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PolitikSudan

Sudan: Vorsichtiges Hoffen auf ein Ende des Krieges

Jennifer Holleis | Emad Hassan
7. Februar 2025

Unter dem Eindruck militärischer Erfolge der regulären Armee halten Experten ein baldiges Ende des bewaffneten Konflikts für möglich. Doch auch weitere Eskalation ist nicht auszuschließen. Leidtragende sind die Menschen.

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Bürger und Soldaten feiern die Eroberung der Stadt Wad Madani durch die Armee, Januar 2025
Bürger und Soldaten feiern die Eroberung der Stadt Wad Madani durch die Armee, Januar 2025Bild: Ibrahim Mohammed Ishak/REUTERS

Könnte der Krieg im Sudan bald zu einem Ende kommen? Auf diese Möglichkeit deuten zumindest die jüngsten Vorstöße der offiziellen sudanesischen Streitkräfte (SAF) gegen die abtrünnigen Rebellen der Rapid Support Forces (RSF) in der Hauptstadt Khartum und der nahegelegenen Stadt Omdurman hin. Experten sehen mögliche Anzeichen dafür, dass für die Armee ein militärischer Sieg in greifbare Nähe rücken könnte.

So war es der regulären Armee unter ihrem Anführer General Abdel-Fattah Burhan in der vergangenen Woche erstmals seit knapp zwei Jahren gelungen, wieder in das alte Hauptquartier der Armee in der Khartum vorzustoßen - eine Niederlage für die abtrünnigen Paramilitärs der RSF. Zudem hatte Burhans Armee Anfang Januar die strategisch wichtige Stadt Wad Madani rund 180 Kilometer südlich von Khartum zurückerobert.

"Als Wad Madani im Dezember 2023 an die Rapid Support Forces fiel, war das ganze Land schockiert", erinnert sich Hager Ali vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA). Dadurch hätten seinerzeit viele Sudanesen das Vertrauen in die Fähigkeiten der sudanesischen Streitkräfte verloren, so Hager Ali zur DW. "Die Eroberung der Stadt galt ihnen damals als militärischer Wendepunkt." Nun hat sich die militärische Entwicklung zumindest in Wad Madani offenbar erneut gewendet, zurück zum Ausgangspunkt.

Verbrannte Erde

Die Schäden aber sind groß und werden voraussichtlich nicht schnell zu beheben sein - denn die RSF-Rebellen hatten nach der Eroberung der Stadt Ernten niedergebrannt, Felder dem Erdboden gleichgemacht und landwirtschaftliche Geräte zerstört. "Um die Kontrolle zu erlangen, setzten sie Hunger als Waffe ein", sagt Ali. "Dadurch hat sich die Nahrungsmittelknappheit bis zum Äußersten verschärft." Die für ganz Sudan lebenswichtige Infrastruktur sei zerstört, so Ali, die Bedeutung von Wad Madani als Kornkammer des Sudan "nahezu verschwunden".

Schwer beschädigte Gebäude in Wad Madani, Januar 2025
Schwer beschädigte Gebäude in Wad Madani, Januar 2025Bild: AFP

Letzte Schlacht?

Nach dem Verlust von Wad Madani haben sich viele Milizen der RSF in die im Westen des Landes gelegene Region Darfur zurückgezogen. Dort kontrollieren sie vier von fünf Distrikten.

Auch Osman Mirghani, Journalist bei der sudanesischen Zeitung Al-Tayar, meint: "Der Krieg in Darfur könnte absehbar enden." Das Schlachtfeld habe sich nun nach El Fasher, der Hauptstadt Nord-Darfurs, verlagert, so Mirghani gegenüber der arabischsprachigen DW-Radiosendung "Sudan Now". El Fasher steht seit Mai 2024 unter Belagerung durch die RSF.

Die humanitäre Lage in Darfur ist laut UN-Schätzungen dramatisch. In dortigen Flüchtlingslagern lebten derzeit allein 1,6 Millionen Menschen, die aus dem Norden der Region vertrieben wurden. Rund zwei Millionen Menschen seien von extremer Nahrungsmittelknappheit betroffen, 320.000 Menschen litten bereits unter akuter Hungersnot.

Begonnen hatte der Konflikt im April 2023. Auslöser war ein Konflikt zwischen dem obersten Armee-General Burhan und seinem damaligen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo - auch Hemeti genannt - über die Frage der Integration der RSF in die Armee. Daglo, Chef der RSF, lehnte diesen Schritt ab.

Bei den seitdem anhaltenden Zusammenstößen zwischen den beiden Truppen und ihren jeweiligen Verbündeten starben zehntausende Zivilisten, über zwölf Millionen Menschen wurden vertrieben. Über 30 Millionen Sudanesen, mehr als die Hälfte davon Kinder, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Die Hilfsorganisation International Rescue Committee spricht sogar von der größten humanitären Krise aller Zeiten.

Warnung der UN 

Dabei könnte der Krieg gerade in der jetzigen, möglicherweise finalen Phase noch einmal eine gefährlichere Wendung für die Zivilbevölkerung nehmen, warnte kürzlich der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk. Türk bezog sich auf eine Attacke der RSF auf einen Markt in Omdurman, bei der mindestens 54 Zivilisten getötet und über 160 verletzt worden waren. Wenige Tage zuvor waren bei einem Angriff der RSF auf ein Krankenhaus in El Fasher mindestens 70 Menschen getötet worden.

Die RSF streitet freilich jegliches Fehlverhalten ab. Stattdessen macht sie die sudanesische Armee und ihre Verbündeten für den Angriff auf das Krankenhaus verantwortlich.

Sanktionen durch die USA

Kurz vor dem Machtwechsel in den USA hatte die frühere Regierung unter Joe Biden noch Sanktionen gegen beide militärischen Anführer im Sudan erhoben. Den RSF-Rebellen warf sie Völkermord und schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Die reguläre Armee (SAF) beschuldigte sie, tödliche Angriffe auf Zivilisten verübt und das Ziel eines demokratischen Übergangs untergraben zu haben.

Diese Sanktionen stellten die bislang bedeutendste internationale Intervention dar, schrieb Expertin Leena Badri vom Londoner Thinktank Chatham House kürzlich in einer Analyse: "Die Sanktionen und der Tatbestand des mutmaßlichen Völkermords dürften Hemetis Plan vereiteln, in seinen Hochburgen eine zivile Verwaltung aufzubauen", so Badri. General Burhan hingegen habe bislang zwar von seiner Position als faktischer Führer des Sudan profitiert, schrieb die Expertin weiter. "Doch durch die US-Sanktionen gegen ihn und gegen Hemeti dürfte sein Status geschwächt sein."

Das US-Finanzministerium setzte - ebenfalls noch unter Biden -  zudem sieben Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf eine schwarze Liste. Der Vorwurf: Sie hätten die RSF durch Waffen und Finanzmittel unterstützt. 

Zwar bestreiten die VAE, der wichtigste Unterstützer der RSF zu sein. Doch unter anderem die Präsenz von Waffen, die in den VAE produziert wurden, scheint das Gegenteil zu belegen. Die Armee hingegen wird unter anderem von Ägypten unterstützt.

Unklar ist derzeit, wie US-Präsident Donald Trump die bisherige US-Politik gegenüber dem Sudan fortsetzen wird. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump den Sudan von der US-Liste der Terrorstaaten gestrichen. Zudem hatte er ein Normalisierungsabkommen zwischen dem Sudan und Israel im Gegenzug für wirtschaftliche Hilfe vermittelt. Beides ist allerdings durch den Krieg überlagert worden - und bisher hat Trump freilich noch keine neue Initiative zum Sudan ergriffen. 

 

Aufräum-Arbeiten nach einem Anschlag in Omdurman, Anfang Februar 2025
Aufräum-Arbeiten nach einem Anschlag in Omdurman, Anfang Februar 2025Bild: Khartoum State Press Office/Xinhua News Agency/dpa/picture alliance

Unklar ist derzeit, wie der neue US-Präsident Donald Trump die Politik gegenüber dem Sudan fortsetzen wird. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump den Sudan von der US-Liste der Terrorstaaten gestrichen. Zudem hatte er ein Normalisierungsabkommen zwischen dem Sudan und Israel im Gegenzug für wirtschaftliche Hilfe vermittelt. Beides ist allerdings durch den Krieg überlagert worden - und bisher hat Trump öffentlich noch keine neue Initiative zum Sudan ergriffen. 

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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Jennifer Holleis
Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.