Koreaner in der Ukraine: Gemüseanbau und Hilfe für die Armee
12. Februar 2025"Warum wir Koreaner in die Ukraine gekommen sind? Um auf dem Land zu arbeiten! Die Bedingungen hier sind gut für den Gemüseanbau", sagt Olena Pak, eine Bewohnerin der Gemeinde Schewtschenkowe im Süden der Ukraine. Ihre Eltern kamen, wie die Vorfahren ihres Mannes Oleh, der ebenfalls ethnischer Koreaner ist, in den 1970er Jahren aus Usbekistan in die Ukraine. "Sie pachteten staatliches Land, bearbeiteten es und schmiedeten Pläne. Es gab viele koreanische Landarbeiter", erinnert sich Oleh Pak.
In der Region Mykolajiw gibt es seit mehr einem halben Jahrhundert eine der größten kompakten Siedlungen von Koreanern in der Ukraine. Ihr Weg in die Südukraine war lang. Vor allem in den 1950er und 1960er Jahren zogen die Koreaner dorthin, die meisten von ihnen aus Zentralasien, wohin sie in den 1930er Jahren infolge der Deportationen aus dem Fernen Osten der damaligen Sowjetunion gelangt waren. In den Fernen Osten waren viele von ihnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor der japanischen Besetzung Koreas geflohen.
Muttersprache und Kimchi-Herstellung
Die Eheleute Pak haben ukrainische Pässe und Vornamen, beherrschen aber ihre Muttersprache Koreanisch nach wie vor gut. Ihre Familien haben zu Hause immer Koreanisch gesprochen, auch die Tradition der Kimchi-Herstellung, einer koreanischen Speise aus Kohl, pflegen sie bis heute. "Das wird von Generation zu Generation weitergegeben, ohne Kimchi hätten wir keinen einzigen Winter überlebt", sagt Olena.
Die Familie arbeitet, wie ihre Vorfahren, in der Landwirtschaft. In den 2000er Jahren erweiterte sie ihr Geschäft und begann, in drei Gewächshäusern Gemüse anzubauen. Doch als Russlands umfassender Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, verlor sie fast alles. Die Hälfte der Gemeinde war im Jahr 2022 neun Monate lang unter russischer Besatzung, und die andere Hälfte in der Schusslinie. Nur noch ein Gewächshaus der Paks ist erhalten, in dem sie heute weiterhin Kräuter und Gemüse anbauen.
In ihrer Freizeit engagiert sich Olena Pak ehrenamtlich. Sie geht jeden Tag ins örtliche Kulturzentrum, um Tarnnetze für die ukrainische Armee zu weben. "Wir wollen nicht weg, wir fühlen uns hier heimisch, das ist unser Zuhause und unser Land", betont sie.
Nach Südkorea und zurück in die Ukraine
Rund ein Drittel der Familien koreanischer Abstammung hat die Gemeinde verlassen, da bei den Kämpfen das Land vermint und viele Häuser zerstört wurden. Einige der ethnischen Koreaner gingen im Rahmen von Freiwilligen-Programmen nach Südkorea. Doch inzwischen sind einige von ihnen wieder zurück in Schewtschenkowe, darunter die Familie Kogai, die zunächst nach Seoul geflüchtet waren.
Dort besuchte die 12-jährige Ksenia Kogai eine Schule und begann die Landessprache zu lernen. Doch das Mädchen wollte ebenso wie ihre Mutter nicht in Südkorea bleiben. "Ich wollte zurück, weil mir klar ist, dass dies hier unsere Heimat ist und ich will auch nicht mehr weg von hier", sagt die Schülerin.
Das Haus der Familie Kogai wurde 2022 durch Bomben zerstört und vorerst leben sie in einem Gartenhaus. Traditionell bleibt bis zum Frühjahr im Haus ein Tannenbaum stehen, denn die Familie feiert das koreanische Neujahrsfest Ende Januar, so wie sie es von ihren Vorfahren beigebracht bekommen hat.
