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Umweltminister Schneider: Klimaschutz auf leisen Sohlen

4. September 2025

Viel war vom neuen Umweltminister Carsten Schneider (SPD) bislang nicht zu hören. Das ist ganz im Sinne des gebürtigen Ostdeutschen, der dem Klimaschutz leise voran helfen will.

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Umweltminister Carsten Schneider besucht Daimler Truck Werk - Mann sitzt am Steuer eines E-LKW
Viel Spaß beim LKW-Fahren: Umweltminister Schneider dreht auf dem Gelände von Daimler Truck in Wörth bei Karlsruhe ein paar Runden Bild: Christoph Soeder/BMUKN

Das ist ein Termin so recht nach dem Geschmack von Carsten Schneider:  Bei der Firma Daimler Truck in Wörth bei Karlsruhe erfährt der Umweltminister von den Sozialdemokraten, dass sich das Unternehmen auf den Weg in eine nachhaltige Zukunft machen will. Daimler baut in dem riesigen Werk in Rheinland-Pfalz auch schwere Lastkraftwagen mit Elektroantrieb. Noch sind die großen Wagen zweieinhalbmal so teuer wie die klimaschädliche Diesel-Variante. Technisch funktionieren die Trucks einwandfrei und sind weniger reparaturanfällig, wie die Mitarbeiter dem Minister erklären. Und einen Prototyp mit Wasserstoffantrieb gibt es ebenso, wenn auch die Markteinführung noch weit in der Zukunft liegt. Schneider besitzt einen LKW-Führerschein und dreht gut gelaunt ein paar Runden mit dem E-Truck über das Gelände. Und betankt am Ende eigenhändig den Wasserstoff-Prototyp.

"Beim Klimaziel 2045 bleibt es"

Klimaschutz, will er klar machen, hat auch für die neue Regierung von Konservativen und Sozialdemokraten absoluten Vorrang. Der DW sagt Schneider: "Die Regierung hat einen klaren Auftrag aus dem Grundgesetz: Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Das ist auch unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, dem fühle ich mich verpflichtet. Aber auch meine anderen Kolleginnen und Kollegen."

Gegenwind von den Konservativen und Lehren aus der Vergangenheit

Viele Beobachter hatten jedoch seit dem Antritt der Regierung Anfang Mai einen anderen Eindruck: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, wie Kanzler Merz von den Konservativen, ließ erkennen, dass sie das deutsche Ziel der Klimaneutralität bis 2045 für kaum erreichbar hält. Auch der Expertenrat der Bundesregierung denkt ähnlich. Reiche will die lahmende Wirtschaft wieder in Schwung bringen, von allzu teuren Klimaauflagen befreien und neue Gaskraftwerke bauen lassen. Und ab und an liebäugelt sie damit,  wieder Atomkraftwerke in Deutschland zu errichten.

Ministerin Katherina Reiche steht vor einem Aufsteller ihrer Ministeriums und hält einen Vortrag - Frau am Stehpult spricht
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU: Gaskraftwerke und Zweifel an den Klimazielen Bild: Katharina Kausche/dpa/picture alliance

Für all das hat sie offenkundig die Rückendeckung von Bundeskanzler Friedrich Merz. Der Schutz des Klimas ist also kein einfacher Job für Carsten Schneider bei so viel Gegenwind. Entmutigen lassen will er sich aber nicht. Der Sozialdemokrat möchte, das wird deutlich, unaufgeregt und eher im Hintergrund arbeiten, das Thema versachlichen. Unschwer zu erkennen, dass das eine Kritik an der Vorgängerregierung von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen ist. Vor allem die Grünen hatten in Sachen Klimapolitik viel Druck gemacht, was zu Verstimmungen in der Koalition und auch bei vielen Bürgern führte. Es wurde viel und hitzig über die richtige Klimapolitik gestritten. Schneider sagt dazu: "Wir brauchen Entscheidungen, die in die richtige Richtung gehen, und keine öffentlichen Diskussionen, die zu nichts führen. Wir hatten eine hochpolitisierte Debatte in den vergangenen Jahren. Das hat für manche in der Gesellschaft dazu geführt, dass der Klimaschutz zu einem roten Tuch geworden ist. Und da haben sich einige etwa bewusst gegen ein Elektroauto entschieden."

