In Corona-Zeiten setzen Studierende auf Kultur
2. November 2020Ein Krimi mit Avataren in 3D-Format; die Fluchtgeschichte eines KZ-Häftlings im April 1945 und die Überlebensgeschichte eines Corona-Patienten: Das waren die drei Filme, die im Mai 2020 den Oscar für den Wettbewerb "Nur 48 Stunden" gewannen. Unter diesem Motto veranstaltet das Studentenwerk der Kieler Universität schon zum 14. Mal den kürzesten Filmwettbewerb in Schleswig-Holstein. 48 Stunden, in denen die Studierenden Zeit haben, unter einem jährlich wechselnden Oberthema eine Geschichte zu skizzieren, sie zu drehen, zu schneiden und zu vertonen.
Obwohl die Gewinnerfilme nicht - wie sonst - in einem Kieler Kino gezeigt werden konnten, haben sich mit 46 eingereichten Beiträgen noch nie so viele Studierende an diesem Projekt beteiligt wie in diesem Jahr. "Wir haben sehr viel Zustimmung bekommen", sagt Thomas Plöger, verantwortlich für den Bereich Kultur im Studentenwerk Kiel.
Viele Kulturprojekte an den Universitäten nur Online
Und das obwohl das Kieler Filmprojekt wie zahlreiche andere universitären Kulturinitiativen ins Internet ausweichen musste. Im November wollte Plöger wieder mit einem kleinen Angebot an Präsenz-Workshops starten, doch auch diese Kurse finden nun wieder nur in Form von Online-Angeboten statt. Schon während des ersten Lockdowns im Frühjahr sei das Interesse der Studierenden an kulturellen Workshops jedoch ungebrochen gewesen.
Die kulturelle Förderung der Studierenden gehört in allen Bundesländern - außer in Hamburg - zu den gesetzlichen Aufgaben der Studenten- und Studierendenwerke.
Diese Einrichtungen gibt es an allen Hochschulstandorten in Deutschland. Sie sind für die soziale Betreuung der Studierenden zuständig. Die Studentenwerke schaffen "die entsprechenden Rahmenbedingungen für die kulturelle Eigeninitiative der Studierenden", erläutert Danja Oste, Referatsleiterin für Kultur beim Deutschen Studentenwerk.
Studentenwerke mit kulturellem Angebot
Wie viele der derzeit 2,5 Millionen Studierenden sich in Deutschland im kulturellen Bereich an den mehr als 300 Hochschulstandorten engagieren, kann man nicht genau sagen. Es gibt keine Erhebungen dazu. Denn nicht alle Studierenden registrieren sich über die Studentenwerke, viele von ihnen werden einfach selber aktiv. Wie zum Beispiel Franka und Leo, die in diesem Frühjahr einen eigenen Podcast für Studierende gestartet haben: "Wir wollen sie aus ihrer Corona-Lethargie herausholen und erzählen ihnen Geschichten zum Nachdenken und Träumen", erläutert Franka, die im ersten Semester Kunstgeschichte in Bonn studiert.
Wer keine eigene Idee für ein Kultur-Projekt hat, kann an einem der Studentenwerke einen Kultur-Workshop besuchen. Dort reicht das Angebot von Urban Gardening über Zeichenkurse, Sprachcafés und Spieleabende bis hin zu größeren Projekten wie Chortreffen, Talentwettbewerben, Theater- und Filmprojekten. Außerdem gibt es Fotolabore, Tonstudios, Theaterbühnen usw., die von den Studierenden genutzt werden können.
Kultur für ganzheitliche Bildung
"Aus Sicht der Studenten- und Studierendenwerke trägt kulturelles Engagement zur ganzheitlichen Bildung der Studierenden bei", sagt Danja Oste überzeugt. "Es ist einfach auch eine Art Kontaktbörse", ergänzt Thomas Plöger. "Das nutzen die Studierenden auch, um sich kennen zu lernen, um Gleichgesinnte zu finden."
Derzeit bereitet man in Kiel schon die 15. Ausgabe des Filmprojekts vor, die wie immer im Mai der Öffentlichkeit präsentiert wird. Wie das Festivals 2021 ausfallen wird, ist noch sehr ungewiss. "Wir sind da flexibel, notfalls werden wir wieder ins Internet ausweichen", gibt sich Thomas Plöger pragmatisch.