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KonflikteSyrien

Syriens Drogenbosse machen weiter gute Geschäfte

Cathrin Schaer
30. März 2025

Der illegale Drogenhandel bescherte dem syrischen Regime dringend benötigte Einnahmen. Nach dem Sturz Assads versprach die Übergangsregierung, den Handel zu bekämpfen. Doch bislang scheint ihr das nicht zu gelingen.

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Rebellenkämpfer inspiziert Captagon-Produktionsstätte nach Regimekollaps
Nach dem Fall des Regimes luden die Rebellen die internationalen Medien ein, die Drogenlager und -labore selbst in Augenschein zu nehmenBild: Omar Haj Kadour/AFP/Getty Images

Vergangene Woche gelang irakischen Sicherheitsbehörden einer ihrer größten Coups im Kampf gegen den illegalen Drogenhandel. Sie konnten mehr als eine Tonne der illegalen Droge Captagon sicherstellen, die in einem LKW versteckt von der Türkei in den Irak geschmuggelt wurde und vermutlich aus Syrien stammte. Das amphetaminähnliche Aufputschmittel mit hoher Suchtwirkung ist in den wohlhabenden Golfstaaten ausgesprochen beliebt.

Beobachter der Region stellten umgehend die Frage, wie es sein könne, dass mehrere Monate nach dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad noch immer so große Mengen Captagon entdeckt werden.

Während des Bürgerkriegs in Syrien wurde der Captagon-Handel zu einer der größten Geldquellen des autoritären Regimes. Die wegen Kriegsverbrechen verhängten internationalen Sanktionen ließen der Regierung kaum andere Möglichkeiten, an Geld zu kommen. Experten zufolge brachte der Handel mit Captagon jährlich Milliarden ein, Summen, die den regulären Regierungshaushalt bei weitem überstiegen.

Anfang Dezember 2024 wurde das Assad-Regime von einer Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gestürzt. Kurz darauf bildete die HTS eine Übergangsregierung und versprach, den Captagon-Produzenten und -Händlern das Handwerk zu legen.

Der Außenminister der syrischen Übergangsregierung und der jordanische Außenminister vor Flaggen der beiden Länder
Bei einem Besuch in Jordanien versprach der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Schaibani, den Drogenhandel in Zukunft zu unterbindenBild: Mohammad Abu Ghosh/XinHua/picture alliance

In einer Rede hatte Ahmed al-Scharaa, der Anführer der HTS und Interimspräsident der Übergangsregierung, versichert, dass Syrien vom Drogenhandel "gereinigt" würde. Im Januar unterzeichnete das Land eine Vereinbarung mit Jordanien, in der es gelobte, dem Handel mit Captagon ein Ende zu setzen.

Warum läuft der Handel weiter?

Die Sicherheitslage in Syrien hat viel damit zu tun, dass der Handel mit Captagon noch immer floriert. Die Übergangsregierung verfügt weder über die Mittel noch das Personal, die Zeit oder die Überwachungstechnik, um die Produktion von Captagon und den Handel ein für alle Mal zu unterbinden. Doch auch andere Faktoren spielen eine Rolle.

Seit 2014 verfolgt das in Washington ansässige New Lines Institute Berichte zum Captagon-Schmuggel mit einer eigenen Datenbank. 2024 fiel ihnen auf, dass das Assad-Regime den Druck auf die Netzwerke für den Captagon-Schmuggel steigerte.

Verantwortlich dafür war mit großer Wahrscheinlichkeit der erhöhte Druck aus anderen arabischen Ländern. Länder wie Saudi-Arabien und Jordanien betrachten Captagon nicht nur als ernstes Problem für ihre eigene Bevölkerung, sondern auch als Sicherheitsrisiko. Beide haben versucht, Syrien mit der Aussicht auf bessere regionale Beziehungen dazu zu bringen, den Drogenhandel einzudämmen.

Vom Zoll beschlagnahmte Captagon-Pillen in präparierten Orangen
Diese Captagon-Pillen wurden in präparierten Orangen verstecktBild: Anwar Amro/AFP/Getty Images

Wegen des härteren Durchgreifens des Assad-Regimes sei im vergangenen Jahr zu beobachten gewesen, wie der Captagon-Schmuggel sich ausweitete auf den Irak, die Türkei, Deutschland, Ägypten und auch Kuweit, berichtete Caroline Rose vergangene Woche während eines virtuellen Forums des Carnegie Middle East Center. Sie leitet beim New Lines Institute den Bereich "Verbrechen und Konflikte" und fügte hinzu: "Das Regime war sich dessen zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, aber ohne es zu wissen sorgte es dafür, dass der illegale Handel auch nach dem Fall des Regimes gedeihen würde."

Internationaler Drogenhandel

Die Schmuggelnetzwerke und Labore hätten sich schon vor dem vergangenen Dezember weiterentwickelt und seien kleiner, mobiler und flexibler geworden, ergänzt Rose. All das trage dazu bei, dass der Captagon-Handel "überregionaler, beweglicher und schwieriger zu bekämpfen" werde.

