Usbekistan begeht 12. Jahrestag seiner Unabhängigkeit
1. September 2003Bonn, 1.9.2003, DW-radio / Russisch
Am 31. August 1991 wurde die staatliche Souveränität Usbekistans verkündet. Am Sonntag beging das Land den 12. Jahrestag der Unabhängigkeit. Die Bürger waren an diesem Feiertag in unterschiedlicher Stimmung. Es berichtet unser Korrespondent in Taschkent, Jurij Tschernogajew:
Am Sonntag beging Usbekistan mit einer bunten Show auf dem Mustakillik-Platz den 12. Jahrstag der Unabhängigkeit des Landes. An Feiertagen zieht man gewöhnlich Bilanz. Auch der usbekische Präsident Islam Karimow tat dies und ging auf Fragen des Korrespondenten der Deutschen Welle ein. Erstmals gab er gewisse Geheimnisse preis. Karimow sagte, dass sich die Wirtschaft des Landes bis heute auf zwei wichtige Säulen stütze: Auf den Export von Baumwolle und Gold.
Islam Karimow: "Wir exportieren jährlich 60 bis 70 Tonnen Gold, das gilt als strategisches Geheimnis, aber wir wollen das nicht verheimlichen."
Usbekistan hat vergleichsweise ein kleines Territorium, ist aber das am dichtesten besiedelte Land Zentralasiens. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellen die noch nicht erwerbstätige Jugend, alte Leute und Rentner. Und die Wirtschaft muss wegen niedrigen Preisen für Baumwolle und Gold Verluste hinnehmen. Dazu Islam Karimow: "Es gab Jahre, in denen wir innerhalb eines Jahres etwa 1,2 Milliarden US-Dollar verloren hatten, weil die Baumwolle keinen guten Stand hatte. Und wegen wem brachen die Preise ein? Ich kann es sagen: Wegen der USA."
Trotz der schlechten Konjunktur steigert das Land die Goldförderung.
Islam Karimow: "Die Währungsreserven in Gold wachsen bei uns. Im ersten Halbjahr stiegen sie um etwa 260 Millionen."
Dies erlaubt es Islam Karimow, optimistisch zu bleiben. Auf die Frage, ob er beabsichtige, im Jahre 2007 sein Amt niederzulegen oder an der Macht zu bleiben, sagte Karimow: "Wissen Sie, Journalisten mögen heiße Geschichten. Ich kann Ihnen versichern, dass ich keine Probleme mit der Gesundheit oder der Handlungsfähigkeit habe. Ich denke, die Frage, ob ich bleibe oder nicht, steht heute im politischen Leben Usbekistans nicht auf der Tagesordnung."
Karimows Optimismus teilen auch usbekische Geschäftsleute. Der in Usbekistan geborene ethnische Deutsche Wladimir Steinert, der in Zentralasien unter der Bezeichnung Steinert Industries eines der größten Unternehmen, das viele Wirtschaftszweige umfasst, gegründet hat, sagte der Deutschen Welle, die Unabhängigkeit habe ihm die Tür zum Erfolg geöffnet: "Wenn sich das System im Lande nicht geändert hätte, dann wäre ich möglicherweise heute einfach Ingenieur. Vielleicht ein guter Ingenieur, aber weiter auch nichts. Historisch gesehen ist seit der Unabhängigkeit des Landes wenig Zeit vergangen. Man braucht noch Zeit und Geduld. Probleme gibt es immer und überall."
Die einflussreiche Geschäftwelt und der usbekische Präsident glauben an die Zukunft. Aber viele einfache Bürger waren an diesen Feiertagen in einer anderen Stimmung. Hier die Meinung eines gewöhnlichen Passanten: "Die Stadt ist gewachsen, die ist riesig geworden. Was sind das für Gebäude und was bedeuten sie für mich? Das sind alles Banken und so weiter. Mir bedeuten sie nichts. Wozu brauche ich sie? Die Stadt ist groß und wir sind wie Fremde in ihr."
