Taschkent lud Medienvertreter zu Treffen mit gefangenen Kämpfern der Islamischen Bewegung Usbekistans ein
7. August 2002Köln, 7.8.2002, DW-radio / Russisch
DW-radio / Russisch, 7.8.2002
Erstmals in der Geschichte haben Medienvertreter als Gäste das Hauptquartier des nationalen Sicherheitsdienstes Usbekistans besucht. Darunter auch der Korrespondent der "Deutschen Welle", Jurij Tschernogajew:
Der Besuch der Journalisten im Hauptquartier des nationalen Sicherheitsdienstes fand auf Initiative der Pressestelle des Sicherheitsdienstes im Rahmen der Liberalisierung der Gesellschaft des Landes statt. Jüngst hatten auch Experten des Internationalen Roten Kreuzes das Gebäude besucht.
Sieben Journalisten aus Usbekistan und Russland, aber auch Vertreter der Radiosender "Deutsche Welle" und "Liberty" sprachen dort mit Kämpfern der Islamischen Bewegung Usbekistans, die in Afghanistan und Pakistan festgenommen und an Usbekistan ausgeliefert worden waren. Bei dem Gespräch wurden Einzelheiten über die Anti-Terror-Kampagne, aber auch Einzelheiten über die weiteren Pläne der Islamischen Bewegung Usbekistans bekannt. Die verhafteten Kämpfer erklärten, dass der ehemalige Führer der Bewegung, Dschuma Namangani, tatsächlich während eines Bombenangriffs getötet wurde und dass sein Berater Tahir Juldaschew sich bereits zum Führer der Islamischen Bewegung Usbekistans erklärt hat. Den zweiten Posten habe der ehemalige sogenannte "Politkommissar" der Bewegung Subair Aburahimow erhalten. Die Kämpfer erklärten, die Ziele der Islamischen Bewegung Usbekistans seien unverändert, und zwar die Gründung eines islamischen Kalifats in Zentralasien. Zurzeit sei eine Pause eingelegt worden und die Kräfte würden umgruppiert. Die verhafteten Kämpfer sagten, dass sie sich bei ihrem Kampf gegen die Regierungen Zentralasiens auf Islamisten vor Ort stützten. Sie betonten ferner, sie seien Zeugen gewesen, als das Katastrophenschutz-Ministerium Tadschikistans einen sogenannten Korridor zwischen der kirgisisch-tadschikischen Grenze und Afghanistan eingerichtet hatte, durch den sich Einheiten der Islamischen Bewegung Usbekistans ungehindert hätten bewegen können. Bei Bedarf habe das tadschikische Katastrophenschutz-Ministerium sogar seine Kampfhubschrauber den Kämpfern zur Verfügung gestellt. Es habe sich außerdem herausgestellt, dass auch die russische Grenzschutz-Gruppe in Tadschikistan daran beteiligt sei. Die gefangenen Kämpfer erklärten, sie hätten Beweise dafür, dass für eine bestimmte Geldzahlung die Grenzsoldaten auf ihren Abschnitten für die Kämpfer Schlupflöcher eingerichtet hätten. Unklar ist, ob die Offiziere der Grenztruppen oder die bei den russischen Einheiten unter Vertag genommenen Tadschiken gemeint waren. (MO)
DW-radio / Russisch, 7.8.2002
Vor wenigen Tagen hat das Außenministerium Kirgisistans die Meldungen einiger Medien, wonach der Führer der Islamischen Bewegung Usbekistans, Dschuma Namangani, möglicherweise lebt und neue Überfälle in den Ländern Zentralasiens plant, dementiert. Allem nach zu urteilen werden die Erklärungen des kirgisischen Außenministeriums bestätigt. Wie unser Korrespondent aus Taschkent am Dienstag (6.8.) berichtete, soll der Führer der bewaffneten Terrorgruppe Islamische Bewegung Usbekistans tot sein. Zweifel an Dschuma Namanganis Tod gebe es nicht, da dessen Berater und zugleich Konkurrent Tahir Juldaschew bereits das Kommando der Islamischen Bewegung Usbekistans übernommen habe. Das berichteten vor Journalisten am Dienstag die Kämpfer der Islamischen Bewegung Usbekistans, Hamidullo Kudratow und Ilhom Mamadschanow, die an die usbekischen Behörden ausgeliefert worden waren. Ein Gespräch zwischen Journalisten und den gefangengenommenen Kämpfern fand im Hauptquartier des nationalen Sicherheitsdienstes Usbekistans statt. Das war das erste Treffen dieser Art in der Geschichte dieser Organisation und auch in der Geschichte dieses gewaltigen Gebäudes im Zentrum Taschkents, wo früher der mächtige KGB untergebracht war. (...)
Nach Angaben der Agentur "Interfax" wurden im Mai dieses Jahres acht usbekische Staatsbürger den Geheimdiensten Usbekistans übergeben. Es sind Mitglieder der Islamischen Bewegung Usbekistans, die auf Seiten der Taliban gekämpft hatten. Unter ihnen befanden sich auch Ilhom Mamadschanow und Hamidullo Kudratow. Über die Haftbedingungen der Kämpfer im Gebäude des Sicherheitsdienstes Usbekistans berichtet Jurij Tschernogajew:
Die Gefangenen Ilhom Mamadschanow und Hamidullo Kudratow sehen nicht schlecht aus. Beide tragen Trainingsanzüge, einer sogar einen von "Adidas", der in Taschkent ziemlich teuer ist. Der Ermittler, Hauptmann Raschit Awesemetow, siezt die beiden. Beide Gefangenen wirken zuversichtlich, obwohl ihnen wegen organisiertem Verbrechen und Anschlägen gegen die Verfassungsordnung jeweils 15 Jahre Freiheitsentzug drohen. Sie wissen, dass sie nichts zu verlieren haben und offensichtlich haben sie sich an den Gedanken gewöhnt, dass man sie in die Freiheit entlassen wird, wenn sie schon um die 40 Jahre alt sein werden. Sie sprachen gerne mit uns und rauchten dabei. Die Geschichte der Gefangenen ist eigentlich nicht ungewöhnlich und sie lässt wieder folgenden Schluss zu: Die Islamische Bewegung Usbekistans ist nur ein Teil eines gewaltigen Terrornetzes, das mit ihren Fühlern die Welt umspannt.
Hamidullo Kudratow erzählte dem Korrespondenten der "Deutschen Welle", wie und warum er in die Reihen der Islamischen Bewegung Usbekistans geriet und wo er bereits auf Seiten islamischer Kämpfer gekämpft hatte: Nach dem Dienst in der sowjetischen Armee und einem Studium am Taschkenter Polytechnischen Institut geriet Hamidullo Kudratow in die Fänge illegaler islamischer Funktionäre. Sie vertraten die gleiche Meinung: In der Region herrsche Unordnung und Ordnung könne nur ein islamisches Kalifat wiederherstellen. Die Glaubenskämpfer kämpfen in Tschetschenien und der Weg zur tschetschenischen Front verläuft mitten durch Russland, über Samara, Orenburg, Wolgograd, dann Dagestan und schließlich Tschetschenien. Das usbekische Kontingent der Kämpfer in Tschetschenien befand sich unter dem Kommando des Kommandeurs der Usbeken in Tschetschenien, Donier-Kori, in einem Lager nahe Serschen-Jurt. Zwei Monate lang wurde trainiert – sozusagen ein "Kurs für junge Kämpfer". In Dagestan gab es schon Kämpfe und hier gibt es interessante Einzelheiten. Nach einer Verwundung nahe Botlich wurden Kudratow und vier weitere Bürger Usbekistans nach Georgien gebracht. Einen Monat lang wurden die Kämpfer in Tiflis in einem der zentralen Krankenhäuser behandelt. Danach wurden sie zusammen mit 15 weiteren Kämpfern zur Weiterbehandlung in die Türkei gebracht, nach Istanbul, in das sehr gute Krankenhaus "Esenlar-Ansar". Kudratow genas so gut, dass er sogar ein zweites Mal heiraten wollte und zwar eine 17jährige Tschetschenin. Aber das Leben eines Kämpfer besteht nicht nur aus Freude. Das Kommando des sogenannten freien Tschetscheniens versetzte Kudratow nach Aserbaidschan, nach Baku. Beide Kämpfer betonten, wie einfach es für sie und ihre Kollegen gewesen sei, sich innerhalb der GUS und den angrenzenden Ländern zu bewegen. Fahrkarten und Pässe seien kein Problem gewesen. In diesem Zusammenhang berichtete Kudratow, wie im afghanischen Kandahar eine ganze Gruppe von Spezialisten unter Leitung des Arabers Abu-Jach Tag und Nacht alle möglichen Pässe gedruckt hatte. Mit einem dieser Pässe fuhr Kudratow, übrigens mit einem Taxi, durch den Iran in die afghanische Stadt Herat und dann nach Kabul, was damals die Hauptstadt der Taliban war und wo sich das Hauptquartier der Islamischen Bewegung Usbekistans befand. Das Koordinationszentrum der Islamischen Bewegung Usbekistans war in einem Gebäude mit der Bezeichnung "Muhodschirin-Usbek" untergebracht. Mit allen Neuankömmlingen sprach dort Tahir Juldaschew persönlich und Kudratow wurde eine neue Tätigkeit angeboten: Attentäter. Juldaschew soll zu ihm gesagt haben: "Dies wird dir auch in Friedenszeiten nutzen". Eine Schule für Pioniere gab es in Masar-i-Scharif, wo Kudratow zum dritten Mal heiratete. Die Schule befand sich unter dem Schutz der El Kaida und dort wurde ernsthaft ausgebildet. Die Ausbildung schloss Kudratow mit einem Praktikum erfolgreich ab. Über seine Beteiligung an Kampfhandlungen spricht er ungern. Kudratow meint, dass trotz des offensichtlichen Überflusses der Mittel seine Vorgesetzten sehr geizig gewesen seien. In Tschetschenien sei überhaupt nicht gezahlt worden, man hätte sich dort auf die Ideologie berufen. In Afghanistan sei mit afghanischer Währung gezahlt worden, manchmal seien vier bis fünf Dollar hinzugezahlt worden, aber oft habe sich das amerikanische Geld als gefälscht herausgestellt. Als am Himmel über Afghanistan amerikanische Flugzeuge erschienen, sei allen sofort klar geworden, dass dies das Ende sei. Mit seiner neuen Familien flüchtete Kudratow nach Pakistan und im Mai dieses Jahres wurde er in Karachi von der pakistanischen Polizei festgenommen und an Taschkent ausgeliefert. Ähnlich ist auch das Leben des zweiten Kämpfers Ilhom Mamadschanow verlaufen.
Die Mitglieder der Islamischen Bewegung Usbekistans berichteten auch, was ihnen in Afghanistan widerfahren ist. Die Hauptkraft der El Kaida-Kämpfer sind nach Ansicht beider Gefangenen Araber. Als beispielsweise unter dem Druck der Truppen der Koalition die Mudschahedin und Usbeken aus Kundus flüchteten, eröffneten die arabischen Söldner auf die Flüchtenden als Zeichen der Niederlage das Feuer. An jenem Tag wurden 12 Usbeken getötet. Mamadschanow selbst wurde am Bein verletzt. Er wurde gefangengenommen und dann nach Taschkent gebracht. (MO)