Kulturpolitik von Donald Trump: Europas Musiker reagieren
24. März 2025Donald Trump agiere wie "ein verrückter Elefant im Porzellan-Laden", so der ungarische Pianist András Schiff gegenüber der Deutschen Welle. "Seit November 2024 wussten wir, dass eine neue Regierung kommen wird - und was für eine. Wir kennen ja Präsident Trump von 2016-2020. Nun, was er in seinen ersten sechs Wochen 'geleistet' hat, das übertrifft selbst die wildesten Erwartungen." Trump, Vizepräsident Vance sowie "der fürchterliche Elon Musk" hätten eine "Hässlichkeit in die Welt gebracht, die man bisher nicht kannte. Und es betrifft auch die Kultur, siehe die brutale Übernahme vom Kennedy Center in Washington."
Das 1971 gegründete Kennedy Center ist das größte Kulturzentrum in der US-Hauptstadt mit über 2000 Aufführungen im Jahr - und hat auch darüber hinaus eine prägende Rolle für den Kulturbetrieb im Land. Die Übernahme dieser Einrichtung durch Donald Trump, der sich als Vorsitzender des Kuratoriums wählen ließ, die Entlassung einiger Mitarbeiter und die Besetzung führender Positionen durch enge Vertraute hat für Aufregung gesorgt – sowohl in den USA als auch weltweit.
"Keine Drag-Shows oder andere anti-amerikanische Propaganda mehr – nur noch das Beste", schrieb Donald Trump auf Social Media in Bezug auf das Kennedy Center und versprach ein "goldenes Zeitalter der Kunst und Kultur".
"Mr. President, das geht einfach nicht"
Der 71-jährige András Schiff zählt zu den besten seiner Zunft. Ob er Mozart, Schubert, Schumann oder Bach interpretiert: Er ist einer der vielseitigsten Pianisten seiner Zeit. Schiff ist aber nicht nur ein Musiker der Weltklasse, sondern auch ein aufgeweckter Beobachter des Weltgeschehens – und scharfer Kritiker antidemokratischer Bewegungen.
Schon 2011 hat er die Aushöhlung der Demokratie in seinem Heimatland Ungarn unter Viktor Orbán angeprangert. Es folgten Beleidigungen und Hassbotschaften. Als Kind von Shoa-Überlebenden hat Schiff daraus seine Konsequenz gezogen: In seiner Heimat Ungarn spielt er schon lange keine Konzerte mehr.
Jetzt hat er auch seine Auftritte mit den New Yorker Philharmonikern und dem Philadelphia Orchestra in den USA abgesagt. "Diese Einladungen zu den Konzerten in der USA kamen ungefähr vor zwei Jahren", erklärt er. Damals war Joe Biden Präsident. Doch jetzt habe sich die Situation grundlegend geändert. "Trump wurde ja von einem Großteil der US-Amerikaner legitim gewählt, und diese sind von ihm hingerissen, egal was er tut", so Schiff. "Deshalb sehe ich wenig Hoffnung für die Zukunft. Was ist das für ein Wertesystem, wo nur Geld, Macht und Geschäft zählen? Wo Kultur und Wissenschaft keine Rolle spielen?"
Ausschlaggebend für die Konzertabsagen sei auch die Rede von Vance in München (US-Vizepräsident J.D. Vance warf den Europäern u.a. Zensur vor, Anm. d. Red.), wo er Europa zutiefst beleidigt habe. "Auch die Demütigung von Selenskyi im Oval Office, das war unbeschreiblich", ergänzt Schiff. "Und unsere Europäischen Politiker sind so schwach. Fast niemand hat den Mut, die Zivilcourage aufzustehen und sagen: Mr. President, das geht einfach nicht."
Sorge um kulturelle Vielfalt in den USA
Dem noch kleinen, aber langsam wachsenden Protest gegen die US-Kulturpolitik haben sich auch andere Künstler angeschlossen, so auch der französisch-kanadische Cellist Jean-Guihen Queyras. "Ich beobachte die Ereignisse in den USA mit großer Sorge. Kultur und Freiheit gehen immer Hand in Hand. Sie können nicht ohne einander existieren", sagt der Musiker im DW-Interview. "Die Freiheit, kreativ zu sein, ist abhängig von Institutionen, die demokratisch funktionieren und die Kunst unterstützen." Man dürfe Trumps Auftritt im Kennedy Center nicht als kleines Theaterspiel betrachten. "Es ist ernst, denn seine Message ist klar: Wir nehmen die Kultur in die Mangel."
Jean-Guihen Queyras wird die Einnahmen aus seinen insgesamt fünf Auftritten in den USA in diesem Jahr an die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ins Leben gerufene Stiftung United24 spenden. "Für Putin ist es unerträglich, dass sich die Ukraine für Freiheit entschieden hat. Sie wollen nach Europa, weil dort die Werte sind, die für sie wichtig sind. Und zwar so wichtig, dass sie dafür kämpfen müssen. Die Ukraine ist seit 2013/2014 an erster Linie im Kampf für die Freiheit – sie kämpfen auch für uns", sagt Jean-Guihen Queyras, der im Sommer 2024 Kyjiw besucht hat.
Der Cellist tauscht sich auch mit Musikkollegen und Kolleginnen in den USA aus. Doch es ist stiller geworden: "Es gibt das Öffentliche und das Private. Auf der privaten Ebene habe ich viele Nachrichten von US-amerikanischen Kollegen bekommen, nachdem ich Stellung bezogen habe", sagt Jean-Guihen Queyras, der u.a. als Professor an der Musikhochschule Freiburg tätigt ist. "Die Botschaften waren sehr rührend, einige haben sich bei mir bedankt und gesagt, dass sie das gut finden. Aber was ich interessant finde, ist, wie wenig Spielraum sie jetzt schon haben, wie wenig sie sich erlauben und wahrscheinlich selbst zensieren aus Angst vor Konsequenzen. So schnell kann es gehen." In wenigen Tagen soll er in den USA auf der Bühne stehen: "Ich bin gespannt, ob ich einreisen darf."
Konzertabsagen aus Solidarität und Protest
Die Reaktion auf Trumps Kulturpolitik scheint noch verhalten auszufallen, es sind einzelne Stimmen, die sich öffentlich äußern und handeln. Wie der ungarische Pianist András Schiff, haben auch einige Musiker aus Deutschland ihre Konzerte in den USA abgesagt. So etwa der Geiger Christian Tetzlaff.
In einem Interview für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) sagt er: "Ich habe fürchterlich mit mir gerungen, denn Amerika war eigentlich immer mein Hauptspielfeld. (...) Für mich ist der Grund, dass ich absage, weil in Amerika absolute Stille herrscht, bei Musikern, bei Orchestern, selbst bei Politikern. Wir würden alle erwarten, dass jetzt Millionen auf der Straße sind, denn es wird alles abgeschafft, wofür Amerika stand. Es werden Frauenrechte abgeschafft, es werden Gleichberechtigungs-Themen vollkommen gecancelt. (...) Das sind jetzt vier Jahre - und in den ersten sieben Wochen ist alles um hundert Jahre zurückgedreht worden."
Christian Tetzlaff ist mit seiner Entscheidung nicht allein. Auch die in Bochum geborene Pianistin Schaghajegh Nosrati hat sich für eine Absage ihrer Auftritte entschieden. Auf ihrer Instagram-Seite schreibt sie: "Schweren Herzens muss ich meine Entscheidung bekannt geben, meine für diesen Herbst geplante USA-Tour abzusagen. Es schmerzt mich sehr, die Entwicklungen in dem Land unter der Trump-Regierung zu beobachten. Eine der ältesten Demokratien der Welt weicht einem zunehmend autokratischen Regime, das sich das Recht anmaßt, in kulturelle Institutionen und die Wissenschaft einzugreifen (...). Es ist äußerst beunruhigend zu sehen, wie Fakten verdreht werden."
Während der große Aufschrei noch weitestgehend ausbleibt, setzt Donald Trump seinen Kurs gegen etablierte Institutionen fort. So hat er im Beisein von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonal einen Erlass unterzeichnet, der die Schulpolitik fast vollständig den einzelnen Bundesstaaten überlassen soll. "Wir werden es dichtmachen, und zwar so schnell wie möglich", sagte Trump bei der Zeremonie im Weißen Haus über das Bildungsministerium. "Es bringt uns nichts." Die massiven Eingriffe in die Kultur scheinen nur ein Anfang zu sein.
Mitarbeit: Laetitia Glück