Gruppierungen außerhalb Syriens, die das Assad-Regime unterstützten und im Verdacht standen, am Captagon-Handel beteiligt zu sein, sind vermutlich noch immer in den Drogenhandel verwickelt. Dazu zählen die Hisbollah im Libanon und dem Iran nahestehende Milizen im Irak.

Geringe Mengen Captagon werden Beobachtern zufolge auch in der Bekaa-Ebene, seit Langem eine Hochburg der Hisbollah im Süden Libanons, produziert.

Ausgangsstoffe für Captagon kämen vom Iran in den Irak und würden weiter transportiert oder in Laboren dort verarbeitet, berichtete der irakische Anti-Drogen-Aktivist Mohammed al-Yasiri dem arabischsprachigen Sender Al-Hurra vergangene Woche. Die Logistik hierfür würden pro-iranische Milizen im Irak leisten, behauptete er.

Drogenproduktion in Syrien geht weiter

Bei einigen der kürzlich beschlagnahmten Lieferungen handle es sich noch um Bestände aus der Zeit Assads, stellt Mohanad Hage Ali, stellvertretender Direktor am Carnegie Middle East Center in einem Anfang des Monats veröffentlichten Bericht klar. Doch in Syrien werde weiterhin Captagon produziert.

"In Nordsyrien arbeitete das syrische Regime auf der Captagon-Schmuggelroute in die Türkei mit militanten Gruppierungen zusammen, die der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (SNA) angehören", schreibt Hage Ali. Trotz der Rückschläge im Jahr 2024 werde die Produktion von Captagon in den von der Opposition besetzten Gebieten in Syrien fortgesetzt, einschließlich den von der SNA kontrollierten Regionen im Norden des Landes.

Auch im Süden Syriens werde weiter Captagon produziert. So zum Beispiel in der Region Suwaida, wo führende Mitglieder der Gemeinden vor Ort in den Handel verwickelt seien, so Hage Ali.

"Die Produktionsmöglichkeiten für Captagon wurden dezentralisiert", erläuterte Hage Ali in der virtuellen Konferenz vergangene Woche. "Einige der zur syrischen Opposition zählenden Gruppierungen produzierten aktiv Captagon. Die Jordanier haben darauf hingewiesen, dass einige der Produktionsstätten in den Regionen Suwaida und Daraa noch nicht stillgelegt wurden."

Interimspräsident Al-Scharaa ist möglicherweise nicht in der Lage, viel dagegen zu unternehmen, meinen andere Analysten. Er kann es sich nicht leisten, führende Persönlichkeiten vor Ort zu verärgern, die vielleicht auch in den Captagon-Handel verwickelt sind. Nach mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg muss er das Land stabilisieren.

"Darum wurden in diesen Gebieten nicht wie andernorts Captagon-Labore geschlossen", betont Rose. "Die Übergangsregierung weiß um die Macht dieser Clans und der verschiedenen Netzwerke. Sie besitzen Einfluss, Respekt und Glaubwürdigkeit. Diese Stärke wird gerade jetzt bei den Zusammenstößen zwischen der Hisbollah und der libanesischen Armee sowie der syrischen Armee wieder deutlich."

Der Einfluss der Drogenbarone

Rose glaubt nicht, dass Syrien wieder zu einem "Narco-Staat" wird wie unter Assad. Aber es sei möglich, dass "die Schmugglerbanden in den syrischen Grenzregionen die Kontrolle der Übergangsregierung über die Grenzkontrollposten und die lokale Verwaltung für sich beanspruchen."

Polizei zerstört Haschischpflanzen in der Bekaa-Ebene
Im Libanon macht der steigende Anbau von Cannabispflanzen den Behörden SorgenBild: AFP/Getty Images

Die Drogenbarone spielten schon jetzt eine Rolle in der turbulenten Politik des Libanons und Syriens, sagte Hage Ali vergangene Woche. Beide Länder steckten zurzeit in einer schwierigen Übergangsphase mit jeweils neuen Regierungen. Wirtschaftliche Verbesserungen, die die Länder stabilisieren, seien dringend notwendig, betonte er. So könnten Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit finanziert und diese aufrechterhalten werden, damit die Menschen vor Ort sich nicht aus materieller Not dem Drogenhandel zuwenden.

In seinem Bericht weist Hage Ali darauf hin, dass der Sold libanesischer Soldaten aufgrund der wirtschaftlichen Krise des Landes effektiv stark gesunken sei. Dies mache es leichter, sie für den illegalen Drogenhandel zu gewinnen.

"Wenn der Übergang in beiden Ländern nicht gelingt, wird es schwierig, den [Captagon-]Handel erfolgreich zu bekämpfen", ist sich Hage Ali sicher. "Wenn diese Übergangsprozesse scheitern, weil sie nicht ausreichend unterstützt werden, dann bleibt der Rückgang in der Produktion nur ein kleines Kapitel in der Geschichte des Captagons. Die Produktion wird sich wieder erholen und langfristig gravierende Auswirkungen haben."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.