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KonflikteSyrien

Syrien-Konferenz: Was sind die Erwartungen?

16. März 2025

Die EU berät über konkrete Hilfsgelder für Syrien. Diese sollen die Übergangsregierung in Damaskus stützen und das Land vor dem Kollaps bewahren. Doch die jüngsten Massaker an den Alawiten im Land werfen Fragen auf.

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Ein Junge hütet eine Schafherde neben einer Wand mit einer neu gestrichenen syrischen Flagge in Ost-Ghuta, einem Außenbezirk von Damaskus. (9. Februar 2025)
Wie geht es weiter für Syrien? Die Aufgaben sind immens, wie die Zerstörungen in Ost-Ghuta, einem Außenbezirk von Damaskus Anfang Februar zeigen.Bild: Omar Sanadiki/AP/dpa/picture alliance

Wenn sich die internationale Gemeinschaft an diesem Montag zur Syrien-Konferenz in Brüssel trifft, soll es vor allem um den syrischen Transformationsprozess gehen - und darum, was das Land dafür benötigt.

Nach dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember hat die  EU bereits früh die Forderung nach einem, wie es in der EU heißt, "inklusiven Übergang" gestellt, in dem insbesondere die Rechte von Minderheiten und Frauen gewahrt werden. Die diesjährige Konferenz sei ein "Moment großer Verantwortung", so die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Man dürfe keine Mühen scheuen, um einen inklusiven Übergang zu unterstützen, betonte Kallas vor dem Treffen. Syrien stehe vor existenziellen Herausforderungen. Dies habe die jüngste Welle der Gewalt in den Küstengebieten auf "tragische Weise" gezeigt.

In der vergangenen Woche war es rund um die Küstenstadt Latakia zu den bisher heftigsten Kämpfen  zwischen Regierungstruppen und Anhängern des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad gekommen. Dabei soll es laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London zu Massakern gekommen sein, welche fast 1000 Zivilisten das Leben gekostet haben sollen. Darunter sollen insbesondere Alawiten gewesen sein, eine ethnisch-religiöse Minderheit, der auch der frühere Machthaber Assad angehört. 

Die EU und ihre Mitgliedstaaten verurteilten die Gewalt aufs Schärfste. Die Gräueltaten an den Alawiten sollen bewaffnete Gruppen begangen haben, welche die Sicherheitskräften der Übergangsregierung unterstützen. Dass die Übergangsregierung jetzt eine Untersuchungskommission einsetzen will, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, begrüßte die EU. 

Erstmals Vertreter syrischer Übergangsbehörden auf der Konferenz

Zwar findet die internationale Syrien-Konferenz bereits zum neunten Mal statt, doch sind dieses Jahr zum ersten Mal Vertreter der syrischen Übergangsbehörden anwesend. Es ist geplant, dass auch der syrische Übergangs-Außenminister Asaad al-Schaibani an der Konferenz teilnimmt, wie EU-Beamte bestätigten.

An der Spitze der Übergangsregierung steht Ahmed al-Scharaa, der als Anführer der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) bekannt wurde. Seine Gruppierung stand in der Vergangenheit dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahe, daher habe sich die EU in den vergangenen Monaten in der Zusammenarbeit mit der Übergangsregierung eher zurückgehalten, sagt Kristina Kausch, Politikanalystin beim German Marshall Fund. In der nun geplanten Teilnahme an der Konferenz sieht sie einen "breiten Schritt der internationalen Legitimierung" der syrischen Übergangsregierung

Neben hochrangigen Teilnehmern aus Syrien und Europa werden auch Vertreter der USA, der Vereinten Nationen und von Syriens Nachbarstaaten erwartet. Die Konferenz wird mit einem politischen Teil beginnen, der sich auf den Transitionsprozess konzentriert und bei dem auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprechen soll. Anschließend wird es um konkrete Spendenzusagen gehen.

