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UN-Posten für Annalena Baerbock: mit Beigeschmack

8. September 2025

Die frühere Grünenpolitikerin und deutsche Außenministerin wechselt von Berlin nach New York. Dass sie als Präsidentin die UN-Vollversammlung leiten wird, finden nicht alle gut.

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Annalena Baerbock hat sich nach ihrer Wahl zur Präsidentin der UN-Generalversammlung am 2.Juni 2025 im UN-Plenum erhoben und blickt lächelt in die Runde, die Menschen um sie herum applaudieren
Ganz in Weiß und offenkundig erleichtert: Annalena Baerbock nach ihrer Wahl zur Präsidentin in der UN-Vollversammlung Anfang JuniBild: Richard Drew/AP/picture alliance

Annalena Baerbock auf der großen Weltbühne. Am 9. September wird sie als UN-Präsidentin vereidigt, um dann die sich anschließende 80. Generalversammlung der Vereinten Nationen zu leiten. Bis Anfang Mai, als Friedrich Merz (CDU) zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde, war die 44 Jahre alte Grünen-Politikerin noch oberste Diplomatin Deutschlands. Am 2. Juni wurde sie dann in New York zur neuen Präsidentin der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) gewählt. 

Allerdings erfolgte die Wahl nicht wie üblich einstimmig per Akklamation, sondern in einer geheimen Abstimmung. Die hatte - nach Angaben von Diplomaten - Russland verlangt. Eine kleine Gemeinheit aus Moskau. Als Ministerin hatte Baerbock den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stets heftig und offen kritisiert. Am Ende erhielt sie 167 von 193 möglichen Stimmen in New York. Jetzt tritt sie ihr Amt an. Ihr Bundestagsmandat hat sie niedergelegt.

Ein Posten ohne große Öffentlichkeit 

Ein Jahr lang wird die frühere Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin ihrer Partei die Treffen in New York leiten und vorbereiten. Ein Posten ohne große öffentliche Präsenz ist das. Baerbock wird viele Gespräche hinter verschlossenen Türen führen müssen, über Themen, die in der Vollversammlung besprochen werden sollen.

Bundeskanzler Friedrich Merz spricht auf dem CDU-Landesparteitag Nordrhein-Westfalen In Bonn am 30.August 2025, Im Hintergrund ist unscharf die Motto des Parteitages zu erkennen
"Quälende Debatten um die Dame, die jetzt in New York ist": Kanzler Merz lässt kein gutes Haar an Annalena BaerbockBild: Political-Moments/IMAGO

Im nächsten Jahr wird dann ein neuer Generalsekretär der Vereinten Nationen gewählt. Baerbock wird auch diese Wahl mit vorbereiten, in Zusammenarbeit mit den UN-Botschaftern der 193 Mitgliedstaaten. Der bisherige Generalsekretär António Guterres ist bis Ende 2026 im Amt.

Eine Breitseite des Bundeskanzlers

Aus der alten Heimat Deutschland begleiten die forsche Grünen-Politikerin längst nicht bei allen Politikern gute Wünsche zum Start in New York. Auf dem Landesparteitag seiner konservativen CDU in Nordrhein-Westfalen sagte Bundeskanzler Friedrich Merz, in der neuen Regierung gehörten "quälende Diskussionen" wie in den letzten Jahren "mit einer wie auch immer gearteten Außenpolitik dieser Dame, die sich jetzt in New York einfindet", der Vergangenheit an.

Tatsächlich hatte Baerbock immer wieder gern und offen polarisiert, nicht nur gegenüber Russland, sondern auch gegenüber China. Ein Mitglied der früheren Regierung aus SPD, Grünen und FDP, das lieber anonym bleiben möchte, verriet der DW, es sei schon immer seltsam gewesen, dass "die am wenigsten diplomatische Person, die ich kenne", Außenministerin geworden sein.

