Subventionsskandal in Kosovo
7. Mai 2002Köln, 6.5.2002, DW-radio / Auron Dodi
Es ist der größte Korruptionsskandal in der Nachkriegsgeschichte des Kosovo: 4,5 Millionen Euro, mit denen in den vergangenen drei Jahren in die Stromversorgung für die Provinz investiert werden sollte, sind veruntreut worden. Das Geld war hauptsächlich EU-Geld. Es wurde von den westlichen Geberländern zur Verfügung gestellt, um einen Kollaps des Energie-Systems im Kosovo zu verhindern und die Not der Kosovaren zu lindern. Der Vorfall gewinnt an Brisanz, da unter den Hauptverdächtigen für den Missbrauch auch ein Vertreter der internationalen Gemeinschaft vermutet wird.
Der Leiter der EU-Behörde in Prishtina, Andy Bearpark, beschäftigt sich seit dem Kriegsende 1999 mit der Wirtschaft im Kosovo. Ende April erklärte er, er habe Beweise, dass 4,5 Millionen Euro EU-Hilfe beim Strom-Import des kosovarischen Energie-Unternehmens KEK verschwunden sind:
"Ich habe Beweise für einen möglichen Korruptionsfall bei KEK gefunden. Es handelt sich um die mögliche Unterschlagung von ungefähr 4,5 Millionen Euro internationaler Finanzhilfe, die für den Import des Stroms bestimmt war. Ich kann zum jetzigen Standpunkt nur sagen, dass eine der Personen, die eventuell betroffen ist, ein internationaler Vertreter ist, der eine Zeitlang in meinem Büro gearbeitet hat."
Die Reaktion aus Brüssel kam am selben Tag: Gunnar Wiegand, der Sprecher von EU-Außenkommissar Chris Patten, versicherte, die Europäische Kommission verfolge das Problem mit großer Aufmerksamkeit. Man habe bereits das Kontrollbüro der EU eingeschaltet, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), das in diesem Fall umgehende Ermittlungen einleite:
"OLAF hat den Fall übernommen und hat eine Ermittlung initiiert."
Der OLAF-Vertreter Alessandro Butticé sagte, man werde zunächst die Ergebnisse einer Expertengruppe abwarten, die ins Kosovo geschickt worden sei. Dann werde man entsprechende Maßnahmen ergreifen. Das wichtigste im Augenblick sei jedoch, das EU-Geld zu finden und es für den vorhergesehenen Zweck zu verwenden. Butticé sagte, weitere Informationen wolle man vorerst nicht preisgeben, weil man dadurch nationale und EU-Gesetze verletzt würde.
Durch die Ermittlungen will Brüssel nun versuchen herauszufinden, wie die Import-Verträge für die Einspeisung von Strom aus dem Ausland in das Netz von Kosovo abgewickelt wurden. Der UN-Behörde im Kosovo zufolge soll in diesen Verträgen eine große Zahl von Geldgebern an vielen Orten involviert sein. Den größten Teil des Stroms habe man aus Bulgarien importiert, zudem aus Serbien und aus Montenegro. Kosovarische Medien berichten derweil, das veruntreute Geld sei bereits auf geheimen Konten gelandet - unter anderem auch in Gibraltar.
Die Energie-Probleme im Kosovo begannen im Sommer 1999, als rund 800.000 Flüchtlinge zurückkehrten und NATO-Truppen hier stationiert wurden. Der unter UN-Verwaltung stehenden Provinz drohte damals ein Winter ohne Strom: Das Elektrizitätssystem des Energie-Unternehmens KEK war im Krieg zerstört worden, die Kohle-Bergwerke standen kurz vor dem Kollaps. Die beiden Kohle-Kraftwerke und das kleine Wasser-Kraftwerk von Gazivoda waren in einem miserablen Zustand, da dort über Jahrzehnte nichts mehr investiert worden war.
Die internationalen Geldgeber erkannten das Energie-Sektor schon 1999 als einen der Schlüssel-Bereiche für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung Kosovos. Über 400 Millionen Euro wurden seitdem in diesem Bereich investiert, der größte Geldgeber blieb die Europäische Union.
Als Sofortmaßnahme fing man mit der Reparatur der veralteten jugoslawischen Kraftwerke an. Inzwischen hat man Pläne für einen neuen Wasser-Kraftwerk in der Nähe von Prizren in Südkosovo. Ein Konsortium von überwiegend deutschen Energie-Unternehmen gewann in diesem Jahr eine öffentliche Ausschreibung der EU und nahm sich vor, das verlustreiche kosovarische Energie-Unternehmen KEK innerhalb der nächsten zwei Jahre in ein profitables Unternehmen umzuwandeln. Die Europäische Agentur für den Wiederaufbau, die das ganze finanziert, bietet KEK in diesem Rahmen Training, Management-Wissen und technische Assistenz.
Der Korruptionsskandal trifft die UN-Verwaltung in Kosovo finanziell in einem unpassenden Augenblick: Der UN-Verwalter von Kosovo, der Deutsche Michael Steiner, hatte sich gerade in New York über die nachlassende Bereitschaft der Internationalen Gemeinschaft beklagt, im Kosovo zu investieren. Das fehlende Geld beeinträchtige die Gesamtentwicklung im Kosovo, und drohe damit auch, die Region zu destabilisieren. Steiner verurteilte den Korruptionsfall und forderte Konsequenzen:
"Wie Sie es bereits von Andy Bearpark gehört haben: Null-Toleranz für Korruption im Kosovo."
Es ist die erste große Anti-Korruptionsaktion im Kosovo - dabei sollen auch mutmaßlich in den Skandal verwickelte internationale Vertreter nicht geschont werden. Ein gutes Beispiel, um die Kosovo-Albaner zu überzeugen, dass es die internationale Gemeinschaft mit ihren Bemühungen, eine transparente Marktwirtschaft westlichen Typs einführen zu wollen, ernst meint. (fp)