TV-Duell: Scholz und Merz streiten über Asyl und AfD
10. Februar 2025Viel deutsche Innenpolitik, einige Minuten zum Ukraine-Krieg und dem Umgang mit US-Präsident Donald Trump - das waren die Themen im ersten TV-Duell von Olaf Scholz und Friedrich Merz. 90 Minuten dauerte der Schlagabtausch, der parallel zur besten Sendezeit in den beiden öffentlich-rechtlichen TV-Kanälen übertragen wurde. Die Journalistinnen Sandra Maischberger (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) stellten die Fragen.
Für den amtierenden Bundeskanzler und seine SPD könnte die Lage kaum dramatischer sein. Die Bundestagswahl am 23. Februar rückt unerbittlich näher, doch egal was passiert, die Sozialdemokraten hängen wie zementiert im Umfrage-Tief. 15 bis 17 Prozent sagen ihnen die Demoskopen derzeit voraus. Mit mehr als 25 Prozent hatten sie die letzte Bundestagswahl im September 2021 gewonnen.
Für Olaf Scholz geht es bei der Wahl um nicht weniger als seine politische Zukunft. Nur wenn die SPD auf Platz eins landet, bleibt er Politiker. Gewinnt der 69-jährige Friedrich Merz, geht Scholz mit seinen 66 Jahren wohl in Rente.
Die Union hat die Nase deutlich vorn
Die Union aus CDU und CSU liegt in den Umfragen mit rund 30 Prozent in Führung. Daran hat sich auch nichts geändert, nachdem die beiden Schwesterparteien im Bundestag erstmals auf die Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD setzten, um zwei Vorhaben zur Verschärfung der Migrationspolitik durchzusetzen.
Für Olaf Scholz aber war das ein "Tabubruch" und ein "Wortbruch". Diese Vorwürfe wiederholte er in der Sendung. Ein jahrzehntelanger Grundkonsens zwischen den Parteien der demokratischen Mitte sei beendet worden, niemals etwas mit Rechtsextremen gemeinsam zu machen. "Wir haben letztes Jahr von Herrn Merz gehört, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben soll - und jetzt hat es eine gegeben." Man könne sich nicht sicher sein, ob Merz nicht auch in Zukunft mit der AfD zusammenarbeiten werde.
Die Union und die AfD "trennen Welten"
Eine Sorge, die laut Meinungsforschern nicht wenige Bürger teilen. Immer wieder hat es in den letzten Tagen große Demonstrationen gegen einen Rechtsruck in Deutschland gegeben. Allein in München versammelten sich mehr als 250.000 Menschen.
Friedrich Merz versuchte in der Sendung noch einmal, die Sorgen zu zerstreuen. Es werde keine Zusammenarbeit geben. "Uns trennen in den Sachfragen Welten: Was Europa betrifft, die Nato betrifft, den Euro betrifft, Russland betrifft, Amerika betrifft - es gibt keine Gemeinsamkeiten zwischen AfD und Union, in keiner Koalition, in keiner Duldung."
Harte Haltung beim Thema Asyl
Doch Merz bleibt dabei, dass er die Migrationspolitik verschärfen will. Dazu gehören dauerhafte Grenzkontrollen zu den Nachbarländern und Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze. Das sei ein nationaler Alleingang, konterte Scholz. "Ich weiß nicht, warum man so doof sein soll?" Dies setze in der EU aufs Spiel, was Deutschland mit der Einigung auf die europäische Asylreform gerade erreicht habe - und dies für eine Politik, die ohnehin wieder vom Europäischen Gerichtshof und von den Verwaltungsgerichten kassiert werde.
Merz erwiderte, dass die Zurückweisung auch von Asylbewerbern laut Grundgesetz möglich sei. "Wir bekommen für meinen Kurs in dieser Frage eine sehr große Zustimmung in der Bevölkerung, die Umfragen steigen - also, es kann nicht alles so ganz falsch gewesen sein." Es habe "Hunderte neue Eintritte" in die CDU gegeben.
"Fritze Merz erzählt Tünkram"
Merz und Scholz - nicht nur optisch sind sie verschieden: Der knapp zwei Meter große konservative Oppositionsführer und der fast 30 cm kleinere Sozialdemokrat. Die beiden haben sich noch nie gemocht und verbal nie etwas geschenkt. "Sie können es nicht", hat Merz Scholz mehr als einmal im Bundestag entgegengeschleudert. Das Auftreten des Kanzlers sei "peinlich", er sei nicht mehr als ein "Klempner der Macht". Scholz wiederum nannte Merz kürzlich despektierlich "Fritze Merz", der "Tünkram" erzähle, was norddeutscher Dialekt ist und so viel wie "Unsinn" heißt.
