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Terroristen-Prozess in Usbekistan begonnen

27. Juli 2004

– Ermittler halten Beteiligung von Al-Kaida für erwiesen

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Bonn, 26.7.2004, DW-RADIO / Russisch

Am Montag (26.7.) hat im Obersten Gericht Usbekistans der Prozess im Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Taschkent und Buchara vom März und April dieses Jahres begonnen. Die erste Explosion hatte sich am 29. März in der Ortschaft Romitan bei Buchara ereignet. Offiziellen Angaben zufolge explodierte damals ein Haus, in dem die Terroristen Sprengstoff hergestellt hatten. Danach war es im Laufe von mehreren Tagen zu Explosionen in der Nähe von Buchara und in Taschkent gekommen. Für diese blutigen Ereignisse, bei denen 14 Menschen ums Leben kamen und 53 verletzt wurden, darunter auch Kinder, gibt es mindestens zwei Motive. Das erste ist die Fortsetzung des Heiligen Kriegs gegen Präsident Islam Karimow, die Regierung und den Staat seitens radikaler islamischer Gruppierungen. Dem zweiten Motiv zufolge stellen die Ereignisse einen Protest der Bevölkerung gegen die Willkür der Miliz dar. Das erste Motiv nannten vor Gericht Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft. Das zweite wurde vor Gericht nicht erwähnt, aus dem einfachen Grund, weil im Saal nur 40 Sitzplätze vorhanden sind und viele, die dem Prozess beiwohnen wollten, gerade aus diesem Grund nicht hereingelassen wurden. Die Generalsekretärin der Partei "Volksbewegung Birlik", Wasilja Inojatowa, sagte der Deutschen Welle:

"Ich wurde in das Gebäude des Obersten Gerichts nicht hineingelassen. Ich stand, so wie viele Vertreter internationaler Organisationen, nicht auf der Liste. Die Eltern und Angehörigen der Angeklagten wurden ebenfalls nicht hineingelassen, obwohl sie dies noch im Mai beim stellvertretenden Leiter der Abteilung für Terrorismusbekämpfung beantragt hatten. Ich hatte um die Möglichkeit gebeten, die Angeklagten zu beobachten. Mir wurde gesagt, ich könne den Vernehmungen nicht beiwohnen, aber durchaus an dem Gerichtsprozess. In Wirklichkeit ist alles anders gekommen. Wir sind der Ansicht, dass der Prozess öffentlich sein muss. Das Volk muss die Aussagen der Menschen, denen Terrorismus vorgeworfen wird, und hören. Außerdem liegen uns Dokumente und Erklärungen der des Terrorismus angeklagten Personen vor, aus denen hervorgeht, dass sie der Folter ausgesetzt waren und gezwungen wurden, etwas zu gestehen, was sie nicht gtan haben."

Der Justizbeamte Babur Dechkanow, der drei Stunden lang die staatliche Anklage verlas, sagte der Deutschen Welle über den Prozess:

"Hören und schauen Sie zu und Sie werden alles verstehen. Die Ermittlungen haben im vorläufigen Bericht dargelegt, wie alles verlief und geplant wurde. Das, was in der Anklage steht, werden wir jetzt vorlesen, in Ordnung?"

Weiter berichtet unser Korrespondent Jurij Tschernogajew:

Schon am ersten Prozesstag trat eine ausländische Terror-Spur in Erscheinung. Ob es nun Heiliger Krieg oder Volksprotest ist - klar ist, dass die Kämpfer vom Ausland ausgerüstet wurden. Minen, Sprengsätze und Schusswaffen werden auf den Taschkenter Märkten nicht verkauft. Der Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und Jurist Nadyr Komilow sagte dazu:

"Die wichtigste Zentren liegen im Ausland – im Iran, in Süd-Wasiristan. Über Pakistan gelangten sie dorthin, wo sie sich auf die Anschläge vorbereiteten. Sie fuhren über Kasachstan nach Aserbaidschan, aus Aserbaidschan nach Pakistan und aus Pakistan in den Iran. Heute steht fest, dass zwei, drei Männer, die hier einsitzen, sich dort aufhielten. Im Laufe der Ermittlungen werden Sie noch erfahren, wie viele dort waren."

Die Anklage hält eine Beteiligung von Al-Kaida an den Terroranschlägen in Usbekistan für erwiesen. Dazu Nadyr Komilow:

"Sie hielten sich in Lagern der Al-Kaida auf. Es sind ihre Methoden – das ist eine Al-Kaida-Spur."

Nadyr Komilow sagte der Deutschen Welle, dass islamische radikale Organisationen im Süden Kasachstans, in Aserbaidschan und in Usbekistan selbst aufgetaucht seien:

"An der usbekisch-kasachischen Grenze gab es Helfer-Lager, wo sich Menschen aufhielten, von denen sie Wohnungen mieteten."

Das waren Meinungen von Juristen und Politikern. Menschen auf der Straße sprechen mit Journalisten nur ungern über den Prozess. Sie interessieren sich mehr für den Zeitpunkt der Straßensperrung vor dem Gebäude des Obersten Gerichts. Es fand sich dennoch ein Passant, der seine Meinung zum Prozess äußerte:

"Ungefähr 47 Tage wurde unter verschiedenen Vorwänden kein Anwalt zugelassen. Ich glaube diesem Staat nicht mehr!" (MO)