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PolitikThailand

Thailand schiebt Uiguren ab: Punkte sammeln in Peking?

26. März 2025

Die jüngste Abschiebung von mehr als 40 uigurischen Geflüchteten aus Thailand hat weltweite Empörung ausgelöst und Fragen zu Bangkoks geopolitischer Positionierung zwischen China und dem Westen aufgeworfen.

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Thailand Bangkok | Thailand dementiert Rückführung von 48 Uiguren nach China
Polizisten betreten ein Immigrationszentrum in Bangkok. Thailand hat mehr als 40 Uiguren nach China abgeschoben und erntet international KritikBild: CHANAKARN LAOSARAKHAM/AFP/Getty Images

Nach diplomatischen Manövern, die sich über Wochen hinzogen, und zweideutigen Erklärungen haben die thailändischen Behörden im vergangenen Monat eine Gruppe von mehr als 40 Uiguren nach China abgeschoben. Es steht zu befürchten, dass den Männern nach ihrer Ankunft Verfolgung, willkürliche Inhaftierung oder Schlimmeres drohen würden.

Im Vorfeld der jüngsten Abschiebungen hatte das US-Außenministerium mehrmals vor diesem Schritt gewarnt und Bangkok aufgefordert, seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. "Die Abschiebung verstößt gegen das im Völkerrecht verankerte Prinzip, Menschen nicht in Länder zurückzuschicken, in denen sie schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind", heißt es dazu in einer Erklärung vom 27. Februar, dem Tag der Abschiebung. Verschiedene Menschrechtorganisationen hatten sich ähnlich geäußert.

Die Uiguren, eine turksprachige, überwiegend muslimische Minderheit aus der nordwestlichen chinesischen Provinz Xinjiang, werden seit Jahren von den chinesischen Behörden unterdrückt. Washington hat Chinas Vorgehen bereits offiziell als "Völkermord" bezeichnet.

Die jüngsten Abschiebungen erinnern an eine ähnliche Episode aus dem Jahr 2015, als die thailändische Regierung über 100 uigurische Flüchtlinge zwangsweise nach China zurückführte, was weltweite Empörung und Proteste in der gesamten muslimischen Welt auslöste.

Internationale Kritik an Bangkok

US-Außenminister Marco Rubio selbst drückte bei dem aktuellen Fall ebenfalls seine Enttäuschung über Thailand aus und verurteilte die Abschiebungen "auf das Schärfste", während sein Ministerium in diesem Monat Visasanktionen gegen thailändische Regierungsbeamte verhängte, die an den Abschiebungen beteiligt waren.

Auch die EU-Kommission kritisierte die Entscheidung Bangkoks. In einer am 13. März verabschiedeten Resolution forderte das Europäische Parlament Thailand auf, weitere Abschiebungen sofort zu stoppen und für Transparenz in seiner Flüchtlingspolitik zu sorgen.

Viele Analysten sind sich aber einig, dass Thailands Entscheidung ein kalkulierter Schachzug war, um bei der Regierung in China zu punkten, die seit Langem die Rückkehr uigurischer Flüchtlinge aus dem Ausland fordert.

Die Abschiebungen erfolgen zu einer Zeit, in der Peking aktiv versucht, seine Beziehungen zu Bangkok zu intensivieren, insbesondere auch mit Blick auf die riesige Cyberscam-Industrie, die in die meisten Nachbarstaaten Thailands immer weiter wuchert.

Thailand wolle dabei auf der einen Seite China besänftigen, aber gleichzeitig die Beziehungen zu Westen erhalten, zeigt sich ein thailändischer Analyst und Kolumnist im Gespräch mit der DW überzeugt. "Thailand spielt seinen üblichen Balanceakt und stellt in diesem Fall einfach unmittelbare Interessen in den Vordergrund."

Wachstum wohl wichtiger als Menschenrechte

Andere Analysten gehen davon aus, dass der Schritt eher von wirtschaftlichem Pragmatismus als von ideologischer Ausrichtung getrieben ist. "Thailand denkt offensichtlich nicht an das Wohlergehen chinesischer Dissidenten. Es hat offensichtlich nicht an den kurzfristigen Schaden für seinen Ruf gedacht", sagt Mark Cogan, außerordentlicher Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Kansai Gaidai Universität in Osaka, im Gespräch mit der DW.

Stattdessen stehe im Vordergrund, was der thailändischen Premierministerin Paetongtarn Shinawatra am wichtigsten ist - das Wirtschaftswachstum. "Im Moment ist das mit China eher möglich als mit den Vereinigten Staaten", sagte Cogan.

Thailands Wirtschaft kommt seit Jahren nicht aus einer Flaute heraus und wird nach Angaben der Regierung im Jahr 2025 voraussichtlich nur um 2,5 Prozent wachsen, was in etwa der Wachstumsrate des Vorjahrs entspricht. Zu den vielen Sorgen Bangkoks gehört der Tourismussektor des Landes, der rund ein Zehntel des Bruttoinlandsproduktes ausmacht.

Thailand Bangkok | Ankunft Chinesischer Touristen nach Ende der Reisebeschränkungen wegen Corona
Chinesische Touristen werden nach ihrer Ankunft am Suvarnabhumi International Airport begrüßt (8.1.2023). Thailand hofft darauf, wieder eine große Zahl von Besuchern aus China zu empfangenBild: Sakchai Lalit/AP/picture alliance

Eine der größten Negativfaktoren in diesem Sektor ist, dass viele wohlhabende chinesischen Touristen seit der COVID-Pandemie noch immer zögern, in Thailand Urlaub zu machen. Viele glauben, Thailand sei unsicher. 

Erst im Januar wurde der 31-jährige chinesische Schauspieler Wang Xing, bekannt auch unter seinem Pseudonym "Xingxing", aus einer Cyberscam-Firma in Myanmar befreit, nachdem er offenbar in Thailand entführt worden war. Er wurde nach einem Aufschrei in den sozialen Medien in China nach Thailand zurückgebracht.

Das United States Institute of Peace schätzt, dass die illegale Cyberscam-Industrie, die Online-Betrug an geschickt angesprochenen Usern betreibt, zwischen einem Viertel und einem Drittel der Wirtschaft von Kambodscha, Laos, Myanmar, den Nachbarn Thailands, ausmachen könnte.

Viele der Betrugsnetworks befinden sich in Städten in der Nähe der Grenze zu Thailand. Und Thailand gilt als eine wichtige Drehscheibe für Menschenhandel und Zwangsarbeit.

Betrugs-Fabriken in Myanmar: Abzocken im Akkord  

Dass dabei Touristen gefährdet sein könnten, ist eine Befürchtung, die von Peking geschürt wurde, um Druck auf südostasiatische Regierungen auszuüben, damit sie gegen ihre Betrugszentren vorgehen. Thailand auf der anderen Seite sei "wild entschlossen", chinesische Touristen anzuziehen, sagt Napon Jatusripitak, Gastwissenschaftler am ISEAS-Yusof Ishak Institute.  "Dieses Ziel könnte jedoch durch anhaltende Berichte über Sicherheitsbedenken für chinesische Besucher gefährdet werden, oder durch die mangelnde Fürsorgepflicht der Regierung in Peking für seine eigenen Bürger."

Strategische Absicherung

Seit Januar haben Bangkok und Peking ihre Sicherheitskooperation erheblich intensiviert, die sich hauptsächlich auf die südostasiatische Cyberscam-Industrie konzentriert, welche als die gefährlichste transnationale Sicherheitsbedrohung in der Region gilt. Paul Chambers, Experte für südostasiatische Angelegenheiten an der Naresuan Universität in Thailand, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass Thailand nach wie vor ein USA-Verbündeter in der Region sei. Beide Länder würden aktiv an gemeinsamen militärischen und polizeilichen Übungen teilnehmen. "Solange diese Zusammenarbeit zwischen Thailand und den USA nicht zusammenbricht, glaube ich nicht, dass wir sagen können, dass Bangkok die Absicherung durch die USA aufgegeben hat, um in den Orbit Pekings zu gelangen", sagt Chambers.

Flugschau zur Feier des 88. Jubiläums der Royal Thai Air Force
Kampfjets F-35A mit Demo-Teams der US-Luftstreitkräfte beim 88. Jahrestag der thailändischen Luftwaffe in Bangkok, 8. März 2025Bild: Teera Noisakran/picture alliance/Sipa USA

Für Thitinan Pongsudhirak, Senior Fellow an der US-Denkfabrik,  dem Institute of Security and International Studies in ,  markierten die Abschiebungen dagegen einen "Wendepunkt" in der geostrategischen Ausrichtung Bangkoks. "Thailand ist jetzt offenbar ein Spielball im Konflikt zwischen den USA und China", sagt er der DW. "Die große geostrategische Gefahr besteht darin, dass die thailändische Elite, die mit US-Sanktionen konfrontiert ist, nun immer näher an den Orbit Chinas rückt und Thailands einst berühmten Balanceakt gefährdet."

Im Moment gehen einige Analysten davon aus, dass Bangkok von den US-Visasanktionen nicht allzu sehr beunruhigt sein wird. "Thailand sieht die US-Reisebeschränkungen als eine ziemlich minimale Strafe an", sagt Phil Robertson, Direktor von Asia Human Rights and Labour Advocates, der DW.

Seiner Ansicht nach sei es aber bemerkenswert "genial", dass die US-Botschaft in Bangkok nicht bekannt gegeben habe, wer auf der Verbotsliste stehe. Das bedeute, dass der einzige Weg für einen thailändischen Beamten, dies herauszufinden, darin besteht, ein Besuchervisum zu beantragen, um dann möglicherweise mit einer peinlichen Ablehnung konfrontiert zu werden.

Aber, so Robertson, der potenzielle Gesichtsverlust für einen thailändischen Politiker oder Beamten sei nicht zu vergleichen mit "der Hölle, die diese 40 Uiguren in Xinjiang erleben".  Man könne "mit Sicherheit sagen, dass die thailändische Regierung überraschend glimpflich davongekommen ist."

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand

 

DW Mitarbeiter David Hutt
David Hutt Journalist mit Fokus auf die Beziehungen zwischen Europa und Südostasien@davidhuttjourno