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PolitikAfrika

Togos "Verfassungs-Putsch" als Blaupause für Autokraten

Martina Schwikowski
6. August 2025

Faure Gnassingbé hat seine Macht zementiert, indem er einen neuen Posten schaffen ließ. Dieser Schritt könnte bei den Langzeitherrschern Afrikas Nachahmer finden - erst recht im aktuellen politischen Klima.

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Togo Kara 2020 | Präsident Gnassingbé gibt Stimme bei Präsidentschaftswahl ab
Togos Präsident Faure Gnassingbé - hier nach seiner letzten Stimmabgabe zur Wahl 2020 - ernannte sich zum Ministerpräsidenten auf Lebenszeit Bild: Pius Utomi Ekpei/AFP

Anfang Mai hat Faure Gnassingbé seinen Posten geräumt: Neuer Präsident in Togo ist seitdem Jean-Lucien Savi de Tové. Doch das bedeutet nicht, dass Gnassingbé von der Macht gelassen hätte: Er selbst ist jetzt Präsident des per Verfassungsänderung neu geschaffenen Ministerrats. Das formelle Staatsoberhaupt des kleinen westafrikanischen Landes hat nunmehr nur noch repräsentative Funktionen, die vorherige Machtfülle ist auf Gnassingbés neuen Posten übergegangen.

Die Opposition und Bürgerrechtler sprechen von einem "Verfassungs-Putsch" - denn der Präsident des Ministerrats wird nicht vom Volk gewählt, sondern von der stärksten Fraktion im Parlament bestimmt. Dort hält Gnassingbés Partei UNIR eine mehr als komfortable Mehrheit. Amtszeitbeschränkungen gibt es keine. Mit dieser Rochade könnte Gnassingbé also unbegrenzt regieren, ohne sich jemals wieder einer direkten Wahl zu stellen.

Familiendiktatur bleibt bestehen

Auch wenn das Parlament die Verantwortung trage, sei es dennoch die Familie, die die Kontrolle über alles habe, betont Pape Ibrahima Kane, Direktor der Open Society Initiative for West Africa (OSIWA) in Dakar. "Das ist das größte Problem, denn die jüngsten Unruhen im Land hatten nicht nur mit der Verhaftung von Menschen zu tun, sondern einfach damit, dass die Menschen diese Familie satt haben, die das Land seit mehr als 50 Jahren kontrolliert", sagt er zur DW. 

Barrikaden brennen unter dichter Rauchentwicklung auf einer Straße
Aufgebrachte Demonstranten in der Hauptstadt Lomé setzten bei Protesten gegen Langzeitherrscher Faure Gnassingbé Barrikaden in BrandBild: Alice Lawson/REUTERS

Die togolesische Regierung habe gegen die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung verstoßen, fügt Kane an. Die Charta ist 2007 von Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union verabschiedet worden und trat 2012 in Kraft. In dem Dokument selbst wird unter anderem das Ziel ausgegeben, mithilfe regelmäßiger freier und fairer Wahlen repräsentative Regierungen zu legitimieren und demokratische Machtwechsel zu ermöglichen.

Die Charta hatte bislang jedoch keine Folgen für die Machtverhältnisse in Togo - die Familie Gnassingbé regiert das Land seit 58 Jahren. Faure Gnassingbé übernahm 2005 die Macht von seinem Vater, Gnassingbé Eyadéma, der fast vier Jahrzehnte lang regiert hatte. Mit seinem jüngsten Schritt hat er seine Macht weiter konsolidiert.

"Es besteht kein Zweifel, dass dies ein schreckliches Ergebnis für die togolesische Bevölkerung ist", sagt Fredson Guilengue, Projektmanager bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg, Südafrika. Die Stiftung steht der deutschen Oppositionspartei Die Linke nahe.

Bürger verlieren an Einfluss

Doch Faure Gnassingbé könnte nur der erste Staatschef in Afrika sein, der durch einen Winkelzug per Verfassung seine dauerhafte neue Position als Premierminister ohne Wahl und damit seine Dynastie gegen den Willen des Volkes aufrecht erhält, glauben politische Beobachter.

Der togolesische Menschenrechtsanwalt Esso-Dong Divin Aymard Kongah sagt im DW-Gespräch: "Es ist eine beunruhigende Wahrheit, dass dies andere Staatschefs zu Verfassungsänderungen inspirieren wird, um sich an der Macht zu halten. Dies ist ein besorgniserregender Trend in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte, denn es verengt den zivilgesellschaftlichen Raum. Die Menschen haben immer weniger Einfluss auf die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten." 

Uniformierte Einsatzkräfte an einem Auto der Gendarmerie in den Straßen der Hauptstadt Lomé
Der Raum für bürgerliches Engagement schwindet - nach Protesten ist die togolesische Gendarmerie im Einsatz, um die Lage im Land zu stabilisierenBild: AFP

Auch andernorts schrecken Langzeitherrscher vor einer beliebigen Verlängerung ihrer Amtszeit nicht zurück: In der zentralafrikanischen Republik ließ Präsident Faustin-Archange Touadéra die Verfassung ändern, um bei den Wahlen Ende 2025 für eine dritte Amtszeit antreten zu können.  In Uganda will sich Präsident Yoweri Museveni im Januar 2026 zum siebten Mal mit 80 Jahren wiederwählen lassen. Paul Biya in Kamerun sieht auch mit 92 Jahren keinen Grund, abzutreten: Der älteste Präsident der Welt will für eine achte Amtszeit kandidieren - zu deren Ende er 99 Jahre alt wäre.

Greise bleiben an der Macht

In der benachbarten Republik Kongo regiert Denis Sassou-Nguesso seit 41 Jahren. Und in der Elfenbeinküste wählen die Bürger im Oktober 2025 einen neuen Präsidenten: Der 83-jährige Amtsinhaber Alassane Quattara verkündete gerade seine Kandidatur - zum vierten Mal, dank einer verfassungsrechtlichen Änderung, die er 2016 selbst angestoßen hat.

Der weltweit am längsten regierende Staatschef lebt in Äquatorial-Guinea, dort ist der ebenfalls 83 Jahre alte Diktator Teodoro Obiang Nguema seit 1979 Präsident.

Der ungetrübte Machtwille wird mit harter Unterdrückung der Opposition in den jeweiligen Ländern ausgeübt. Wenn jüngere Generationen einen politischen Wandel einfordern, werden Proteste für gewöhnlich gewaltsam niedergeschlagen. In Togo haben der Verfassungsumbau und eine umstrittene Lokalwahl viele Demonstranten auf die Straßen getrieben, die den Rücktritt der Regierung forderten. Mindestens sieben Menschen wurden getötet. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung seit Jahren vor, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlung massiv einzuschränken.

Gefahr: Eine zunehmend polarisierte Welt

Fredson Guilenge von der Rosa-Luxemburg-Stiftung spricht von einem "Risiko der Selbstermächtigung": Die Vorgänge in Togo könnten etwa die Juntas in der Sahelzone dazu anstiften, ihre Macht auf ähnliche Weise zu festigen. Zwischen 2020 und 2023 gab es sechs Militärputsche in Westafrika; insbesondere in Mali, Niger und Burkina Faso haben sie größere geopolitische Verwerfungen ausgelöst, weil die neuen Machthaber lieber mit Russland zusammenarbeiten als mit der Ex-Kolonialmacht Frankreich.

Mali Bamako 2025 | Demonstrationen pro und contra Regierungsjunta nach Aufhebung der Parteiencharta
In Mali protestieren oppositionelle Parteien gegen eine Parteienverbot. Junta-Chef Assimi Goita sicherte sich eine fünfjährige Amtszeit ohne WahlBild: AFP

Zwar haben die Militärregime in den betroffenen Ländern einen Übergang zurück zur demokratisch legitimierten zivilen Regierungen in Aussicht gestellt. Regionale Dialoge zur Stabilisierung der Länder hätten jedoch nichts bewirkt, bemängelt Guilengue. So gewährte sich in Mali Junta-Chef Assimi Goita im Juli ein fünfjähriges Präsidialmandat, das ohne Wahl verlängert werden kann.

Solche Schritte könnten nun auch zivilen Langzeitherrschern - etwa in Uganda, Ruanda oder Äquatorial-Guinea - verlockend erscheinen, fürchtet Guilengue. Er schränkt jedoch ein: "Das Risiko, dass dies zu einem Trend auf dem Kontinent wird, variiert. Einige Länder haben starke Verfassungen, während in anderen Ländern der Wunsch der Herrscher, an der Macht zu bleiben, durchaus umsetzbar ist."

Eine Gefahr für den demokratischen Liberalismus ist laut Guilengue auch der aktuelle globale Kontext, der eine Schwächung der multilateralen Institutionen widerspiegelt: "Angesichts dieser schwachen Institutionen und einer zunehmend polarisierten Welt könnten Politiker wie der togolesische Präsident sich entschließen, ihre Machtposition zu festigen und ohne großen Druck undemokratische Entscheidungen zu treffen", sagt er.

Guilengue sorgt sich vor politischen Unruhen: "Es könnte zu weiteren Protesten auf den Straßen einiger afrikanischer Länder kommen, in denen die Staatschefs die Demokratie nicht respektieren."

Mitarbeit: Silja Fröhlich