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KonflikteSudan

Sudan: Zwei Jahre Krieg und kein Ende in Sicht

15. April 2025

Ein Machtkampf zwischen zwei Männern hat das Land in einen Krieg und eine humanitäre Katastrophe gestürzt. Zwölf Millionen Menschen wurden vertrieben, mehr als die Hälfte der Bevölkerung leidet an Hunger.

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Sudan Khartum 2025 | Regierungssoldaten feiern Rückeroberung des Präsidentenpalastes von RSF. Die Männer in Uniform recken ihre rechten Fäuste nach oben
Ein Land in Trümmern: Regierungssoldaten vor dem zerstörten Präsidentenpalast in der sudanesischen Hauptstadt KhartumBild: AFP

Zwei Jahre nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs versinkt der Sudan im Chaos. Von den 51 Millionen Einwohnern sind inzwischen 64 Prozent auf humanitäre Hilfe angewiesen. Rund zwölf Millionen Menschen wurden nach Schätzungen der Vereinten Nationen vertrieben, 3,4 Millionen davon in die Nachbarländer Ägypten, Äthiopien, Tschad und Libyen.

Schätzungen zur Zahl der Todesopfer sind aufgrund der anhaltenden Kämpfe schwierig. Laut den jüngsten Zahlen internationaler Hilfsorganisationen sind sie inzwischen auf 150.000 Menschen gestiegen.

Besonders betroffen vom dem Krieg sind Frauen und Mädchen. Sie machen den Großteil der Vertriebenen aus und sind weit verbreiteten sexuellen Übergriffen und Gruppenvergewaltigungen ausgesetzt.

Militärchef al-Burhan im Präsidentenpalast nach Machtübernahme der Armee. Er reckt seinen linken Arm und die Faust in die Höhe - Sudan, Khartum 2025 |
Triumph: Nach der Rückeroberung des Präsidentenpalastes in Khartum am 26. März 2025 feiert der Chef der sudanesischen Streitkräfte, General al-Burhan, seinen Sieg über die paramiltärischen GruppenBild: Sudan Transitional Sovereignty Council/Handout via REUTERS

Streit zwischen zwei Generälen

Am 14. April geht der Krieg in sein drittes Jahr. Er geht zurück auf einen Streit zwischen den beiden Generälen Abdel-Fattah Burhan von den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und General Mohamed Hamdan Dagalo, Chef der paramilitärischen Schnellen Eingreiftruppen (RSF).

Burhan war es nicht gelungen, eine zivil geführte Regierung in enger Zusammenarbeit mit einem militärisch geführten Obersten Rat unter der Leitung von Dagalo zu bilden. Daraufhin kam es Mitte April 2023 zum Zerwürfnis über die Integration der paramilitärischen RSF in die SAF.

RSF-Chef Mohamed Hamdan Dagalo bei einer Rede in Militärkleidung
RSF-Chef Mohamed Hamdan Dagalo zerstritt sich nach dem gemeinsamen Putsch mit General Abdel-Fattah BurhanBild: MOHAMED NURELDIN ABDALLAH/REUTERS

Spaltung im Sudan wächst

"Der Krieg begann mit einer großen Pattsituation in der sudanesischen Hauptstadt Khartum, wo sich die Kämpfe zu einem städtischen Grabenkrieg entwickelten, der sich dann über das ganze Land ausbreitete", erklärt Hager Ali, Forscherin am deutschen Think Tank GIGA Institute for Global and Area Studies.

"Der Sudan braucht mehr als ein Friedensabkommen, denn die Gräben zwischen dem Zentrum des Landes und der Peripherie, den Ethnien, Religionen und Stämmen haben sich vertieft", sagt die Politologin im DW-Gespräch. "Wir müssen einen Zeithorizont von 20 Jahren oder mehr betrachten."

Machtkampf mit dem Militär

Die beiden Generäle Burhan und Dagalo hatten im Oktober 2021 einen Militärputsch verübt und die sudanesische Übergangsregierung abgesetzt. Mit dem Putsch endete der Reformkurs im Land, der nach dem Sturz von Machthaber Omar Al-Bashir im April 2019 begonnen hatte.

Anfang dieses Jahres hat die SAF Khartum zurückerobert und kontrolliert nun den größten Teil des Nordens und Ostens des Landes sowie die zentrale Stadt Wad Madani in der weitgehend zerstörten Agrarregion (siehe Karte).

Im Gegenzug haben sich Dagalo und seine RSF, die aus der berüchtigten Janjaweed-Miliz hervorgegangen sind, zu einer wichtigen Kraft in der westlichen Darfur-Region des Sudan entwickelt.

Die RSF belagern weiterhin mehrere Flüchtlingslager in Darfurs Hauptstadt El Fasher, wo Hunger und ständiger Beschuss die Zivilbevölkerung töten, wie aus erschütternden Berichten von Augenzeugen, internationalen Hilfsorganisationen und der Vereinten Nationen (UN) hervorgeht.

Sudan al-Fasher 2025 | Überblick über das Zamzam-Flüchtlingslager in Darfur. Luftaufnahme
Hunger und Angst: Das Flüchtlingslager in Darfurs Hauptstadt El Fasher wird von beiden Kriegsparteien belagertBild: Maxar Technologies/AP/picture alliance

Sudan: Waffen aus den Nachbarländern?

Die humanitäre Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC)warnt vor den internationalen Auswirkungen des Bürgerkriegs. "Der Konflikt zieht immer mehr Gruppen an. Dies bedeutet, dass ein Friedensabkommen unterschiedliche Interessen berücksichtigen muss", sagt IRC-Sprecherin Alexandra Janecek. Es sei daher immer schwieriger, zu vermitteln. Denn regionale und internationale Unterstützer pumpten Waffen in den Sudan, was den Sudan und die Region destabilisiere.

Die sudanesischen Streitkräfte sind auf den politischen Rückhalt und die militärische Unterstützung durch Ägypten und Katar angewiesen. Die schnellen Eingreiftruppen werden angeblich durch Waffenlieferungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) über den benachbarten Tschad unterstützt.

Die VAE haben diese Behauptungen jedoch bestritten, obwohl Beweise in Form von in den VAE hergestellten Waffen das Gegenteil zu belegen scheinen.

Krieg im Sudan - Die vergessene Katastrophe

Sudanesische Zivilgesellschaft als Rettungsanker

Während die Wirtschaft des Landes vor dem Zusammenbruch steht hat sich die sudanesische Zivilgesellschaft zu einem Rettungsanker für die Bevölkerung entwickelt. Ein landesweites Netz sogenannter Notaufnahmen der Zivilbevölkerung hilft zum Beispiel mit Informationen über Evakuierungsrouten, medizinische Versorgung und grundlegende Bedürfnisse.

Die lose verbundenen Gruppen sind aus der sudanesischen Oppositionsbewegung hervorgegangen. Diese spielte eine Schlüsselrolle beim Sturz des langjährigen Machthabers Omar Al-Bashir im Jahr 2019.

"Eine der Stärken der sudanesischen Oppositionsbewegung war immer ihre Heterogenität", sagt Tareq Sydiq, Protestforscher aus Marburg und Autor des Buches 'Die neue Protestkultur', der DW.

Im Sudan, so Sydiq, "bestand die Bewegung aus traditionellen politischen Parteien, Gewerkschaften, Berufsverbänden und einer Vielzahl von klandestinen Widerstandskomitees". Seit dem Ausbruch des Krieges im April 2023 hätten diese Gruppen "den Umfang ihrer politischen Forderungen reduziert und sich stattdessen auf den Schutz der Zivilbevölkerung konzentriert".

Sudan Port Sudan 2025 | Jubel nach Einnahme Khartums durch Armee | Bewaffneter Mann mit Schlange
Unterstützer von Militärchef al-Burhan feiern in Port Sudan die Einnahme von der Hauptstadt Khartum durch die Armee mit Waffen und einer SchlangeBild: Ebrahim Hamid/AFP

Suppenküchen müssen schließen

Auch für Michelle D'Arcy, Sudan-Länderdirektorin der humanitären Organisation Norwegian People's Aid, sind die Bemühungen der sudanesischen Zivilgesellschaft ein Funke der Hoffnung. "Es gibt inspirierende Gruppen von Jugendlichen und Frauen, die sich für Frieden und einen Waffenstillstand einsetzen und in ihren Gemeinden weiterhin lebensrettende Dienste anbieten", sagte sie.

Allerdings kämpften diese Gruppen mit Problemen wie Polarisierung, begrenztem zivilen Raum und schwierigem Zugang zu Ressourcen. ICR-Sprecherin Janecek bestätigt die Probleme.

Sie weist darauf hin, dass Programme, die einst "eine Lebensader für Millionen von Sudanesen" waren, aus Geldmangel eingestellt werden. "Mindestens 60 Prozent der 1400 kommunalen Suppenküchen, die schätzungsweise zwei Millionen Menschen versorgen, wurden geschlossen."

Sudan: Zwei Jahre Krieg und unendliches Leid

 

Immer weniger internationale Hilfe für den Sudan

Hauptgrund dafür sei der Mangel an finanziellen Mitteln. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind von den 4,2 Milliarden Dollar (3,7 Milliarden Euro), die für die humanitäre Hilfe im Land in diesem Jahr benötigt würden, gerade einmal 6,3 Prozent eingegangen.

Die Situation wird durch die jüngste Entscheidung der USA, die Ausgaben für ausländische Hilfe zu kürzen, noch verschärft. Im Jahr 2024 machten die US-Gelder fast die Hälfte der gesamten humanitären Hilfe im Sudan aus.

Der Sudan ist eigentlich reich an Bodenschätzen wie Gold und Erdöl und verfügt über fruchtbare Böden für die Landwirtschaft. Doch die "menschengemachte Krise" scheint noch lange nicht vorbei zu sein, erklärte Edem Wosornu vom UN-Koordinierungsbüro für humanitäre Hilfe (OCHA) im Januar vor dem UN-Sicherheitsrat. "Das Land befindet sich nach wie vor in einer humanitären Krise von erschütterndem Ausmaß."

Adaption aus dem Englischen adaptiert: Astrid Prange.

Jennifer Holleis
Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.