denkmal restauriert, wonach lediglich die Skulptur der karakalpakischen Frau übriggeblieben ist. Kurz vor dem Besuch des russischen Präsidenten wurde in Fergana das Denkmal für die Helden des Großen Vaterländischen Krieges abgerissen, das von der lokalen Bevölkerung als "Denkmal für den russischen Soldaten Aljoscha" bezeichnet wurde. Das ewige Feuer, das hier brannte, wurde ganz einfach gelöscht. Im "Staat der großen Zukunft", wie Usbekistan heute genannt wird, wird alles getan, um die gemeinsame historische Vergangenheit mit Russland aus dem Gedächtnis der Menschen zu löschen. (lr)

NESAWISSIMAJA GASETA, russ., 7.8.2003, Wiktorija Panfilowa

(...) Bei der Eröffnung des offiziellen Teils des Besuches unterstrich Wladimir Putin, dass die russisch-usbekischen Beziehungen keine leichten Zeiten durchmachen: "Es haben sich viele Fragen angehäuft, die erörtert werden müssen. Viele alltägliche Probleme." (...) Wladimir Putin betonte unter anderem, dass der Handelsumfang zwischen beiden Staaten zurückgeht: "Das beunruhigt mich. Wir müssen sehen, was wir tun können, um dieser Arbeit einen zusätzlichen Impuls zu verleihen." Nach den Worten des russischen Präsidenten haben sich neue Möglichkeiten für die Geschäftskooperation beider Saaten im Brennstoff- und Energiekomplex, dem Flugzeugbau und der Leichtindustrie eröffnet. Auf die Entwicklung der Zusammenarbeit hofft auch die usbekische Seite. So sagte unter anderem der stellvertretende Vorsitzende der Agentur für außenwirtschaftliche Beziehungen Hassan Islamchodschajew in einem Interview für die "Nesawissimaja gaseta", dass auf Russland 16 Prozent des Außenhandelsumfangs Usbekistans entfallen. Seit dem Jahr 2000 sei eine Zunahme des Warenumsatzes zu beobachten, der im Jahr 2001 1 Milliarde Dollar wesentlich überstieg. Im letzten Jahr sei diese Zahl um fast ein Viertel zurückgegangen.

Am aktivsten entwickelt sich derzeit die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in der Gasbranche. Im letzten Jahr schloss das russische Unternehmen Gasprom einen langfristigen Vertrag über die Lieferung von usbekischem Gas. Im letzten Monat verhandelte der Gasprom-Chef Aleksej Miller erfolgreich mit Islam Karimow und unterzeichnete ein Paket von Dokumenten über die Gasförderung und die Erschließung neuer Vorkommen in Usbekistan.

Die aller größten Widersprüche gibt es zwischen beiden Staaten allem Anschein nach weiterhin auf dem Gebiet Außenpolitik. Auch diese Frage erörterten die Präsidenten sowie die im Zusammenhang damit stehende Sicherheit in einer "Problem-Region". Die Ansichten stimmen jedoch anscheinend nicht hundertprozentig überein. Usbekistan setzt wie bekannt auf die Kooperation mit der NATO, ist ferner Mitglied von GUUAM (Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan, Moldova), einer Organisation, die als Alternative zur EwrAsES, der Euroasiatischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit gilt. Eben deshalb hob Wladimir Putin besonders die Perspektiven der Gründung einer neuen Organisation im Rahmen der GUS, der sogenannten "Vier" hervor, die Russland, Kasachstan, Weißrussland und die Ukraine vereint, und der sich in Zukunft Usbekistan anschließen könnte. Ausführlicher wird dieses Thema im September bei einem Gipfeltreffen der Oberhäupter der GUS-Staaten erörtert. (lr)