USA setzen Luftangriffe gegen Afghanistan fort
10. Oktober 2001Bei neuen Angriffen auf Kabul haben die Taliban nach Augenzeugenberichten US-Flugzeuge mit Luftabwehrraketen beschossen. In der Hauptstadt Kabul und im südöstlichen Kandahar wurden dabei zwei Wohngebiete bombardiert. Der Taliban-Botschafter in Islamabad, Abdul Salem Saif, sagte, die Luftabwehr der in Afghanistan herrschenden Taliban-Miliz sei weiter intakt. Die Behauptungen der USA, bei ihren Angriffen sei die Luftabwehr zerstört worden, seien unwahr. Am Dienstag hatte US-Generalstabschef Richard Myers verkündet, die Vereinigten Staaten hätten die «Lufthoheit» über Afghanistan errungen. Die USA hatten am Mittwochmorgen ihre Angriffe auf mehrere Städte in Afghanistan fortgesetzt.
Taliban weiterhin unbeugsam
Saif sagte weiter, der von Washington gesuchte mutmaßliche Top-Terrorist Osama bin Laden und der Chef der Taliban-Miliz, Mullah Mohammed Omar, seien am Leben. «Die Träume Amerikas werden nicht wahr werden,» fügte er hinzu. Zugleich rief er alle in den USA lebenden Moslems zur Solidarität mit ihrer Heimat auf. Sie sollten ihren Widerstand gegen die «Abscheulichkeiten» bekunden, die die USA gegen die Afghanen begehe.
Weitere Terroranschläge angedroht
Die Terror-Organisation El Kaida drohte den USA unterdessen mit weiteren Anschlägen durch Flugzeugentführungen. Der "Heilige Krieg" gegen die USA werde fortgesetzt, sagte der Sprecher der Organisation aus dem Lager des mutmaßlichen Terroristenführers Osama bin Laden, Suleiman Abu Gheith, in einer Video-Erklärung.
"Amerika muss wissen, dass die Erstürmung von Flugzeugen nicht aufhören wird und dass es Tausende junger Menschen gibt, die dem Tod entgegen sehen so wie die Amerikaner dem Leben entgegen sehen", sagte der Sprecher.Die radikal-islamische Taliban-Regierung in Afghanistan will nach eigenen Angaben alle Beschränkungen gegen den moslemischen Extremisten Osama bin Laden aufheben. Bin Laden sei frei, einen Heiligen Krieg gegen die USA zu führen, sagte Taliban-Sprecher Abdul Hai Mutmaen. "Mit dem Beginn der amerikanischen Angriffe sind die Beschränkungen (für Bin Laden) nicht länger in Kraft",sagte Mutmaen.
Arabische Liga ringt um klare Position
Die Arabische Liga signalisierte den USA Unterstützung im kampf gegen den Terrorismus, konnte sich aber noch nicht auf eine einheitliche Aussage verständigen. Der Generalsekretär der Staatengemeinschaft, Amr Mussa, sagte nach einem Treffen der 22 Außenminister der Liga in der katarischen Hauptstadt Doha: "Wir werden nicht dulden, dass Terrorismus mit Islam in Verbindung gebracht wird." Über eine gemeinsame Haltung zu den Angriffen auf Afghanistan soll bei einem Außenministertreffen der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) mit 57 Mitgliedsstaaten am Mittwoch in Doha beraten werden.
Schröder bekräftigt deutsche Solidarität mit den USA
Nach dem Treffen mit US-Präsident Bush sagte Bundeskanzler Schröder Unterstützung bedeute nicht nur Worte, sondern auch Taten. Zu einem möglichen militärischen Beitrag Deutschlands sagte Schröder, würden sich beide Seiten beizeiten unterhalten. Beide Seiten stimmten darin überein, wie wichtig es sei, die Finanzierung der El-Kaida-Organisation des Moslem-Extremisten Osama Bin Laden zu unterbrechen, sagte Schröder. Der Kanzler besuchte mit New Yorks Bürgermeister Giuliani die Trümmer des World Trade Centers und kehrte am Mittwoch von seinem Blitzbesuch zurück.Noch keine Entscheidung über Bodenoperation
Für eine Bodenoperation der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan sei bisher noch keine Entscheidung gefallen, sagte der britische Verteidigungsminister Geoffrey Hoon bei einem Kurzbesuch in Moskau. Hoons russischer Kollege Sergej Iwanow schloss eine Beteiligung russischer Soldaten an Kriegshandlungen in Afghanistan aus. Die 'Washington Post' berichtete, die USA wollten zum Ende der Woche weitere Soldaten nach Zentralasien und in den Mittleren Osten entsenden. Derzeit sind mehr als 50.000 britische und amerikanische Soldaten in der Region stationiert.
Russisch-chinesischer Vorstoß für eine politische Neuordnung
China und Russland befürworten die Schaffung einer Koalitionsregierung in Afghanistan. Der chinesische Außenminister Tang Jiaxuan formulierte die Initiative in Telefongesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Igor Iwanow, sowie mit seinen indischen und thailändischen Amtskollegen. "Eine Koalitionsregierung, die von allen Parteien akzeptiert ist, und mit den Nachbarstaaten kooperiert, wäre von Vorteil für das afghanische Volk und dem Frieden und der Stabilität in der Region förderlich", zitierten ihn am Mittwoch die amtlichen chinesischen Medien. Iwanow sagte, die internationale Gemeinschaft solle die Schaffung einer Koalitionsregierung mit einer weit reichenden Basis in Afghanistan unterstützen. Militäraktionen könnten nicht alle Fragen im Kampf gegen den Terrorismus lösen.
Flüchtlingschaos blieb aus
Das befürchtete Flüchtlingschaos in den Nachbarstaaten Afghanistans ist nach Mitteilung von UN-Organisationen bisher ausgeblieben. 'Eine Erklärung könnte die höhere Präsenz der Taliban-Milizen im Grenzgebiet sein. Dies könnte Flüchtlinge von einer Grenzüberquerung abhalten oder ihnen Angst davor machen', sagte der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerkes, Kris Janowski, in Genf. Während China seine Grenzen zu Pakistan und Afghanistan schloss, öffnete Pakistan seine Nordwestgrenze für afghanische Flüchtlinge.
Lebensmitteltransporter starten weiter von Ramstein
Zum dritten Mal in Folge haben amerikanische Transportmaschinen in der Nacht zum Mittwoch Lebensmittel von der US- Militärbasis Ramstein nach Afghanistan geflogen. Bereits in den beiden Nächten zuvor hatten jeweils zwei Transporter vom Typ C 17 von Ramstein aus Lebensmittel über dem Krisengebiet abgeworfen. Die Hilfsgüter bestehen unter anderem aus Brot, Bohnen und Reis.