Ksenias Mutter wurde in der Region Mykolajiw geboren - als Tochter eines Koreaners und einer einheimischen Ukrainerin. 1975 haben sie geheiratet. Damals, sagt Aljona Kogai, waren die Koreaner für die Bewohner der Gemeinde noch etwas Ungewöhnliches, sodass die Leute aus verschiedenen Dörfern zur Hochzeit kamen, um sich den koreanischen Bräutigam anzusehen.
"Ich bin hier zur Schule gegangen und habe allen meinen Klassenkameraden immer gesagt, ich würde niemals einen Koreaner heiraten. Aber das Schicksal hat es anders gewollt", erinnert sich Aljona Kogai lächelnd. Ehen mit Koreanern seien in Schewtschenowe inzwischen alltäglich, sagen Aljona und ihr Mann Leonid Kogai.
Die Familie Kogai hätte sich nie vorstellen können, dass einer ihrer Angehörigen sich statt für die Landwirtschaft, für den Militärdienst entscheiden würde. Im Jahr 2022 ging Aljonas Bruder Serhij erstmals zur Territorialverteidigung der Region Mykolajiw. Derzeit kämpft er in den Streitkräften der Ukraine an der Front in der russischen Region Kursk.
Auf der anderen Seite der Front, in der russischen Armee, dienen auch Koreaner, aber aus Nordkorea. Darüber ist die Familie des Soldaten empört. "Sie kommen auch aus Asien, unterscheiden sich aber grundlegend von den Südkoreanern, als wären sie Zombies", erzählt Aljona Kogai.
Ethnische Koreaner fühlen sich als Ukrainer
Einige ethnische Koreaner aus Schwetschenkowe hatten sich während der russischen Besatzung den ukrainischen Partisanen angeschlossen. Sie hätten die Streitkräfte der Ukraine in den ersten Monaten der umfassenden russischen Invasion tatkräftig unterstützt, betont Dorfvorsteher Oleh Pylypenko.
Auch Oleksandr Hwan half der ukrainischen Armee, als diese im Frühjahr 2022 in der Defensive war. Sein Haus wurde damals schnell zu einem Hospital mit ukrainischen Militärärzten umfunktioniert. Außerdem errichteten die ukrainischen Soldaten in seinem Hof eine Art Bunker. Heute zeigt er traurig seinen Bauernhof und beklagt, dass nichts verschont geblieben sei.
Trotz all seiner Kriegserlebnisse will Oleksandr Hwan Schewtschenkowe aber nicht verlassen. "Ich könnte irgendwohin fliehen, aber ich möchte mein Eigentum hier behalten. Ich bin nach dem damaligen sowjetischen Wehrdienst hierher gekommen, habe mir eine Existenz aufgebaut und eine Familie gegründet", sagt er.
Die meisten einheimischen Koreaner bezeichnen sich selbst als Ukrainer koreanischer Abstammung, so auch der Leiter der Verwaltung der Region Mykolajiw, Witalij Kim. Die jüngere Generation spricht fließend Ukrainisch, was die Lehrer der örtlichen Schule, die Kinder mit Nachnamen wie Zoi, Li, Kim oder Hagai besuchen, bestätigen.
Lehrerin Lilia Kusewitsch sagt, dass die ethnischen Koreaner sogar sehr gute Noten in Ukrainisch hätten. "Zum Beispiel hat Elisaweta Zoi bei der Prüfung die Höchstzahl von Punkten erreicht. Es sind sehr fleißige Kinder", sagt sie.
Ein Fünftel der Schüler in Schewtschenkowe sind ethnische Koreaner. Da das Schulgebäude durch die russischen Angriffe beschädigt wurde, kann derzeit nur Fernunterricht über das Internet erteilt werden. Einige Schüler befinden sich sogar in anderen Städten und im Ausland.
Auch wenn viele junge Menschen das Dorf verlassen haben, hoffen die in Schewtschenkowe heimischen Koreaner, dass es ihnen gelingt, gemeinsam mit den Ukrainern ihre Häuser wieder aufzubauen und die Gemeinde wiederzubeleben.
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk