USA: Trump contra Justiz?
21. März 2025Am Mittwoch eskalierte der Streit vollends: "Wenn ein Präsident nicht das Recht hat, Mörder und andere Kriminelle aus unserem Land zu werfen, weil ein durchgeknallter linksradikaler Richter das Präsidentenamt übernehmen will, dann steckt unser Land in großen Schwierigkeiten, dann ist es zum Scheitern verurteilt!", wetterte US-Präsident Donald Trump auf seinem Netzwerk Truth Social über einen Beschluss des US-Bundesrichters James Boasberg. Trump und mehrere republikanische Kongressabgeordnete forderten sogar dessen Amtsenthebung.
Was war passiert?
Donald Trumps Regierung hatte zuvor hunderte Venezolaner abgeschoben. Der US-Administration zufolge soll es sich um Mitglieder einer Drogenbande gehandelt haben. Trotz vehementer Proteste von Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro wurden sie nach El Salvador ausgeflogen und dort im berüchtigten CECOT-Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert.
Trump berief sich dabei auf ein Gesetz aus dem Jahr 1798, das es erlaube, "ausländische Feinde" aus dem Land zu werfen. Der Washingtoner Bundesrichter Boasberg hatte die Abschiebung untersagt - zunächst müsse geprüft werden, ob das Gesetz überhaupt anwendbar sei. Doch die Trump-Regierung setzte sich über den Richterspruch hinweg. Zum Zeitpunkt des richterlichen Stopps seien die Flugzeuge bereits in der Luft gewesen, hieß es zur Begründung.
Zahlreiche Zankäpfel
Es ist bei weitem nicht der einzige Fall, bei dem Trump-Administration und US-Justiz über Kreuz liegen. So ordnete etwa ein US-Bundesrichter an, die von Trump und seinem Berater Elon Musk vorangetriebene Abwicklung der Entwicklungshilfeagentur USAID zu stoppen. Eine Bundesrichterin aus Maryland blockierte zumindest vorerst den von Trumps Verteidigungsminister Hegseth vorangetriebenen Rauswurf von Transmenschen aus dem US-Militär. Eine weitere Richterin aus Washington verpflichtete die Regierung zur Zahlung von Zuschüssen in Höhe von 14 Milliarden Dollar an drei Klimaschutz-Organisationen.
"Wir haben außer Kontrolle geratene Richter, die unser Land zerstören", schimpfte Trump in einem Interview des US-Senders Fox News. Auf die Frage, ob er sich einem Gerichtsurteil widersetzen würde, sagte Trump: "Nein, das kann man nicht tun."
Unrechtmäßige Abschiebungen?
Wirklich nicht? "Im Moment ist es so, dass Trump vor Gericht eine Niederlage nach der anderen kassiert," sagt Johannes Thimm, stellvertretender Forschungsgruppenleiter Amerika der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Und nun gibt es erste Anzeichen dafür, dass er bestimmte Gerichtsurteile entweder ignoriert oder sogar offen anzweifelt und ihnen praktisch nicht Folge leistet." Derzeit scheint dies insbesondere bei Abschiebungen zu geschehen.
Erst vor wenigen Tagen wurde Rasha Alawieh, eine aus dem Libanon stammende Medizinerin der Brown University in Rhode Island, über Frankreich in ihr Heimatland abgeschoben, obwohl ein Bundesgericht in Boston dies untersagt hatte. Ein ähnliches Schicksal droht nun dem palästinensisch-stämmigen Studenten Mahmoud Khalil, der in Abschiebehaft genommen wurde, weil er sich an propalästinensischen Demonstrationen auf dem Campus der Columbia-Universität beteiligt hatte. Auch in diesem Fall gibt es eine richterliche Anweisung gegen eine Abschiebung.
Wie wenig Donald Trump und seine Gefolgsleute von derartigen Richtersprüchen halten, offenbarten gleich mehrere Aussagen der vergangenen Tage. So sagte der von Trump ernannte "Grenz-Zar" Tom Homan gegenüber Fox News: "Es ist mir egal, was die Richter denken." Wenn "Terroristen außer Landes gebracht" würden, dann "sollte das in diesem Land ein Grund zum Feiern sein".
Und auch Justizministerin Pam Bondi kritisierte die Aussetzung von Abschiebeanordnungen als "Missachtung von Präsident Trumps etablierter Machtbefugnis". Solche Richtersprüche gefährdeten die Bevölkerung und die Strafverfolgung, so Bondi.
Gewaltenteilung in Gefahr
Für Johannes Thimm sind das Besorgnis erregende Alarmsignale. Der SWP-Experte sieht das gesamte System der Gewaltenteilung in den USA in Gefahr. Zum einen, weil sich mit dem Kongress "die Legislative als kontrollierende Gewalt, die dem Präsidenten auch Einhalt gebieten kann, praktisch abgemeldet hat". Seit den Wahlen besitzen die Republikaner in beiden Kongresskammern die Mehrheit - und sie sind "Trump gegenüber praktisch zu 100 Prozent loyal", so Thimm.
Bleibt also die Judikative. "Und da ist halt das Grundproblem, dass Gerichte ihre Urteile nicht effektiv durchsetzen können, schon gar nicht gegen die Regierung. Denn sie besitzen ja keine eigenen Polizeikräfte - das ganze System basiert darauf, dass die anderen Gewalten die Autorität der Gerichte respektieren", so Thimm.
Genau das erodiert derzeit in erschreckend schneller Weise. "Die Tatsache, dass Trump gerade anfängt, Gerichtsurteile zu ignorieren oder sich ihnen zu verweigern, hat das Potenzial, eine Verfassungskrise auszulösen. Und das ist noch milde ausgedrückt." Denn Polizei und Sicherheitsbehörden sind in einem Rechtsstaat in erster Linie dazu da, Recht und Gesetz durchzusetzen. Unterstellt sind sie aber letztlich dem Präsidenten. Wenn es jedoch von beiden Seiten gegensätzliche Anweisungen gibt - wem sollen sie dann gehorchen?
Scharfe Kritik vom Supreme Court
Vielleicht ist auch das mit ein Grund dafür, dass John Roberts, der Vorsitzende Richter des Obersten Gerichtshofes, Trumps Forderung, missliebige Richter einfach abzusetzen, ungewöhnlich scharf zurückwies. "Seit mehr als zwei Jahrhunderten steht fest, dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf eine Meinungsverschiedenheit über eine gerichtliche Entscheidung ist", erklärte Roberts. "Dafür sind Berufungsverfahren da."
Man dürfe "nicht den Fehler machen, zu glauben, dass ein mehrheitlich konservativer Supreme Court in allen Fällen für Trump stimmt", sagt Johannes Thimm. Das habe er auch in der Vergangenheit nicht immer getan - und damit auch immer wieder die Unabhängigkeit der Justiz bekräftigt. Der SWP-Experte glaubt, "dass sich jetzt eine Art Machtkampf abspielt. Trump testet aus, womit er durchkommt. Und dann kommt es tatsächlich darauf an, dass der Supreme Court sich auf die Seite der Gerichte stellt, so wie John Roberts das jetzt getan hat."
Auf dem Weg Richtung Autokratie?
Eine offene Konfrontation mit dem Obersten Gerichtshof, den Donald Trump in seiner derzeitigen Form ja selbst maßgeblich mitbesetzt hat, wird der US-Präsident wohl eher nicht wagen. "Aber das Grundproblem, dass auch der Supreme Court nicht mit Gewalt seine Urteile durchsetzen kann, ist das Gleiche wie bei den anderen Gerichten", sagt Thimm. "Theoretisch könnte Trump sich auch dort hinstellen und sagen: Ich erkenne dieses oder jenes Urteil nicht an."
Nach den jüngsten Entwicklungen rund um die Abschiebeflüge nach El Salvador sei es jedenfalls auch in Zukunft "nicht mehr ausgeschlossen, dass Trump einfach über die Justiz hinweg bestimmte Sachen nicht umsetzt und keiner so richtig was dagegen tut oder tun kann", fürchtet Johannes Thimm. "Und dann haben die USA einen großen Schritt in Richtung Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates getan."