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Trump im Kongress: Härte nach außen, Spaltung nach innen

5. März 2025

Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt spricht Donald Trump vor dem US-Kongress: Von der Innenpolitik über die Zölle bis zur Ukraine sieht er sich auf dem richtigen Weg - und hinterlässt doch ein tief gespaltenes Land.

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USA Washington | Präsident Donald Trump spricht im Kapitol
Überzeugt von seinem Weg: US-Präsident Donald TrumpBild: Ben Curtis/AP Photo/picture alliance

Wie tief der Riss durch das politische Amerika geht, wie unversöhnlich sich Republikaner und Demokraten gegenüberstehen, wird schon in den ersten Momenten dieser Kongressrede deutlich. Da steht er, Donald Trump, der 47. Präsident der USA, und lobt sich selbst über den grünen Klee. "Wir haben in 43 Tagen mehr erreicht als die meisten Administrationen in vier oder acht Jahren", sagt Trump unter dem tosenden Jubel seiner Anhänger, "und wir fangen gerade erst an!" Während die republikanische Hälfte des Saales immer wieder aufsteht und "USA! USA!" skandiert, bleiben die demokratischen Abgeordneten demonstrativ sitzen und strafen den Präsidenten (fast alle) mit eisigem Schweigen.

Demokraten protestieren während Trumps Rede vor dem US-Kongress mit Schildern, auf denen "Falsch!", "Das ist eine Lüge", oder "Musk stiehlt" steht
Mit Schildern protestierten demokratische Kongressabgeordnete gegen Donald TrumpBild: Win McNamee/AFP

Viele halten wiederholt Schilder in die Höhe, auf denen "False!" ("Falsch!") steht oder "Musk steals!" ("Musk stiehlt!“). Der demokratische Abgeordnete Al Green wird sogar des Saales verwiesen, weil er Trumps Rede durch aufgeregte Zwischenrufe unterbricht. Zahlreiche Demokratinnen tragen pinke Kleidung, um ihren Protest gegen den neuen Präsidenten auszudrücken.

Währenddessen sitzt Donald Trump Jr., der Sohn des Präsidenten, auf der Tribüne und kommentiert auf der Plattform X die Rede seines Vaters. Er bezeichnet die Demokraten als "Heulsusen", "Kommunisten" und "eine Peinlichkeit".

"Amerika ist zurück!"

Die Stimmung ist also durchaus aufgeheizt, doch Donald Trump selbst ficht das alles nicht an. "Tatsächlich erinnerte das Ganze mehr an eine Wahlkampfrede als an eine klassische State of the Union", sagt Stormy-Annika Mildner, Leiterin des Berliner Aspen-Instituts. Die Rede sei gespickt gewesen mit scharfen Spitzen gegen die vorherige Biden-Regierung, sagt sie der DW.

Das beginnt schon mit Trumps erster Parole: "America is back!" Er redet darüber, was seine Regierung bereits alles erreicht habe: den Austritt aus mehreren multilateralen Organisationen, die Umbenennung des Golfs von Mexiko in "Golf von Amerika" und die Festlegung auf zwei Geschlechter. Trump spricht von einer "Revolution des gesunden Menschenverstands", die die ganze Welt erfasse.

Diese Welt ist jedoch erst einmal kaum Thema in dieser Rede. Fast 100 Minuten lang, länger als jeder andere US-Präsident zuvor, schaut Donald Trump vor allem auf Amerika - und auf sich selbst. So spricht er über die Inflation, an der die Vorgängerregierung schuld sei, die Antwort, wie diese zu bekämpfen sei, bleibt er jedoch schuldig. Dafür lobt er die Maßnahmen seines Beraters für Bürokratieabbau. 105 Milliarden Dollar habe Elon Musks DOGE-Behörde in nur sechs Wochen eingespart - eine Zahl, die allerdings unabhängig nicht verifiziert werden kann. Sie stammt lediglich von Musks Behörde selbst.

Zölle - bald auch auf Autos?

Auch seine Zollpolitik verteidigte Donald Trump erneut - obwohl viele Ökonomen bereits warnen, dass diese die Verbraucherpreise in den USA in die Höhe treiben dürften. Auch gegenüber der europäischen und indischen Autoindustrie könnte es demnächst zu weiteren Zollmaßnahmen kommen, deutete der Präsident an. Dabei, so Mildner, habe Trump "eine Sicht auf Zölle, die doch dem Mainstream der Wirtschaftswissenschaften und in großen Teilen auch der Politik der Vergangenheit widerspricht. Trump glaubt, Zölle werden von Unternehmen aus dem Ausland bezahlt und nicht an die eigene Bevölkerung weitergegeben, und das stimmt natürlich so nicht."

