Faktencheck: Wo lag Trump in seiner Kongress-Rede falsch?
Veröffentlicht 5. März 2025Zuletzt aktualisiert 5. März 2025Tumulte, Sprechchöre und ein Saalverweis - die erste Rede von US-Präsident Donald Trump seit seiner Wiederwahl vor dem Kongress sorgte für unterschiedlichste Reaktionen. Trump lobte darin zunächst einmal sich selbst und die bisherige Arbeit seiner Regierung, die in 43 Tagen nach seiner Ansicht mehr erreicht hat als andere US-Regierungen in vier oder acht Jahren. "Und wir fangen gerade erst an", so Trump.
Während seiner 100-minütigen Rede vor beiden Kammern des US-Parlaments stellte Trump zahlreiche Behauptungen auf, unter anderem zum Krieg in der Ukraine, zum Handelsstreit, zur Einwanderung oder zum Klimawandel. DW-Faktencheck hat zentrale Aussagen überprüft.
Haben die USA der Ukraine drei Mal mehr geholfen als Europa?
Donald Trump wiederholte vor dem Kongress seine Behauptung, dass die USA bislang mehr als drei Mal so viel Hilfe geleistet hätten wie die europäischen Partner.
Behauptung: "Wir haben vielleicht 350 Milliarden Dollar ausgegeben. (...) Und sie (die Europäer, Anm. d. Red.) haben 100 Milliarden Dollar ausgegeben. (...) Biden hat mehr Geld für diesen Kampf genehmigt, als Europa ausgegeben hat."
DW-Faktencheck: Falsch
Donald Trump stellte diese Behauptung bereits im Februar auf, lieferte dafür aber keine Belege. Öffentlich zugängliche Quellen sprechen eine andere Sprache: Nach Zahlen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) belaufen sich die US-Hilfen an die Ukraine seit Russlands Invasion im Februar 2022 bis zum 31. Dezember 2024 auf 128 Milliarden US-Dollar. Demgegenüber stehen knapp 290 Milliarden Dollar, die Europa (inkl. der Türkei) bereitstellt. Also ein völlig anderes Verhältnis der Ukrainehilfen zwischen den USA und Europa als Trump es darstellt. Die Zahlen stammen aus dem Ukraine Support Tracker, mit dem der deutsche Think Tank IfW die militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe für die Ukraine erfasst.
Während das IfW nur die direkt an die Ukraine geleistete Unterstützung berücksichtigt, weichen die Zahlen anderer Erhebungen davon ab, da andere Leistungen erhoben werden, wie zum Beispiel die Wiederauffüllung von US-Waffenbeständen nach Lieferungen an die Ukraine.
Die US-Regierung selbst erhebt Daten zur Ukrainehilfe, die ebenfalls nicht mit den Zahlen von Trump übereinstimmen. Laut der Ukraine-Aufsichtsarbeitsgruppe der US-Regierung beläuft sich der US-Beitrag zur Ukraine-Hilfe auf insgesamt 203 Milliarden Dollar: "Seit der großangelegten Invasion Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hat der Kongress fast 183 Milliarden Dollar für die Operation Atlantic Resolve und die umfassendere Ukraine-Reaktion bewilligt oder anderweitig verfügbar gemacht. Zusätzlich haben die Vereinigten Staaten 20 Milliarden Dollar an Krediten im Rahmen der außergewöhnlichen Einnahmenbeschleunigungsinitiative der G7-Nationen bereitgestellt." Auch das US-Verteidigungsministerium berichtet von jenen rund 183 Milliarden US-Dollar.
Es kommt bei der Frage, wer die Ukraine bislang mit wie viel unterstützt hat, also darauf an, welche Leistungen man einbezieht. Legt man die einheitliche Berechnung des Ukraine Support Tracker zu Grunde, haben die europäischen Nationen einschließlich der Institutionen der Europäischen Union deutlich mehr Hilfen an die Ukraine geleistet als die USA, wie ein DW-Faktencheck von Ende Februar nachgewiesen hat (Englisch).
Hat das Pariser Klimaabkommen die USA Billionen Dollar gekostet?
Donald Trump macht immer wieder deutlich, dass er kein Verfechter von Klimaschutzbemühungen ist. Schon in seiner ersten Amtszeit waren die USA 2017 aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Ex-Präsident Joe Biden machte diesen Schritt wieder rückgängig. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit trat Trump erneut aus. Ihm zufolge sei der Preis für die USA zu hoch.
Behauptung: "Ich bin aus dem unfairen Pariser Klimaabkommen ausgestiegen, das uns Billionen Dollar gekostet hat, die andere Länder nicht bezahlt haben." Auf Englisch sprach Trump von "trillions of dollars".
DW-Faktencheck: Falsch
Das Pariser Klimaabkommen trat im November 2016 in Kraft. Oberstes Ziel ist es, dass die globale Durchschnittstemperatur nicht stärker als zwei Grad Celsius oder besser nur 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau ansteigt. Jedes Land legt alle fünf Jahre selbst fest, was es tun will, um Treibhausgas-Emissionen zu senken. Werden diese Ziele verfehlt, gibt es keine Bestrafung. Die Verpflichtungen sind freiwillig.
Richtig ist: Der Kampf gegen den Klimawandel kostet viel Geld. Nicht nur für Technologien, um weniger Treibhausgase auszustoßen. Die Mittel werden auch gebraucht, damit die Welt sich an die Folgen des Klimawandels anpassen kann, um gegen extremere Hitzewellen, häufigere Dürren oder stärkere Wirbelstürme gewappnet zu sein. Reichere Länder sind nach dem Abkommen besonders gefragt, andere Länder finanziell zu unterstützen, die stärker vom Klimawandel betroffen sind und weniger Mittel zur Verfügung haben.
Dafür gibt es beispielsweise den Green Climate Fund (GCF), der noch vor dem Pariser Klimaabkommen gegründet wurde. 2014 erklärte der damalige US-Präsident Barack Obama, drei Milliarden US-Dollar an den GCF zahlen zu wollen. 2023 versprach die damalige US-Vizepräsidentin Kamala Harris dem GCF weitere drei Milliarden US-Dollar. Zu dem Zeitpunkt waren von dem Geld, das Obama beisteuern wollte, zwei Milliarden US-Dollar ausgezahlt.
Absichtserklärungen sind jedoch keine getätigten Zahlungen. Die Gelder müssen vom US-Kongress bewilligt werden. Mit Stand Ende 2024 ist laut dem GFC (Seite 6) die zweite Absichtserklärung der USA nicht durch Zahlungen bestätigt.
Zu Beginn seiner Präsidentschaft 2021 hatte US-Präsident Joe Biden angekündigt, bis 2024 jährlich insgesamt 11,4 Milliarden US-Dollar für Klimaprojekte weltweit investieren zu wollen - was nicht nur den GCF umfasst. Laut Außenministerium zahlten die USA im Jahr 2021 für solche Projekte noch 1,5 Milliarden US-Dollar. Dieser Wert stieg 2022 auf 5,8 und 2023 auf 9,5 Milliarden US-Dollar. Für 2024 lag die Prognose bei Bidens versprochenen 11 Milliarden (Stand: November 2024).
In diesen Jahren waren es für internationale Klimaschutzprogramme insgesamt also 27,5 Milliarden US-Dollar. Selbst wenn man diese Zahlen für weitere Jahre hochrechnet: Zusammengenommen haben die USA nicht wie von Trump behauptet Billionen US-Dollar unter dem Pariser Klimaabkommen gezahlt.
Dank Trump so wenige illegale Grenzübertritte "wie noch nie"?
In seiner Rede behauptete Trump auch, dass die Zahl der illegalen Grenzüberschreitungen im vergangenen Monat (Februar 2025) so niedrig war wie noch nie.
Behauptung: "Innerhalb weniger Stunden nach meiner Amtsübernahme habe ich den nationalen Notstand an unserer Südgrenze ausgerufen und das US-Militär und die Grenzpolizei eingesetzt, um die Invasion in unser Land abzuwehren. Und sie haben hervorragende Arbeit geleistet, denn die Zahl der illegalen Grenzübertritte war im vergangenen Monat so niedrig wie noch nie."
DW-Faktencheck: Falsch
In seiner Rede erwähnte Präsident Donald Trump keine konkrete Zahl, um seine Behauptung zu belegen. Tatsächlich ist es auch schwierig genau zu beziffern, wie viele Menschen die Grenze zwischen den USA und Mexiko in einem bestimmten Zeitraum "illegal überschreiten". Eine Annäherung bietet die Anzahl der sogenannten "Begegnungen" von Grenzbeamten mit Migranten, die seit einigen Jahren zu diesem Zweck verwendet wird. Diese Zahlen umfassen verschiedene Arten von Daten, zum Beispiel die Anzahl der Verhaftungen durch die US-Grenzpolizei und die Zurückweisungen nach Title 8, einer Regelung des Bundesrechts der USA. Auch die Abschiebungen nach dem außer Kraft getretenen Title 42, der 2023 nach dem Ende der Corona-Pandemie aufgehoben wurde.