Wie es angesichts solcher verbalen Angriffe um den Respekt voreinander stehe, wurden Scholz und Merz zu Beginn der Sendung gefragt. "Ich habe dem Bundeskanzler diese Worte nicht übelgenommen und ich gehe umgekehrt davon aus, dass er das bei mir auch nicht tut", antwortete Merz. "Ich glaube, es gehört schon dazu, dass wir uns auch auseinandersetzen", antwortete Scholz.
Was wird aus der Schuldenbremse?
Eine sachliche Auseinandersetzung gab es in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Die SPD will die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse lockern. Anders seien die hohen Ausgaben für Investitionen und Militärausgaben in den kommenden Jahren nicht zu leisten. Sollte der Verteidigungsetat deutlich über zwei Prozent angehoben werden müssen, müssten ansonsten die Steuern erhöht werden, wie in anderen europäischen Nachbarstaaten, warnte Scholz.
Die Union will die Mehrausgaben hingegen mit Wirtschaftswachstum bewältigen - und durch eine Reform des Bürgergeldes. Wenn es gelinge, nur 400.000 Menschen aus der Sozialleistung in Arbeit zu bringen, ließen sich sechs Milliarden Euro im Haushalt einsparen, sagte Merz.
Wird Trump Strafzölle gegen die EU verhängen?
Während die innenpolitische Auseinandersetzung weitgehend kontrovers verlief, zeigten sich in der Außenpolitik durchaus Übereinstimmungen. Sowohl der Kanzler als auch sein Herausforderer plädierten für eine entschlossene europäische Antwort, sollte US-Präsident Donald Trump die EU mit Strafzöllen überziehen wollen.
Die Bundesregierung sei vorbereitet, so Scholz auf die Frage, ob die EU bereits Listen mit möglichen Strafzöllen auf US-Produkte vorbereitet habe: "Wir können in einer Stunde handeln."
Deutschland will die Ukraine weiter unterstützen
Unions-Kanzlerkandidat Merz sprach sich erneut für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus. Das Land hätte von Anfang an stärker militärisch unterstützt werden müssen, so Merz. Scholz sagte, entscheidend für die Sicherheit der Ukraine nach einem Waffenstillstand sei zunächst der Aufbau einer eigenen schlagkräftigen Armee.
Beide Politiker betonten übereinstimmend, dass die Ukraine sich weiterhin auf Unterstützung durch Deutschland verlassen könne. Ein Beitritt der Ukraine zur Nato stehe derzeit aber nicht auf der Agenda.
Mit wem will die Union nach der Wahl regieren?
Natürlich wurde Friedrich Merz als derzeit aussichtsreichster Kanzlerkandidat in der Sendung auch zu möglichen Koalitionen gefragt. Da die Unionsparteien absehbar keine absolute Mehrheit erreichen dürften, sind sie auf Partner angewiesen. Merz kann sich sowohl Gespräche mit der SPD als auch mit den Grünen vorstellen.
Voraussetzung sei aber, dass eine Politik vereinbart werde, die ein weiteres Erstarken der AfD verhindere. Linke Politikansätze, die zu einer Stärkung dieser Partei geführt hätten, werde er nicht mittragen, sagte Merz. Das heiße, "alle diejenigen, die mit uns regieren wollen, werden sich bewegen müssen hin zur politischen Mitte".
Nach der Sendung sagte Merz in einer Nachbefragung auf dem Streaming-Portal Twitch: "Wir müssen nach dem 23. Februar vernünftig miteinander reden und die Lösung der Probleme in Deutschland herbeiführen. Und wenn wir das schaffen, bin ich sehr zufrieden."
Scholz oder Merz? Wer ist der Sieger des TV-Duells?
In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen nach dem TV-Duell sahen 37 Prozent in Olaf Scholz den Sieger des Duells, 34 Prozent votierten für Friedrich Merz. 29 Prozent sahen keinen Unterschied.
Die Kandidaten selbst zeigten sich nach der Sendung zufrieden. Die Diskussion sei wichtig und notwendig gewesen. Von einer "Lehrstunde für die Demokratie" sprach Merz. Scholz ergänzte: "Es ist ja Demokratie, dass man sich über seine unterschiedlichen Haltungen austauscht und ich glaube, ich habe ganz gute Punkte machen können."