Unmittelbare humanitäre Hilfe sicherstellen

Bei der letzten Konferenz im Jahr 2024 waren insgesamt 7,5 Milliarden Euro an Hilfen für syrische Geflüchtete im Land selbst und in den Nachbarstaaten zusammengekommen - davon fünf Milliarden Euro an Zuschüssen und 2,5 Milliarden Euro an Krediten. Für dieses Jahr hofft man in der EU, eine noch höhere Summe zu erzielen. Denn die Probleme des Landes sind nach knapp 15 Jahren Krieg gewaltig.

Schätzungen zufolge sind von den rund 23 Millionen Einwohnern Syriens über 16 Millionen von humanitärer Hilfe abhängig. Ihre Grundbedürfnisse an Nahrung, Notunterkünften und medizinischer Versorgung müssen gedeckt werden. Doch US-Präsident Donald Trump hatte bereits angekündigt, US-Hilfsleistungen für humanitäre Hilfe weltweit zu streichen. Bislang waren die USA neben der EU einer der wichtigsten Geldgeber für Syrien. Mit der Konferenz wolle man auch die Botschaft senden, dass Syrien dringend weiter Hilfe brauche, heißt es aus der EU.  

Finanzierung für den Wiederaufbau finden

Kristina Kausch, die sich auf die EU-Nachbarschaftspolitik spezialisiert hat, betont im Gespräch mit der DW, dass man mit der Konferenz das Land vor dem unmittelbaren Kollaps bewahren wolle, da Syrien in einer sehr schwierigen Situation sei. Dies liege daran, dass einerseits die neuen Machthaber wenig Regierungserfahrung hätten und andererseits frühere Einkommensquellen versickert seien. 

Die schwierige Rückkehr nach Damaskus

Doch es soll auch um den wirtschaftlichen Wiederaufbau des durch den Bürgerkrieg zerstörten Landes gehen. Bislang habe sich die EU bei der Wiederaufbauhilfe zurückgehalten, auch weil das Land unter Sanktionen stand, teilte eine EU-Quelle mit. Die Lage habe sich nun geändert, man arbeite an weiteren Finanzzusagen, um Grunddienstleistungen wie die Strom-, Wasser- und Gesundheitsversorgung wieder aufzubauen. Auch wolle man, etwa durch die Vergabe von Mikrokrediten, dabei helfen, dass das Land seinen Arbeitsmarkt wieder aufbauen könne, um sich selbst zu versorgen, hieß es im Vorfeld der Konferenz.

Auswirkung bestehender Sanktionen

Die EU hatte bereits im Februar Sanktionen in einigen Bereichen ausgesetzt, etwa im Energie- und Verkehrssektor. Auch sollen Bankgeschäfte, die mit diesen Sektoren in Verbindung stehen, ermöglicht werden. Grundsätzlich sei dies positiv zu bewerten, sagt Kristina Kausch, insbesondere für die akute humanitäre Hilfe in Syrien. Für den mittelfristigen Wiederaufbau des Landes gingen die Lockerungen bei den Sanktionen jedoch nicht weit genug.

Die EU verfolge in ihrem Umgang mit der syrischen Übergangsregierung einen "Schritt-für-Schritt"-Ansatz und behalte sich vor, zurückrudern zu können, wenn ihr Entwicklungen nicht gefallen, sagt Kristina Kausch. Derzeit gehe es der EU jedoch vor allem darum, Syrien zu stabilisieren - auch aus eigenem Interesse.

Politikanalyst Nanar Hawach von der "International Crisis Group" weist im Gespräch mit der DW darauf hin, dass weiterhin sehr komplexe US-Sanktionen gegen Syrien bestehen, die auch die Ergebnisse der Konferenz beeinflussen werden. Die Sanktionen machten es Geberländern schwer: So sei es derzeit beispielsweise nicht möglich, Geld direkt nach Syrien zu überweisen.

Dennoch hält Hawach, der bei seiner Organisation für Syrien zuständig ist, die Konferenz für ein wichtiges Signal, dass das Land in eine Nachkriegsphase eintreten müsse. Einen Vorstoß der internationalen Gemeinschaft, auf die Bereitstellung von Mitteln für den Wiederaufbau zu drängen, wäre für ihn ein konkretes und wichtiges Ergebnis.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel