Thomas Mann: Ein Deutscher in Amerika
Thomas Mann verließ Deutschland, als die Nazis an die Macht kamen. Sein Exil führte ihn bis in die Vereinigten Staaten. Wie hat er die 14 Jahre in den USA erlebt? Eine Spurensuche zum 150. Geburtstag.
"Wo ich bin, ist Deutschland"
Als Thomas Mann 1938 sein Schweizer Exil gegen die USA eintauschte, war er längst ein weltbekannter Schriftsteller, Nobelpreisträger und bestens vernetzt. Schon bei seiner Ankunft sagte er einem Reporter: "Wo ich bin, ist Deutschland! Ich trage meine Kultur in mir!" Die Familie Mann lebte zunächst in Princeton und ab 1941 in Los Angeles.
Amerikanisches Exil mit Muße
Feiner Anzug, Krawatte, weiße Schuhe - der Schriftsteller aus Deutschland hielt auf Konventionen und blieb seinem Stil treu, selbst in Momenten wie diesen, als er mit seiner Frau Katia und den Töchtern Erika und Monika auf der Terrasse seines Hauses in Pacific Palisades bei Santa Monica entspannte. Die Zeit im USA-Exil sollte Manns produktivste Schaffensperiode werden.
Im schönsten Arbeitszimmer der Welt
In LA vollendete Thomas Mann 1943 seinen Roman-Zyklus "Joseph und seine Brüder". Im "schönsten Arbeitszimmer, das ich je hatte" entstand bis 1947 auch der "Doktor Faustus“, eine fiktive Künstler-Biographie, in der ein Komponist seine Seele an den Teufel verkauft und darüber zugrunde geht - so wie Deutschland am Wahnsinn des Nationalsozialismus. Thomas Mann hatte schon früh vor den Nazis gewarnt.
Thomas Mann - Pionier des Homeoffice?
Jeden Morgen schrieb Mann drei Stunden lang. Es folgten Mittagessen, Nickerchen, Teestunde, dann Korrespondenz, Abendessen, schließlich Lesestunden - auch für die Familie. Vor Mitternacht ging er ins Bett. Im Tagebuch beklagt er sich über das nicht geschaffte "Pensum", übers Verschlafen, zu lange Nachtlektüre. War er ein Pionier des Homeoffice?
Drei Filme, aus denen nichts wurde
Als deutscher Intellektueller war Thomas Mann in den USA ein kultureller Superstar. Er schrieb viel und mischte sich auch politisch ein. Bei unzähligen Vortragsreisen schüttelte er mehr Hände als jeder andere, in der politischen ebenso wie in der akademischen Welt. Auch mit Studio-Bossen in Hollywood verkehrte er. Drei Filmprojekte waren angedacht, am Ende wurde keines realisiert.
Wie der Alte, so die Jungen
Thomas Mann zum (Über-)Vater zu haben, war für seine sechs Kinder nicht einfach. Sie wuchsen in einer fast herrschaftlichen Münchener Villa auf - bis zur unfreiwilligen Emigration aus Deutschland im Jahr 1933. Ausnahmeerscheinungen waren sie alle, und auch schriftstellerisch tätig. Ein inniges Verhältnis pflegten die Erstgeborene Erika und ihr Bruder Klaus (Bild).
Treffpunkt der deutschen Exilanten
Auch der Schriftsteller Lion Feuchtwanger musste Deutschland verlassen. Der Autor der Romane "Jud Süß" und "Erfolg" galt als "Volksverräter". 1943 zogen die Feuchtwangers nach Los Angeles und bewohnten die Villa Aurora gleich neben den Manns. Sie wurde zum Treffpunkt der deutschsprachigen Exilanten und ihrer amerikanischen Freunde. Heute arbeiten hier deutsche Stipendiaten.
Susan Sontag bei Thomas Mann
"Interview mit drei Chicagoer Studenten“ lautete Thomas Manns Plan für den 28. Dezember 1949 - unter ihnen die 16-jährige Susan Sontag, später eine der einflussreichsten Intellektuellen Amerikas. Mann bat den Besuch in sein Arbeitszimmer. Es gab Tee und Kekse. Er lauschte höflich distanziert ihren Fragen. Hinterher war Sontag mäßig begeistert, der Zauberberg aber blieb das "Buch ihres Lebens".
Kämpfer für das bessere Deutschland
Thomas Mann, Ehefrau Katja (M.) und Tochter Erika reisen ab. Sie haben genug vom zunehmend engen geistigen Klima in den USA. Denn Mann, mittlerweile US-Bürger, ist unter Kommunismus-Verdacht geraten und muss sich vor einem Ausschuss für "antiamerikanische Umtriebe" verantworten. Der politische Kämpfer für ein besseres Deutschland kehrt 1952 in die Schweiz zurück, wo er drei Jahre später stirbt.
"Thomas Mann House" öffnet wieder
Zehn Jahre - bis 1952 - haben der Nobelpreisträger und seine Familie in dem Gebäude in Pacific Palisades, einem Stadtteil LAs, gelebt. Der Deutsche Staat erwarb die Immobilie im Jahr 2016. Seit 2018 ist sie ein Begegnungsort für Wissenschaftler und Intellektuelle. Sechs Monate nach den verheerenden Waldbränden in Los Angeles nimmt das "Thomas Mann House" jetzt seinen regulären Betrieb wieder auf.