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Terroranschläge in Usbekistan

30. März 2004

– Erstmals Selbstmordattentäter im Einsatz

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Bonn, 30.3.2004, DW-RADIO/Russisch

DW-RADIO/Russisch, 29.3.2004

In der Nacht von Sonntag (28.3.) auf Montag (29.3.) waren die usbekische Hauptstadt und die Stadt Buchara Schauplätze von Angriffen bewaffneter Banden. Nach Angaben des usbekischen Generalstaatsanwalts Raschidschon Sakirow kamen 19 Menschen ums Leben (Stand von Montagabend), davon sechs Milizionäre. 26 Menschen wurden verletzt. Die Opfer wurden in das Städtische Krankenhaus Nr. 1 gebracht, das unserem Korrespondenten zufolge derzeit einem "Fronthospital" ähnelt. Jurij Tschernogajew berichtet:

Zum ersten Zusammenstoß zwischen der Miliz und den Terroristen kam es am Sonntag um 22 Uhr, aber die Behörden hielten sich mit offiziellen Stellungnahmen bis Montagabend zurück. Korrespondenten der Deutschen Welle verfolgten die Entwicklung. Hier nun eine Chronologie der Ereignisse:

Am Sonntagabend stoppte eine Milizstreife im Zentrum Taschkents ein Auto vom Typ "Schyguli", einfach nur deswegen, weil es schmutzig war. Überraschend eröffneten die zwei Insassen des Fahrzeugs das Feuer und versuchten zu flüchten. Einer von ihnen wurde aber von den Milizionären getötet und der andere konnte festgenommen werden. Dabei handelt es sich um das bisher einzige Mitglied der Bande, das derzeit von den Ermittlern verhört wird. In dem Fahrzeug wurden zehn Sprengsätze gefunden. Daraufhin wurde in Taschkent sofort Alarm ausgelöst, alle Zufahrtsstraßen gesperrt und sofort mit der Überprüfung von Autos auf den Straßen begonnen. Die Ereignisse entwickelten sich so, dass bald klar wurde, dass es sich um eine großangelegte geplante Aktion handelt. Nachts, um 1.30 Uhr, wurde im Zentrum der Stadt unter Einsatz von Schusswaffen ein Milizposten überfallen. Dabei kam ein Milizionär ums Leben und ein weiterer wurde verletzt. Nachdem sie die Waffen, mit denen die Milizionäre ausgerüstet waren, geraubt hatten, tauchten die Angreifer unter. Um 5 Uhr morgens kam es zu einem weiteren Überfall auf einen Milizposten, bei dem zwei Milizionäre getötet wurden. Auch diesmal gelang es den Angreifern, mit den Waffen der Milizionäre unterzutauchen. Morgens begannen dann die Explosionen. Beide erschütterten Taschkent am selben Ort – auf dem Tschors-Markt im Zentrum der dichtbevölkerten Altstadt am Eingang zur Metro. Um 8 Uhr befinden sich dort immer sehr viele Menschen - das Ziel wurde also nicht zufällig gewählt. Den Anschlag verübte eine Selbstmordattentäterin. Außer ihr starben zwei Milizionäre und ein Kind, 21 Personen wurden verletzt. Augenzeugen berichten:

"Viele wurden mit Beinbrüchen eingeliefert. Ich habe gesehen, dass eine Frau ihre Augen verloren hat. Auch ein Kleinkind wurde eingeliefert. Mein Sohn ging zum Markt, als er zurückkam, war ich beruhigt. Man sagt, dass eine Frau sich selbst in die Luft gesprengt hat."

Genau eine halbe Stunde später sprengte sich am selben Ort, an der Bushaltestelle, eine weitere Selbstmordattentäterin in die Luft. Ein Milizionär, der sie in letzter Sekunde von den umherstehenden Passanten mit seinem Körper abgeschirmt hatte, starb. Die usbekische Hauptstadt begann den Tag mit dem Klang der Krankenwagen-Sirenen. Auf Kreuzungen, vor Regierungsgebäuden und Hotels wurden mit kompletter Kampfausrüstung ausgestattete Soldaten postiert. Es werden Passkontrollen durchgeführt. Alle Märkte sind geschlossen. Zahlreiche Verwaltungsgebäude wurden evakuiert, in denen Einsatzkräfte nach Bomben suchen. In der Stadt kreise Gerüchte, wonach es irgendwo zu Zusammenstößen zwischen Soldaten und Kämpfern gekommen ist und dass ein Waffenlager der Miliz erstürmt worden ist. Die Gerüchte werden weder bestätigt noch dementiert. Mehrere inoffizielle Berichte über die Ereignisse kursierten den ganzen Tag. Einem zufolge drang vor einer Woche vor dem Nawrus-Feiertag eine Bande in die Stadt ein, mit dem Ziel, Ausschreitungen zu organisieren. Gerade deswegen soll der offizielle Teil der Feierlichkeiten überraschend zwei Tage vorgezogen worden sein. Einem anderen Bericht zufolge handelt es sich um eine weitere Etappe des "Dschihad", den die "Islamische Bewegung Usbekistans" dem Präsidenten Islam Karimow persönlich erklärt hat. Die letzten Kämpfer der "Islamischen Bewegung Usbekistans" unter Leitung von Tahir Juldaschew wurden in Afghanistan und Pakistan in die Enge getrieben. Deswegen entschieden sich Einheiten der "Islamischen Bewegung Usbekistans" im Lande selbst zum "letzten und entscheidenden Kampf".

Eine offizielle Stellungnahme gab der Generalstaatsanwalt Usbekistans, Raschidschon Sakirow, ab:

"Es gibt allen Grund, davon auszugehen, dass diese Verbrechen lange geplant wurden, organisiert waren und von einem einzigen Zentrum aus gesteuert wurden, und es ist nicht auszuschließen, dass es sich im Ausland befindet. Uns liegen derzeit genügend Informationen vor, dass diese Organisation mit der ‚Hisb-ut-Tahrir‘ und den Wahhabiten zusammenhängt. Was deren Kontakte zur ‚Islamischen Bewegung Usbekistans‘ angeht, so sind Parallelen beim Bau der Sprengsätze zu erkennen."

Der Einsatz von Selbstmordattentätern ist in Usbekistan bisher einmalig. Die Regierungskommission, die wegen dieser Verbrechen ermittelt, steht unter Leitung des usbekischen Präsidenten Islam Karimow. (MO)

DW-RADIO/Russisch, 30.4.2004

Nachrichtenagenturen zufolge ist am Morgen des 30. März unweit von Taschkent ein Posten der Straßenpolizei überfallen worden. Ortsansässige Augenzeugen der Ereignisse hörten eine Explosion und Schüsse aus Maschinengewehren. Der Ort der Ereignisse wurden mehrer Kilometer weit abgeriegelt. Gestern wurden bei einer Serie von Anschlägen in Taschkent 19 Menschen getötet und 26 verletzt. Angaben über Opfer des heutigen Zwischenfalls liegen derzeit noch nicht vor. (MO)