In diesen Zahlen ist allerdings die Dunkelziffer der Migranten, denen es gelingt die Grenze unentdeckt zu überqueren, nicht enthalten. Man kann also nicht mit Gewissheit sagen, dass die Zahl der "illegalen Grenzübertritte" zurückgegangen ist. Schaut man sich jedoch die Daten der US Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP einen Tag nach Trumps Rede von dem US Kongress an, findet man dort keine Zahlen für den Zeitraum Februar 2025. Die letzte verfügbare Zahl der "Begegnungen" stammt aus dem Januar 2025 und weist eine Gesamtzahl von 61.465 aus. Vergleicht man diese Zahl mit denen aus vorangegangenen Monaten, so zeichnet sich ab, dass der Januar 2025, der Monat mit dem größten Rückgang an "Begegnungen" seit Jahren ist.
Dieser starke Abwärtstrend reicht jedoch bis ins Jahr 2024 zurück, als der ehemalige Präsident Joe Biden noch die Regierung führte. Man sieht bereits einen Rückgang von 301.981 Begegnungen im Dezember 2024 auf 61.466 im Januar 2025, als Biden das Amt an Trump weitergab. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Rückgang im Januar 2025 auf die von Biden im April 2024 unterzeichnete Durchführungsverordnung zur Verringerung der Migration zurückzuführen ist, und nicht ausschließlich auf die neusten Maßnahmen der Trump-Regierung.
Obwohl Trump keine konkreten Zahlen in seiner Rede nannte, verwies er auf seinen ersten vollen Amtsmonat, den Februar 2025, als den mit der niedrigsten Zahl illegaler Grenzübertritte an der südöstlichen US-Grenze. Kürzlich verkündete Trump auf seiner Plattform Truth Social, die Gesamtzahl von 8326 "illegalen Einwanderern", die im Februar von der US-Grenzpolizei festgenommen wurden. Nimmt man diese Zahl, die wir in offiziellen Quellen noch nicht finden konnten, als Fakt, kann man sie mit den von der US- Grenzpolizei in der Vergangenheit verzeichneten Verhaftungszahlen vergleichen. Die Daten ermöglichen einen Rückblick bis ins Jahr 1960. Damals wurden insgesamt 21.022 "Begegnungen" registriert, was einem Durchschnitt von 1752 Begegnungen pro Monat entspricht - eine deutlich niedrige Zahl als die von Trump genannten 8326 registrierten Festnahmen. Somit ist Trumps Aussage, dass "noch nie" so wenig illegale Grenzübertritte verzeichnet wurden wie aktuell, faktisch falsch. Auch in weiteren Jahren lag die Zahl vergleichbar niedrig.
Nehmen die USA weitere Billionen US-Dollar durch Zölle ein?
Trump vertritt die Meinung, dass Handelszölle die US-Wirtschaft ankurbeln, indem er damit Handelspartner unter Druck setzt und Produktionsstätten in die USA zurückzuholen will. Die neu verhängten Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Waren aus Kanada und Mexiko sowie die Erhöhung der Zölle auf Waren aus China von 10 auf 20 Prozent haben jedoch rasch Vergeltungsmaßnahmen ausgelöst. Alle drei Länder haben ihrerseits Zölle verhängt. Für Anfang April hat Trump weitere Zölle auch mit anderen Handelspartnern angekündigt.
Behauptung: Die USA werden durch die Erhebung von Zöllen auf Importe "Billionen von Dollar einnehmen". Auf Englisch lautete die Behauptung: "We will take in trillions and trillions of dollars..."
DW-Faktencheck: Irreführend
Auch wenn Trump keinen Zeitrahmen angegeben hat - sei es ein Jahr, seine Präsidentschaft oder ein Jahrzehnt - ist die Behauptung, dass die USA durch Zölle Einnahmen in Höhe von Billionen US-Dollar erzielen werden, durch aktuelle Zahlen nicht gedeckt.
Nach Angaben der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde haben die USA im Jahr 2024 Waren im Gesamtwert von etwa 3,4 Billionen Dollar importiert. Daraus Zolleinnahmen in Billionenhöhe zu erzielen, ist unrealistisch. Die Summe der erhobenen Zölle, Steuern und Gebühren beläuft sich der Behörde zufolge in demselben Jahr auf 88 Milliarden Dollar.