USA | Washington Kapitol | US-Präsident Trump hält eine Rede vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses
Rechts Standing Ovations, links eisiges Schweigen: Das politische Amerika erscheint gespaltener denn jeBild: Allison Robbert/AFP

Besonders interessant sei, dass Trump sich gegenüber den eigenen Bauern "quasi abgesichert hat, als es nämlich darum ging, dass er auch Zölle auf landwirtschaftliche Produkte verhängen will". Der Präsident sagte, es werde anfangs "etwas Unruhe geben. Aber das ist OK für uns. Es wird nicht viel sein." Laut Mildner zeigt diese Aussage, dass Trump sich schon auch bewusst sei, dass seine Politik zu  Problemen führe, "er aber auch sehr gut darin ist, ein bestimmtes Narrativ zu schaffen und dann auch diejenigen davon zu überzeugen, die wirtschaftlich darunter leiden".

Ob ihm das auch gelingen wird, wenn die Inflation tatsächlich weiter ansteige, sei noch nicht abzusehen. "In seiner ersten Administration", wirft Mildner ein, "hat das jedenfalls noch funktioniert".

Sechs Minuten Außenpolitik

Auf die klassische Außenpolitik ging Donald Trump in seiner Rede kaum ein. Erst nach über einer Stunde kam er auf die Konfliktherde dieser Welt zu sprechen. Einer CNN-Analyse zufolge widmete er sich nur knapp fünf Minuten der Ukraine, Gaza handelte er sogar in nur 49 Sekunden ab. Trump verkündete, er habe einen Brief vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erhalten, in dem dieser sich bereit erklärt habe, "so bald wie möglich an den Verhandlungstisch zu kommen, um einen dauerhaften Frieden näher zu bringen". Auch sei Selenskyj mittlerweile bereit, den geplanten Rohstoffdeal mit den USA zu unterzeichnen, nachdem es noch am Freitag wegen möglicher US-Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu einem beispiellosen Eklat im Weißen Haus gekommen war. 

Doch von diesen scheint keine Rede mehr zu sein. In seiner Ansprache erwähnte Trump Sicherheitsgarantien mit keinem Wort. Zuvor hatte er sie aber bereits mehrfach abgelehnt. Trump erklärte, er habe zudem "starke Signale" der russischen Führung erhalten, dass sie ebenfalls "Frieden" im Konflikt mit der Ukraine wolle. Wie genau der Fahrplan dorthin nun aussehen könnte, erklärte Trump jedoch nicht. 

Bei anderen außenpolitischen Themen zeigte sich Trump weniger versöhnlich. So drohte er erneut, den Panamakanal wieder unter die Kontrolle der USA zu bringen und kündigte abermals an, das rohstoffreiche und zu Dänemark gehörende Grönland übernehmen zu wollen: "Wir werden es bekommen - so oder so." Brandon Bohrn von der Bertelsmann-Stiftung geht nicht davon aus, dass die USA mit Blick auf Grönland direkte militärische Maßnahmen ergreifen werden. Er rechnet jedoch damit, dass der Druck auf Dänemark und Grönland steigen könnte - möglicherweise auch durch eine verstärkte US-Militärpräsenz. US-Expertin Mildner erwartet, dass amerikanische Unternehmen - ähnlich wie beim Panamakanal - Teile der Infrastruktur kaufen und die US-Regierung dies unterstützt.

USA Washington 2025 | US-Präsident Trump empfängt ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus
Erst der Eklat, nun ein Brief: Nähern sich Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump wieder an?Bild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Dies sei eine deutlich realistischere Option. "Aber: Die Verunsicherung und die Animositäten, die dadurch international entstehen, sind natürlich gewaltig" - auch und gerade zwischen den bisherigen Bündnispartnern. "Letztendlich zerlegt sich der Westen durch die USA gerade selber, ohne dass andere Mächte irgendetwas tun müssten."

Machtlose Demokraten

Immer wieder kam es während Trumps Rede auf Seiten der Demokraten zu Protestaktionen. Viele ihrer Abgeordneten trugen Schals, Krawatten und Anstecker mit den gelb-blauen Farben der Ukraine; einige verließen aus Protest den Saal. Die Abgeordnete Jasmine Crockett zeigte dabei ein T-Shirt mit dem Spruch "Resist" ("Leiste Widerstand").

USA | Washington Kapitol | US-Präsident Trump hält eine Rede vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses
Der demokratische Abgeordnete Al Green (links) wurde nach mehreren lautstarken Zwischenrufen während Trumps Rede des Saales verwiesenBild: Evelyn Hockstein/REUTERS

Donald Trump ließ sich von all dem nicht beirren und sprach von all seinen Maßnahmen als der "unabwendbaren Erneuerung des amerikanischen Traums": Und nicht zuletzt an die Demokraten gerichtet versprach er: "Wir fangen gerade erst an!" 

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik