Tauben: Viel interessanter als ihr schlechter Ruf
Sie stehen für Frieden und Liebe, doch sie werden auch oft als "Ratten der Lüfte" beschimpft, verjagt und getötet. Dass Tauben viele Krankheiten übertragen, ist nur ein Mythos. Und sie haben erstaunliche Fähigkeiten.
Gestatten: die "Mutter aller Tauben"
Alle gezüchteten Tauben, wie Haus- oder Brieftauben, stammen von ihr ab: der Felsentaube. Der Wildvogel lebt im gesamten Mittelmeerraum, in Vorderasien, in Schottland, Irland, auf den Shetland- und Färöer-Inseln. Felsentauben sind menschenscheu. Sie brüten in Felsnischen, Grotten und Ruinen. Menschen begannen schon vor Jahrtausenden, Felsentauben zu domestizieren: als Boten- oder Fleischtauben.
Straßentauben: geflügelte Stadtbewohner
500 Millionen Tauben, so schätzt man, leben weltweit in den Städten. Stadt- oder Straßentauben stammen meist von verwilderten Zuchttauben ab. Sie haben sich mittlerweile an das Leben in Städten angepasst. Weil Zuchttauben fast doppelt so oft brüten wie ihre wilden Verwandten, vermehren sich auch Straßentauben stark.
Ach Du Kacke, oder: das harte Leben auf der Straße
Ihre große Zahl bereitet den Tauben in Städten auch selber Stress. Bis zu 90 Prozent der Jungtiere sterben im ersten Lebensjahr. Zwar finden Tauben in Abfall und Essensresten genügend Nahrung, aber eigentlich brauchen sie Samen und Körner. Die Mangelernährung macht die Tiere krank und führt zu flüssigem "Hungerkot". Übrigens: Taubenkot überträgt nicht mehr Krankheiten als der von anderen Vögeln.
Tierfreundliche Geburtenkontrolle
Um die Menge der Tauben zu reduzieren, wurden in einigen Städten betreute Taubenschläge aufgestellt, mit guten Nistmöglichkeiten. Doch die Eier im Nest werden dort mit Eiern aus Gips ausgetauscht. Gleichzeitig werden andere Nistplätze unzugänglich gemacht, Straßen von Abfall gesäubert. Füttern mit Körnern ist nur in bestimmten Zonen erlaubt. Mit Erfolg: der Taubenbestand sank um ein Drittel.
Lebt lieber in der Vorstadt: die Ringeltaube
Auf den ersten Blick könnte man sie für eine Straßentaube halten, aber dieser Vogel hier ist eine Ringeltaube. Ringeltauben fühlen sich vor allem in Parks, Gärten und Wäldern sowie auf Wiesen und Feldern wohl. Ihr flaches Nest bauen sie gern in Nadelbäumen oder dichten Laubbäumen. Anders als Straßentauben ernähren sie sich von Samen, Getreide und Pflanzenteilen. Ihr Kot ist deswegen fest.
New Kim: die teuerste Taube der Welt
1,6 Millionen Euro bezahlte ein unbekannter Käufer aus China für diese Taubendame namens New Kim. Den belgischen Züchter dürfte es gefreut haben. Ob sie auch die schlauste Taube der Welt ist, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass Tauben generell schlau sind. Sie können sogar erkennen, ob ein Bild von Monet oder Picasso gemalt ist und Rechtschreibung lernen - und melden jeden Fehler sehr pedantisch.
Echter Jetsetter - 13.000 Kilometer über das Meer
Diese Taube flog von den USA bis nach Australien. Bei ihren Flügen orientieren sich Tauben und andere Vögel am Magnetfeld der Erde. Bei Tauben leiten vermutlich Proteine in der Netzhaut des Auges die Informationen an das Nervensystem weiter. Übrigens haben Tauben sechsmal mehr Nervenzellen pro Kubikmillimeter im Gehirn als Menschen und sind wahre Multi-Tasking-Meister.
Geheime Botschaften per Taubenpost
Tauben haben die Fähigkeit, von einem neuen Ort aus in ihr eigenes Revier zurück zu finden. Das nutzen Menschen in vielen Ländern der Welt seit Jahrtausenden. Die Schweizer Armee - hier ein Bild von 1941 - hatte lange einen militärischen Brieftaubendienst. Bis zu 1000 Armeeangehörige kümmerten sich um Aufzucht, Pflege und Training der Tiere. Erst 1994 löste die Schweiz ihren Brieftaubendienst auf.
Ich kann was, das du nicht kannst
Tauben, hier eine Turteltaube, können Wasser ansaugen und mit gesenktem Kopf trinken. Die meisten anderen Vögel müssen dagegen das Wasser zuerst mit dem Schnabel aufnehmen und dann den Kopf in den Nacken legen, um es in den Rachen zu befördern. Auch außergewöhnlich: Für ihre Jungen produzieren Tauben die sogenannte Kropfmilch: eine eiweiß- und fettreichen Nahrung - ähnlich der von Säugetieren.
Vogel aus der Steppe: die Türkentaube
Sie ist kleiner als Straßen- und Ringeltaube und zeigt sich in dezentem Beige. Türkentauben sind aus den westasiatischen Steppen und Halbwüsten nach Europa eingewandert und haben sich mittlerweile in weiten Teilen Mitteleuropas etabliert. Anders als die meisten Taubenarten leben Türkentauben nicht monogam sondern führen nur eine Saisonehe - aber manchmal auch mehrere Saisons hintereinander.
Weiße Tauben zur Hochzeit - bitte nicht!
Apropos Ehe: Weiße Tauben zur Hochzeit aufsteigen zu lassen ist zwar beliebt, aber Tierquälerei. Sie werden speziell für ihr Aussehen gezüchtet, doch ihr Orientierungssinn ist schwach. Oft finden sie nicht nach Hause zurück und sie sind wegen ihrer Farbe leichte Beute für Greifvögel. Häufig werden Taubenpaare getrennt, damit sie schnell zurück fliegen, doch das setzt die Tiere enorm unter Stress.
Taubenzucht als immaterielles Weltkulturerbe
Die Taubenzucht wurde 2022 als UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen, doch Tierschützende kritisieren sie. Die Hälfte der Tauben schaffen es von den Wettflügen nicht zurück. Viele sterben vor Erschöpfung, durch Greifvögel oder sie enden in Städten. Häufig töten Züchter Tauben, die keine Leistung mehr bringen. 2018 hatte die UNESCO die Bewerbung wegen Zweifel am Tierschutz noch abgelehnt.
Indien: Wo Tauben respektiert werden
In Indien haben Tauben ein positives Image und werden oft mit Reis gefüttert, wie ein User der DW schrieb. Traditionell gelten auf dem Subkontinent Tauben als Symbole für Liebe und Fruchtbarkeit und können sogar himmlische Botschaften und Glück bringen. Die Polizei im ostindischen Odisha setzt Brieftauben noch für Notfälle ein, wenn bei Katastrophen die Kommunikation zusammenbricht.