Klimaschutz abgehängt

Tatsächlich hat der Klimaschutz für viele Menschen in Deutschland nicht mehr die allergrößte Wichtigkeit. Der Elan der Klimabewegung "Fridays for Future" ist weitgehend erlahmt. Die Polarisierung der Gesellschaft, die Kriege in Nahost und in der Ukraine ängstigen die Menschen ebenso, wie die marode Infrastruktur und die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft. Da nerven allzu forsche Klimapläne nur. Also will Schneider das Klima und die Umwelt eher auf leisen Sohlen voranbringen. Und die grundsätzliche Ausrichtung etwa beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie verteidigen. Auch wenn Ministerin Reiche schon Bedenken angemeldet hat.

Umweltminister Schneider spricht beim Chemie-Konzern BASF in Ludwigshafen mit dem Chef des Konzern, Markus Kamieth
Nur wenig Platz für den Klimaschutz? Schneider (Mitte) auf dem Dach des BASF-Konzerns in Ludwigshafen im Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden Markus KamiethBild: Christoph Soeder/BMUKN

Besuche beim Winzer und bei BASF

Und deshalb besucht Schneider auf seiner Reise Menschen, Projekte und Firmen, die sich eher leise um das Klima kümmern: Den Winzer Egon Schmitt in Bad Dürkheim etwa, der sich in seinem Weinberg auch um die biologische Vielfalt kümmert. In Zeiten des Klimawandels sucht er nach neuen Wegen, das Wasser zwischen den Rebstöcken zu halten. Und beim Chemie-Riesen BASF in Ludwigshafen spricht der Minister mit dem Vorstandsvorsitzenden Markus Kamieth darüber, wie der Konzern in Zukunft seine Abhängigkeit von der Gasversorgung beenden kann: Mit grünem Strom, gewonnen aus Wind- und Sonnenkraft? Oder entscheidet sich der weltweit größte Chemie-Konzern dafür, die Klimagase, die bei der konventionellen Produktion entstehen, abzuscheiden und in ein Endlager zu bringen? Die neue Regierung will dafür, auch mit Schneiders Unterstützung, bald die  gesetzliche Grundlage liefern. Momentan, so hört der Minister von Kamieth, setzt BASF eher auf die Endlagerung der Klimagase. Alles andere sei zu teuer. Die Konkurrenz vor allem in China schlafe nicht. Es gehe darum, so Kamieth, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz zusammenzubringen. Schneider nickt. So hätte er das wohl auch formuliert.

Umweltminister Carsten Schneider füllt gelesene Weintrauben aus einem Plastikkorb in in ein bereitstehendes Fahrzeug, hinter ihm stehen Journalisten
Bundesminister als Helfer bei der Weinlese: Carsten Schneider auf dem Weingut Schmitt in Bad DürkheimBild: Jens Thurau/DW

Ein erfahrener Strippenzieher mit Ost-Biografie

Klimaschutz mit angezogener Handbremse also? Das würde Schneider so nie sagen. Er weist eher dezent auf seine lange Erfahrung als Parlamentarier hin. Seit 1998 sitzt Schneider im Bundestag und gilt als geschickter Strippenzieher. Er war Staatsminister im Kanzleramt unter dem Vorgänger von Merz, dem Sozialdemokraten Olaf Scholz,  und Beauftragter der früheren Regierung für Ostdeutschland. Auch deshalb weiß er, dass vor allen die in Teilen rechtsextreme "Alternative für Deutschland" (AfD)- besonders stark im Osten - jede Klimaschutzpolitik verteufelt. Und auch gerade im Osten viele CDU-Politiker Deutschlands Weg etwa beim schnellen Ausbau von Wind- und Sonnenenergie für viel zu ambitioniert halten.

Beim Klimaschutz will Schneider auf Gerechtigkeit achten

Von der Politik beschlossen ist ein 500-Milliarden-Euro Programm für die Verbesserung von Infrastruktur und Verteidigung; durch Schulden finanziert. Allein 100 Milliarden Euro aus dem Gesamtpaket sind für Klimaschutzprojekte vorgesehen wie Gebäudesanierung, Ladesäulen für Elektroautos und den umweltfreundlichen Umbau der Industrie. 

Dass dieses Geld gerecht verteilt wird, darauf will Schneider achten. Der DW sagt er: "Treffen wir mit der Unterstützung wirklich die Menschen, die es am meisten brauchen, weil sie nur über geringe Einkommen verfügen? Alleinerziehende etwa mit zwei Kindern, die sich nicht einmal im Jahr einen Urlaub leisten können? Die trifft ein hoher CO-2-Preis besonders hart." Ob Schneiders Weg des Klimaschutzes auf leisen Sohlen sich durchsetzen kann gegen die ehrgeizigen Pläne der forschen Wirtschaftsministerin? Unklar.