Wenige Tage vor den Feierlichkeiten kam es in Usbekistan zu einigen Ereignissen, die wir nicht unbeachtet lassen konnten. Wie unsere Korrespondentin Sajpera Rusikulowa berichtet, wurde am Mittwoch (27.8.) in Taschkent vor dem Gebäude des Präsidentenapparats eine Mahnwache abgehalten, an der mehr als 20 Personen teilnahmen. Unter ihnen waren Vertreter verschiedener Menschenrechtsorganisationen, aber auch eine Unternehmerfamilie aus dem Gebiet Kaschkadar. Die auf Plakate geschriebenen Forderungen waren unterschiedlicher Art. Die meisten betrafen ungerechte Gerichtsurteile gegen einfache Bürger aber auch gegen Menschenrechtler. Die Mahnwache blieb nicht unbemerkt. An die Demonstranten traten Vertreter der Rechtsschutzorgane heran, die ihnen zusicherten, deren Probleme zu prüfen und zu lösen. Der stellvertretende Leiter der Abteilung des Innenministeriums im Bezirk Sobir-Rachimow der Stadt Taschkent, Oberstleutnant der Miliz Ibrahimow, sagte über die Mahnwache folgendes: "Mahnwachen sollte man nur im äußersten Fall veranstalten. Derzeit sehe ich keinen Grund für diese Aktion."
Als Beobachter war vor dem Gebäude des Präsidentenapparats die Vertreterin der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Mathilda Bogner, anwesend. Sie meint, dass die Usbeken heute immer öfter auf Demonstrationen und Protestaktionen ihre Meinung kundtun, auch wenn ihre Möglichkeiten, zu handeln, eingeschränkt sind: "Die Miliz kommt, nicht nur um zu schützen, sondern auch um zu drohen. Sie erlaubt es den Menschen nicht, sich vor diesem Gebäude aufzuhalten."
Nach Angaben unserer Korrespondentin Sajpera Rusikulowa sind in letzter Zeit Mahnwachen in Taschkent üblich geworden. Darüber, ob sie effektiv sind, sagte der Vorsitzende der Initiativgruppe unabhängiger Menschenrechtler Usbekistans, Surat Ikramow, folgendes: "Natürlich gibt es einige Ergebnisse, aber von wesentlichen Fortschritten sind wir noch weit entfernt."
Am 28. August, einen Tag nach der Mahnwache vor dem Gebäude des Präsidentenapparats, wurde der Menschenrechtler Surat Ikramow von Unbekannten brutal zusammengeschlagen. Den Worten des Opfers nach kamen mehrere maskierte Männer in Tarnanzügen auf ihn zu, zerrten ihn in ein Auto, stülpten ihm eine Tüte über den Kopf und fesselten seine Hände und Füße. Danach verprügelten sie ihn. Die Täter sind bislang nicht identifiziert. Die Vertreterin der Organisation Human Rights Watch, Mathilda Bogner, und Surat Ikramow glauben, dass es sich dabei um einen Auftrag gehandelt habe. Mathilda Bogner meint, dass Surat Ikramow wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Menschenrechtler zusammengeschlagen worden sei. Derzeit liegt Surat Ikramow mit zwei Rippenbrüchen, einer Gehirnerschütterung und zahlreichen Prellungen im 16. Städtischen Krankenhaus. Ihre Sorge im Zusammenhang mit diesen Ereignissen bekundeten Mitarbeiter der Internationalen Liga für Menschenrechte, die einen Brief an Präsident Karimow gerichtet haben. Darin rufen sie die Regierung und den Präsidenten Usbekistans auf, Maßnahmen zu ergreifen und diesen Fall aufzuklären. Surat Ikramow arbeitete mit dieser internationalen Organisation eng zusammen. Nach Angaben der Organisation hatte er sich für die Entwicklung von Demokratie im Lande stark eingesetzt. Vertreter der Internationalen Liga für Menschenrechte hoffen, ihre Tätigkeit ungehindert fortsetzen zu können. (...) (MO)