Die Zolleinnahmen fließen der US-Regierung zu. Doch anfangs tragen die Importeure die Kosten und geben sie oft in Form höherer Preise an die Verbraucher weiter, wie die in den USA ansässige Denkfabrik Tax Foundation schreibt.
Als Vergeltung haben Länder wie Kanada, Mexiko und China Gegenzölle verhängt, von denen wiederum US-Exporteure und Hersteller betroffen sind. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte Trump Zölle gegen China erhoben. Analysten der Federal Reserve Bank von New York schreiben dazu, der Handelskrieg zwischen den USA und China zwischen 2018 und 2019 habe einen "negativen Effekt auf die US-Wirtschaft" gehabt, der "wesentlich größer ist" als bisherige Schätzungen.
Die Behauptung, dass die USA von den erhöhten Zöllen in Billionenhöhe profitieren werden, vereinfacht die komplexen Auswirkungen eines Handelsstreits auf die US-amerikanischen und globalen Märkte zu stark.
Starben 38.000 US-Arbeiter beim Bau des Panamakanals?
Trump wiederholte eine weitere ältere Behauptung: Bereits bei seiner Antrittsrede zur Amtseinführung am 20. Januar kündigte der Republikaner an, dass er den Panamakanal wieder "zurückholen" wolle, vor dem Kongress legte er nun nach.
Behauptung: "Der Panamakanal wurde von Amerikanern für Amerikaner gebaut, nicht für andere. Aber andere konnten ihn nutzen. Doch er wurde unter enormen Kosten an amerikanischem Blut und Vermögen gebaut. 38.000 Arbeiter starben beim Bau des Panamakanals (…) Wir haben ihn an Panama gegeben, und wir holen ihn zurück."
DW-Faktencheck: Falsch
Zunächst einmal war der Panamakanal kein Geschenk der USA an Panama, wie Donald Trump bereits mehrfach behauptetet hat, sondern das Ergebnis langer Verhandlungen, wie ein DW Faktencheck zeigt. Grundlage waren zwei Abkommen: Der Panamakanalvertrag, der festlegte dass die Kontrolle der USA über den Kanal am 31. Dezember 1999 endete (siehe Artikel 2, Absatz 2). Und der Neutralitätsvertrag besagt im Artikel 5, dass "nach der Beendigung des Panamakanalvertrags nur die Republik Panama den Kanal betreiben" dürfe.
Zur Aussage Trumps, dass der Kanal von Amerikanern gebaut wurde und dass die Vereinigten Staaten dabei 38.000 Todesopfer zu beklagen gehabt hätten: Die tatsächlichen Zahlen liegen weit darunter. In der Tat waren die Arbeitsbedingungen beim Bau des Panamakanals, der von den Franzosen begonnen wurde, nach heutigen Maßstäben unmenschlich hart. Die Arbeitsbelastung, aber auch Krankheiten führten zu zahlreichen Toten auf den Baustellen. Auf der Website der Panamakanal-Behörde wird die Zahl der Todesopfer mit etwa 25.000 angegeben. Laut Krankenhausaufzeichnungen starben 5609 Menschen an Krankheiten und Unfällen während der amerikanischen Bauzeit, in der insgesamt mehr als 55.000 Menschen beschäftigt waren. Die US-Gesundheitsbehörde "Centers for Disease Control and Prevention" (CDC) hat festgestellt, dass die meisten Todesfälle auf Krankheiten zurückzuführen waren. "Während des Baus des Kanals in den 1880er Jahren starben mehr als 22.000 Arbeiter aus Frankreich, viele von ihnen an Malaria und Gelbfieber, bevor die Ursachen dieser tropischen Krankheiten bekannt waren."
Experten sehen dabei die Todeszahlen der US-Arbeiter im dreistelligen Bereich: Matthew Parker, Autor des Buches "Hell's Gorge: The Battle to Build the Panama Canal", stellt fest, dass fast alle Menschen, die während der US-amerikanischen Bauzeit starben, aus Barbados kamen. In einem Interview mit der BBC sagte er: "Nur etwa 300 waren Amerikaner." Der inzwischen verstorbene Historiker David McCullough, Autor eines anderen Buches über den Bau des Kanals, schrieb: "Die Zahl der weißen Amerikaner, die ums Leben kamen, betrug etwa 350".