Eigentlich für den Posten vorgesehen: Helga Schmid

Auch die Aufstellung der ehrgeizigen Grünen-Politikerin für den UN-Posten war nicht geräuschlos gelaufen: Im März wurde bekannt, dass die alte Minderheits-Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen Baerbock für den Job in New York vorgeschlagen hatte. Es war schon länger bekannt, dass dieser Posten der westeuropäischen Staatengruppe zusteht und Deutschland eine Bewerberin oder einen Bewerber dafür vorschlagen darf. Der damalige Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte Ende März in Berlin, Baerbock sei "hochqualifiziert für den Job". Die Personalie sei auch mit der künftigen Regierung abgesprochen worden, also mit Friedrich Merz als baldigem Bundeskanzler.

Aber eigentlich hatte Deutschland die viel geachtete Diplomatin Helga Schmid dafür vorgesehen. Dies hatte die damalige Regierung im Sommer 2024 gebilligt. Schmid, 1960 geboren, hat im Auswärtigen Amt eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Sie war unter anderem Büroleiterin des früheren Außenministers Joschka Fischer, der von 1998 bis 2005 im Amt war - und ebenfalls von den Grünen kam. Später galt sie als eine der Hauptautorinnen der Atomvereinbarung der EU und weiterer Staaten mit dem Iran, die 2015 erfolgreich abgeschlossen, später aber von US-Präsident Donald Trump in dessen erster Amtszeit aufgekündigt wurde.

Baerbock will jetzt eine einende Kraft sein

Aber dann kam Schmid doch nicht zu Zuge, die Regierung revidierte ihre Entscheidung und schlug Baerbock vor. Die sagte dann nach ihrer Nominierung im März in Berlin: "Als Präsidentin, sollte ich gewählt werden, werde ich allen 193 Mitgliedstaaten dienen, großen wie kleinen. Als ehrliche Vermittlerin. Als einende Kraft. Mit offenem Ohr. Und offener Tür." Und wenig später fügte sie auf ihrer letzten Auslandsreise als Außenministerin auf der dänischen Insel Bornholm hinzu: "Wir sind in einer Situation, in der uns so bewusst ist wie selten zuvor, wie wichtig unsere Verfassung, das Grundgesetz, die europäische Friedensordnung, die Charta der Vereinten Nationen sind." 80 Jahre gebe es die Vereinten Nationen, und ihre Werte müssten jeden Tag verteidigt und hochgehalten werden.

Auf der Party der Grünen nach der Bundestagswahl im Februar 2025 legt Robert Habeck (rechts) einen Arm um Annalena Baerbock
Früher ein vielversprechendes Führungsduo, jetzt aus der deutschen Politik verschwunden: Annalena Baerbock und Robert Habeck nach der Bundestagswahl im Februar 2025 in BerlinBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Die plötzliche Nominierung Baerbocks rief umgehend irritierte Reaktionen hervor. Kritisch gesehen wurde auch, dass die bereits abgewählte und nur noch geschäftsführende Regierung den Posten im Eiltempo vergab. Der frühere Vorsitzende der "Münchner Sicherheitskonferenz" (MSC), Christoph Heusgen, sagte in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel", es sei "eine Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen". Helga Schmid habe zuletzt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Generalsekretärin "vor dem Auseinanderfallen geschützt", so Heusgen, der einige Jahre außen- und sicherheitspolitischer Berater der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war.

Grünes Spitzenduo hat die deutsche Politik verlassen

Annalena Baerbock selbst brachte dann später auf Bornholm gerade ihre Zeit als Deutschlands Außenministerin, vom Dezember 2021 bis zum Mai diesen Jahres, als Vorteil ins Gespräch: "Ich war als Außenministerin sehr viel in der Welt unterwegs. Auch in Regionen, die etwas weiter weg sind, oder im Nahen Osten. Das hätte ich mir bei meinem Amtsantritt auch nicht denken können, dass ich einige Golf-Staaten und arabische Länder öfters besuche als europäische EU-Partner, aufgrund der herausfordernden Situation im Nahen Osten. Das schafft auch mit diesen Ländern nochmal intensivere Verbindungen."

Baerbocks Start fällt in eine Zeit, in der sich auch der frühere Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck aus der deutschen Politik verabschiedet hat. Er legte jetzt sein Bundestagsmandat nieder und lehrt künftig unter anderem am Institut für internationale Studien in Kopenhagen. Baerbock und Habeck waren lange Jahre die beiden prägenden Politiker der Grünen, die sich nun neuen Aufgaben fernab vom politischen Berlin widmen.