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Türkei: Zwei Investigativjournalisten wieder auf freiem Fuß

11. April 2025

In Istanbul sind zwei regierungskritische Reporter aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden - unter einer Auflage. Sie berichteten zuletzt über den populären inhaftierten Bürgermeister Imamoglu.

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Türkei | Timur Soykan und Murat Ağırel
Vorerst wieder auf freiem Fuß: Timur Soykan (l.) und Murat AğırelBild: ANKA

Die türkischen Journalisten Timur Soykan und Murat Agirel waren am Donnerstag in der Metropole Istanbul von Polizisten abgeführt worden. Die Anschuldigungen lauten: Verdacht auf Erpressung und Bedrohung. Unter der Auflage, "nicht zu verreisen", sind die beiden nun wieder freigelassen worden, wie die Tageszeitung "Cumhuriyet" berichtet. 

"Einem Skandal auf der Spur"

"Wir wurden großer Ungerechtigkeit ausgesetzt", sagte Soykan vor Kollegen. "Aber wir sind froh, dass wir nicht ins Gefängnis geschickt wurden." "Wir haben nur unsere Arbeit als Journalisten gemacht," führte er weiter aus. Mit ihren Recherchen seien sie "einem Skandal auf der Spur" gewesen. Die oppositionellen Zeitungen "Birgün" und "Cumhuriyet", für welche die beiden Journalisten arbeiten, verurteilten die Festnahmen.

Soykan und Agirel sind in der Türkei für ihre investigativen Recherchen bekannt. Sie haben mehrere Bücher über mutmaßliche Beziehungen zwischen der Mafia und staatlichen Institutionen geschrieben. Sie waren auch schon mehrfach mit Gerichtsverfahren konfrontiert.

"Unregelmäßigkeiten bei den Ermittlungen gegen Imamoglu"

Zuletzt berichteten die Journalisten kritisch über das Vorgehen der Behörden gegen den inhaftierten und abgesetzten Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu. Sie prangerten Unregelmäßigkeiten bei den Ermittlungen an.

Imamoglu von der sozialdemokratischen Partei CHP gilt als größter innenpolitischer Rivale des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er war am 19. März festgenommen worden. Später ordnete ein Gericht Untersuchungshaft wegen Korruptionsvorwürfen an. Imamoglu weist die Vorwürfe zurück. Er ist derzeit im Marmara-Gefängnis in Silivri in der Provinz Istanbul inhaftiert.

Sicherheitskräfte haben die Zufahrt zum Silivri-Gefängnis abgeriegelt
Sicherheitskräfte haben die Zufahrt zum Silivri-Gefängnis abgeriegelt, wo an diesem Freitag die Anhörung zu einem ersten Verfahren gegen Ekrem Imamoglu begannBild: Francisco Seco/AP Photo/picture alliance

Prozessauftakt in Silivri

An diesem Freitag begann ein erstes Verfahren gegen Imamoglu - wegen des Vorwurfs der Bedrohung eines Staatsanwalts. Imamoglu erschien persönlich in Silivri vor Gericht. "Ich bin immer jemand, der versöhnt", sagte der 54-Jährige in der Verhandlung, wie das Blatt "Cumhuriyet" meldet. "Ich bin hier, weil ich die Wahlen in Istanbul dreimal gewonnen habe", fügte Imamoglu hinzu. 

Ein Anwalt von Imamoglu kritisierte, dass der Prozess nicht wie geplant im Istanbuler Gerichtsgebäude stattfindet, sondern ins abgelegene Silivri verschoben wurde. Durch die Entfernung und schwierigere Zugangsbedingungen in Silivri werde gegen das grundsätzliche Öffentlichkeitsprinzip eines Verfahrens verstoßen, erklärte er.

SPD-Politikerin Midyatli spricht in der DW von Hinhaltetaktik der türkischen Behörden

Die deutsch-türkische SPD-Politikerin Serpil Midyatli, die auch stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten ist, sprach von einer Hinhaltetaktik der Behörden in der Türkei. In einem Gespräch mit der Deutschen Welle wies Midyatli darauf hin, dass es noch immer keine Anklageschrift gegen Imamoglu gebe. Man versuche, die Opposition im Volk und auch die CHP "mürbe zu machen".

Serpil Midyatli vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin
Serpil Midyatli (Archivbild vom März) Bild: dts Nachrichtenagentur/picture alliance

Es sei schon mehr als ein Indiz, dass es keine Unabhängigkeit der Justiz gebe, führte sie im DW-Interview weiter aus.

Midyatli war Anfang April mit einer Delegation in die türkische Hauptstadt Ankara gereist, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen.

Proteste gegen Erdogan – wohin steuert die Türkei?

Die Festnahme Imamoglus hatte die größte innenpolitische Krise in der Türkei seit Jahren ausgelöst. Hunderttausende Menschen gingen aus Protest auf die Straße.

Mehrere türkische, aber auch ausländische Journalisten wurden festgenommen. Zudem kamen Hunderte Demonstranten, darunter Studenten, in Polizeigewahrsam.

se/sti (dpa, afp, dw, ard)